Verpönt, verehrt, verzehrt
Mensch, Natur und Umwelt | MS, Gy |
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Was hat einen Beutel und hüpft? Die Antwort kennt jeder. Doch wer weiß schon, dass es mehr als sechzig Känguruarten gibt, darunter auch Kletterer und Winzlinge? Oder dass es in Australien eine 'Känguruplage' gibt?
Gejagte Ureinwohner
Die Australier und ihr Känguru: Das ist wohl eine Hassliebe. Einerseits haben sie mit ihrem Wappentier einen weltweiten Sympathieträger, andererseits fluchen Autofahrer und Landwirte: "Diese verdammte Känguruplage!" Mal springt ihnen ein bis zu neunzig Kilogramm schweres Riesenkänguru aus dem Nichts vor den Kühler, mal grast eine Gruppe von ihnen mutmaßlich die Rinderweide ab. Und sie fluchen so laut, dass überlegt wird, ob man die Abschussquote nicht noch weiter erhöhen sollte. Bereits jetzt werden jährlich im Schnitt drei Millionen Tiere erlegt und ihr Fleisch ins Ausland verkauft - ein eigener Wirtschaftszweig.
Geachtete Totemtiere
Schon die Ureinwohner Australiens jagten das Känguru, hatten jedoch auch Respekt vor dem kräftigen und kampfesbereiten Tier, ehrten es als Totem und gestanden ihm eine wichtige Rolle in ihren Schöpfungsmythen zu: Das "Große Känguru" bewahrte einst vor einer Flutkatastrophe und brachte anschließend die Sprache in die Welt. Es machte so die sprachlosen "Tierleute" erst zu Menschen.
Denkt man heute an das Känguru, hat man meist eine eben dieser großen Riesenkänguruarten vor Augen, doch es gibt noch über sechzig andere! Manche wiegen nur ein Kilogramm, leben auf Bäumen, können klettern - aber alle sind sie Beuteltiere. Damit unterscheidet sich ihre Schwangerschaft in etlichen Punkte von der europäischer Säugetiere: von der Befruchtung bis zu den ersten eigenen Schritten des Nachwuchses. Das Riesenkänguru kann sogar gleichzeitig einen Embryo im Mutterleib tragen, ein Junges im Beutel säugen und ein drittes, das den Beutel schon verlassen hat, weiter an einer Zitze saugen lassen, die absichtlich eine andere Milch gibt. Der Embryo wird dabei in seiner Entwicklung so lange zurückgehalten, bis der Platz im Beutel frei wird.
Geschickte Langstreckenläufer
Verlässt das Jungtier dann nach acht Monaten den Beutel, hat es schon das Leben "draußen" aufmerksam beobachtet und muss es nicht mehr lange lernen, bis es hoppelt und hüpft - und damit seinen Schwanz auf sehr unterschiedliche Weise verwendet. Beim Hoppeln dient er als drittes Stützbein, beim Hüpfen zur Balance. So anstrengend dies Hüpfen für uns Menschen aussehen mag, so energiesparend ist es (ab einer gewissen Geschwindigkeit) für das Känguru. Dabei helfen ihm seine ganz besonders elastischen Bänder in den Hinterbeinen; bei jeder Landung werden sie gespannt und katapultieren beim Absprung den Körper wieder nach vorne.
Kängurus können auf diese Weise große Distanzen schnell zurücklegen. Das ist auch nötig bei der Futtersuche, denn normalerweise frisst ein Känguru nur Laub und soviel von den Gräsern ab, dass diese wieder gut nachwachsen können, und zieht lieber zur nächsten Futterquelle weiter. Aus dem "Parkpfleger" wird nur in knappen Notzeiten eine Landplage, die Ernte und Viehzucht gefährdet.