Unterschätzte Moore Zerstörung und Ausbeutung der Moore
Den Wald nutzen bereits die Siedler in der Jungsteinzeit. Hier können sie jagen, hier finden sie Brenn- und Bauholz sowie Futter für das Vieh. Nach der Rodung entstehen Felder und Weiden. Das neblig-graue Moor, in dem sich womöglich Geister herumtreiben und Wanderer mit Irrlichtern ins Verderben locken, scheint dagegen unbrauchbar. Ackerbau ist auf dem nassen und oft nährstoffarmen Boden unmöglich, Nutztiere versinken im Sumpf. Moor taugt allenfalls zur Kleintorfstecherei, um - als Holzersatz - Heizmaterial zu gewinnen.
Erste Entwässerungsbemühungen gibt es bereits im Mittelalter, doch die Feuchtgebiete bleiben bis ins 18. Jahrhundert weitgehend unbehelligt. Dann beginnt der totale Krieg gegen das Moor. Gräben und Kanäle schlagen dem Feind tiefe Wunden, am Ende ist er verblutet.
Die "deutsche Moorkultur"
Im 18. und 19. Jahrhundert werden die deutschen Moore mit staatlicher Unterstützung gezielt erschlossen. Soldaten stechen Gräben, Häftlinge leisten Zwangsarbeit. Nicht selten werden Gefängnisse in oder nahe von Feuchtgebieten errichtet. Bauern nehmen die trockengelegten Flächen in Empfang und nutzen sie als Äcker, Weiden und Grünland für die Viehfutterproduktion.
Im Zuge der Industrialisierung widmen sich Techniker und Maschinenbauer dem Moor; sie entwickeln Entwässerungspumpen und Geräte für den Torfabbau. Und natürlich dürfen Wissenschaftler nicht fehlen. Um die Erträge der Moorlandwirte zu steigern, gründen sie Versuchsgüter und experimentieren auf trockengelegten Flächen - zunächst mit Kalk und Sand, später mit Kunstdünger.
Als besondere Kulturleistung wird die Erschließung des Bourtanger Moors im nordwestdeutschen Küstengebiet gefeiert. Das größte zusammenhängende Moorgebiet Westeuropas mit einer Fläche von 3.000 Quadratkilometern wird bis Mitte des 20. Jahrhunderts der Landwirtschaft zugänglich gemacht. Heute ist das Bourtanger Moor auf 200 Quadratkilometer zusammengeschrumpft und steht teilweise unter Naturschutz.
Industrielle Torfgewinnung
Großflächiger Torfabbau findet vor allem Norddeutschland (Niedersachsen) statt. Für den nassen Bodenschatz gibt es vielerlei Einsatzmöglichkeiten. Gepresst und getrocknet dient er als Brennstoff, bezüglich Heizqualität kann er sich mit der Braunkohle messen. Er wird auch in der Kosmetik, im Wellnessbereich und zu medizinischen Zwecken verwendet (Kurpackungen, Moorbäder, antiseptisches Verbandsmaterial). Zudem wird Torf zur Herstellung von Aktivkohle verwendet.
Leckeres Gemüse - auf Kosten der Moore
Vor allem aber wird Torf im Gartenbau genutzt, oft als Beimischung zu Kompost und Dünger. Profi- wie Hobbygärtner schätzen die Fähigkeit des Torfs, Wasser zu speichern; er ist frei von unverwünschten Nährstoffen, leitet aber durch seine Porenstruktur Wasser, Luft und Kunstdünger zu den Wurzeln der Pflanzen. Zudem besticht er durch ein geringes Gewicht und aus ihm keimen keine lästigen Wildkräuter.
Acht bis zehn Millionen Kubikmeter Torf benötigt der deutsche Gemüse- und Gartenbau jedes Jahr. Kein Wunder, dass die Gartenbranche Plänen, den deutschen Torfabbau in den kommenden Jahren zu stoppen, mit Skepsis begegnet - zumal Alternativen wie Rindenmulch oder Kokosfasern knapp und teuer sind.
Und selbst wenn es zum Ende des Torfstechens in der Bundesrepublik kommt, wird sich an der Bedrohungslage für die europäischen Moore kaum etwas ändern. Ein altbekanntes Szenario dürfte sich abspielen: Werden Lebensräume in einem Land geschützt, bricht sich anderswo die Unvernunft Bahn. Derzeit noch intakten Mooren im Baltikum droht die Vernichtung und auch Russland steht als Torfexporteur Gewehr bei Fuß.