Zwischen Sonne und Mond
Planet Erde | MS, RS, Gy |
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Die Gezeiten sind der Pulsschlag unseres Planeten. An den Küsten geben sie den Lebensrhythmus vor - für viele Tierarten, aber auch für Fischfang und Schifffahrt. Und sie schaffen einen einzigartigen Naturraum: das Watt.
Die Ursache der Gezeiten ist schlichte Mechanik: Mond und Sonne ziehen das Wasser der Ozeane an. Und zusätzlich erzeugt die Erde durch ihre Eigendrehung eine Fliehkraft wie ein Karussell. Es sind also mehrere Einflussfaktoren für Ebbe und Flut verantwortlich. Und das hat zur Folge, dass sie unterschiedlich stark ausfallen - je nach Jahreszeit und Mondphase. Die Höhe des Tidenhubs hängt zudem von der Gestalt der Küste ab: Wo das Wasser sich staut, wie im Bristol- oder im Ärmelkanal, ist der Unterschied zwischen dem höchsten und dem niedrigsten Wasserstand besonders ausgeprägt.
Leben mit den Gezeiten
An flachen Küsten sind wegen der Gezeiten große Gebiete mal unter Wasser, mal Sandstrand. Dazu gehört nicht nur der Nationalpark Wattenmeer in Deutschland. Viele Küsten in den Niederlanden, Großbritannien und Frankreich sind ebenso vielfältige Naturräume. Sie weisen eine einzigartige Flora und Fauna auf, die sich auf die rhythmischen Überschwemmungen eingestellt haben. Wattwürmer zum Beispiel, willkommene Beute für Watvögel. Oder die Miesmuschel, die sich bei Ebbe schließt und mit langsamem Herzschlag zu schlafen scheint. In Wales gibt es sogar Wildpferde im Watt, die sich bei Flut auf etwas höher gelegene Salzwiesen zurückziehen.
Auch der Mensch hat sich auf das Leben mit den Gezeiten eingestellt. Fischer fangen ihre Beute bei ablaufendem Wasser mit Reusen. Anders die Krabbenfischerei: Sie braucht die Flut. Selbst die Schifffahrt hängt bei einigen Häfen von den Gezeiten ab. Obwohl beispielsweise Weser und Elbe ausgebaggert sind, müssen die ganz großen Frachter auf einer Flutwelle nach Bremen und Hamburg "surfen" - und sie können dort auch nur bei Flut wieder weg.
Einfluss des Klimawandels
Wie stark der Meeresspiegel in Folge der Erderwärmung ansteigen wird, ist noch offen. Bis jetzt sind es einige Zentimeter - und bereits das ist deutlich spürbar. Etwa in den großen Flussmündungen in England oder der Bretagne. Hier verschiebt sich die Grenze zwischen Salz- und Süßwasser bei Flut immer weiter ins Land hinein, ökologische Gleichgewichte verändern sich. Auch der Hochwasserschutz wird immer aufwändiger, wenn die Flut höher und höher steigt. Einige Forscher plädieren dafür umzudenken, denn ganz verhindern lässt sich der Klimawandel jetzt nicht mehr. Die Menschen werden sich anpassen müssen - auch an Wasserstände, die es so in ihrer Geschichte noch nicht gab.