Suggestion, Manipulation Wie das Vorher das Nachher bestimmt
Barghs Studie ist auf Anhieb ein Riesenerfolg. Das Experiment weckt nicht nur die Aufmerksamkeit mehrerer Fachdisziplinen. Es trifft ganz offensichtlich den Nerv der Zeit. Die Manipulierbarkeit des Menschen, seine Anfälligkeit für Demagogie, Propaganda, Populismus und billige Werbetricks stellen der Vernunft ein miserables Zeugnis aus. Neurologie und Neuropsychologie erschüttern das jahrtausendelang tragende Konzept des freien Willens mit jeder neuen Entdeckung. Und jetzt liefert Bargh einen weiteren Beweis für diese ratio-skeptische Sicht des Menschen: Der Homo sapiens wird nicht von rationalen Erwägungen gesteuert, sondern von unbewusst ablaufenden, gleichsam automatisierten Mikroroutinen. Anders ist der Florida-Effekt nicht zu deuten. Schließlich hatte keiner der durch Alters-Assoziationen entschleunigten Probanden die Beeinflussung seines Verhaltens bewusst wahrgenommen. Jeder dachte, er hätte sein Schritttempo selbstständig und frei gewählt.
Die Macht der Vorerfahrung
Ist der Nachweis des Priming-Effekts also so etwas wie ein Abschied von der Fiktion des freien Willens? Bedeutet Priming, dass wir weder spontan noch frei handeln, urteilen und empfinden? Ob das in letzter Konsequenz und Schärfe zutrifft, ist umstritten. Klar ist aber, dass unsere Wahrnehmung durch vorgebahnte neuronale Prozesse massiv beeinflussbar ist. Primes, also frühere Erfahrungen und Reize, Erinnerungen, Gedächtnisinhalte und Assoziationen lenken alle späteren Erfahrungen. Wir entscheiden nicht bewusst und schon gar nicht im Einzelfall, wie wir eine Situation interpretieren und wie wir uns verhalten. Das erledigt der unbewusst wirksame "Prime", der vorbahnende, vorbereitende, grundierende Reiz. Er stellt einen aktuellen Reiz in den Kontext und gleichsam unter die Vormundschaft eines früheren Reizes. Der Prime ist die Brille, durch die wir alles Folgende sehen. Er grundiert unser Erleben und unsere Wertungen, unser Empfinden und Verhalten. Er legt fest, wie schnell und vor allem wie ein nachfolgender Reiz verarbeitet und interpretiert wird.