Martin Luther Die protestantische Bewegung kommt in Schwung
Nach der Verhängung der Reichsacht versteckt sich Luther 1521/22 auf der Wartburg. Währenddessen nimmt die von ihm losgetretene Volksbewegung Fahrt auf. Seine Abwesenheit - viele Bewunderer halten ihn für tot - ruft Radikale auf den Plan. In seiner Heimatstadt Wittenberg krempeln Anhänger Luthers um Andreas Bodenstein, genannt Karlstadt, das kirchliche Leben auf eigene Faust um. Sie entfernen Bilder aus Kirchen, verbieten Kirchenmusik und schaffen den Zölibat ab. Luther will die Kontrolle behalten, verurteilt die eigenmächtigen Aktionen trotz ihrer Nähe zu seinem reformatorischen Ansatz. Im März 1522 eilt er nach Wittenberg und sorgt für Ruhe.
Luther wendet sich gegen Ritter und Bauern
Längst sympathisieren einige Fürsten, die an der Schwächung des Kaisers interessiert sind, mit der Reformation. In ihren Machtbereichen kann sich Luther nun frei bewegen, das Wormser Edikt ist Makulatur. Den Territorialherren kommt es gelegen, dass Luther den - erfolglosen - Aufstand der Reichsritter unter Franz von Sickingen (1522/23), der zum "Pfaffenkrieg" aufruft, kritisiert.
Auch der Bauernerhebung in Süddeutschland (1524/25) erteilt Luther eine Absage. Dass Aufständische um den revolutionären Pfarrer Thomas Münzer seine Freiheitsverkündigung politisch deuten und eine "Gottesherrschaft auf Erden" anstreben, will ihm nicht in den Sinn. Er nennt Münzer einen "Erzteufel" und ruft zum Kampf "wider die räuberischen und mörderischen Rotten der Bauern" auf. Bei der blutigen Niederwerfung der Revolte sterben etwa 100.000 Menschen.
Ausbreitung der Reformation
Luthers Bewegung wird ab Mitte der 1520er Jahre von Landesfürsten politisch getragen, im Gegenzug fordert dieser Gehorsam gegenüber einer von Gott gesetzten Obrigkeit. Die Folge: In Gegenden, in denen sich das Luthertum durchsetzt, ordnet es sich meist jedweder Amtsgewalt unter, vom örtlichen Grundbesitzer bis hinauf zum Landesherrn.
Die Reformation profitiert von der Bedrohung des Reiches durch die Türken und von Konflikten zwischen Kaiser Karl V., dem Papst und dem französischem König. Wenngleich der Kaiser von der Idee einer Universalkirche nicht lassen will, muss er sich auf Kompromisse mit den "Protestanten", wie man die Parteigänger Luthers seit dem Reichstag von Speyer 1529 nennt, einlassen.
Auf dem Reichstag zu Augsburg 1530 präsentiert Philipp Melanchthon die "Confessio Augustana", das erste protestantische Bekenntnis. Die Kirchenspaltung ist nun nicht mehr aufzuhalten, auch der Sieg des Kaisers im Schmalkaldischen Krieg (1546/47) ändert daran nichts. Der Augsburger Religionsfriede 1555 verankert reichsrechtlich die Gleichberechtigung des katholischen und des lutherischen Bekenntnisses. Maßgebend für die Menschen ist fortan die Konfession des Landesherrn (cuius regio eius religio).
In den Folgejahren setzt sich das Luthertum in Süd- und Ostdeutschland teilweise, in Skandinavien vollständig durch. Das reformatorische Konkurrenzprojekt Calvinismus breitet sich über die Schweiz in die Pfalz, die Niederlande, England, Schottland und Frankreich aus. Die katholische Kirche will sich nicht geschlagen geben und startet die Gegenreformation, am Ende steht der Dreißigjährige Krieg.
Luthers letzte Jahre
1524 legt Luther die Mönchkutte ab, im Juni 1525 heiratet er die Ex-Nonne Katharina von Bora. Luther ist ein Gegner des Zölibats, mit der Ehe sendet er die Botschaft: Was ein Luther verkündet, lebt er auch. Der Historiker und Journalist Georg Diez bezeichnet Martin und Katharina als "Urpaar, Adam und Eva des protestantischen Pfarrhauses".
Das Leben bis zu Luthers Tod am 18. Februar 1546 ist von seiner Arbeitswut geprägt: Er schreibt Predigten, betätigt sich als Übersetzer, Lyriker, Musiker und Fabeldichter. Biografen haben errechnet, dass Luther pro Arbeitsjahr 1.800 Druckseiten produzierte.