Ende der Welt - Die tägliche Glosse Bienen lieben Städte
Wenn ein Lebewesen unter heftigem Vibrieren des Hinterleibs durch die Stadt taumelt, dann handelt es sich entweder um einen Gangnam-tanzenden Partylöwen oder um eine Honigbiene beim Schwänzeltanz. Mittlerweile strömen auch die Wildbienen in unsere Städte. War Bienensterben gestern? Eine Glosse von Thomas Koppelt.
Es ist schon verrückt: Je mehr Menschen in die Städte ziehen, desto mehr wollen wieder raus: Raus in die Natur, rauf auf den Berg, runter in die Flussauen, wo die Schwertlilien blühen und die Bienen summen. Und was wollen die Bienen? Sie wollen offensichtlich raus aus der Idylle und mittenrein in die Städte. Das legt jedenfalls eine Studie nahe, die diese Woche von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg veröffentlicht wurde. Klar, dass es Bienen in Wittenberg gefällt. Die Lutherstadt ist nicht nur bekannt für verwegene Thesen und Nagellöcher in der Schlosskirchentür, sondern auch für den weltweiten Maiglöckchen-Export vor dem Zweiten Weltkrieg und für die Streuobstwiesen im Luthergarten. Es müssen aber gar keine Streuobstwiesen sein, nein, es reichen ganz profane städtische Brachflächen. Es müssen auch keine Schwertlilien blühen, Hauptsache es blüht irgendwas. Dann sind ungenutzte Stadtbrachen bei Wildbienen beliebter als jedes ländlich gelegene Naturschutzgebiet. Wolle mer se reinlasse? Na klar! Da hätte nicht mal das Zustrombegrenzungsgesetz der Union etwas dagegen.
Wir Städter können uns schließlich Nützliches bei den Bienen abschauen
Wir Städter können uns schließlich Nützliches bei den Bienen abschauen. Stichwort: Schwarmintelligenz. Die verkümmert beim Menschen ja meist zum bedauernswert-absurden Social Media-Hype. Glauben Sie, eine Biene würde sich freiwillig einen Eimer kaltes Wasser über den Kopf schütten lassen oder scharfe Chilichips essen, bis der Arzt kommt? Sicher nicht. Bienen sind vernünftig. Sie ernähren sich rein vegetarisch, denken sozial und leben ressourcenschonend. Sie sind ihr eigenes Flugtaxi, produzieren keinen Plastikmüll und bauen natürlich abbaubare Brutkammern in Wabentechnik - sechseckige Patentlösungen für effektive Wohnraumverdichtung. Ob in der Nisthöhle oder im Bienenstock: Wabenbau statt Mietpreisbremse, Erdhöhlen statt Hochhaus-Debatte.
Da werden Städteplaner selbstverständlich hellhörig. War es Zufall, dass der Münchner Oberbürgermeister im letzten Jahr beim Singspiel auf dem Nockherberg als Biene Reiter die starkbiertrunkenen Herzen quasi im Schwänzeltanz eroberte? Sicher nicht. Die Biene ist ein Sympathieträger, in ihrem Flugschatten scharwenzelte sich schon Markus Söder einst zu besseren Umfragewerten: Rettet die Bienen! Bienenschutz aus Eigennutz. Noch besser eignen sich natürlich Bäume, die können nicht stechen, wenn man sie ungefragt umarmt. Die Biene hingegen ist ein streitbares Wesen - wehrhaft, wie unsere Demokratie sein sollte. Sie ist schick anzuschauen, und sie ist ein guter Seismograph. Sie wissen ja, was Albert Einstein mal gesagt haben soll: Wenn die Biene von der Erde verschwindet, hat der Mensch nur noch vier Jahre zu leben. Überlassen wir ihnen also unsere Städte. Wir Städter können ja in die brachliegenden Naturschutzgebiete ausweichen.