Ende der Welt - Die tägliche Glosse Dabei sein ist... auch schön
Die Bundestagswahl ist geschlagen und es herrscht das olympische Prinzip: Wer nicht auf dem Podest steht, wird vergessen. Und manche, die eigentlich dort Platz haben sollten, haben aber keinen Sitz. Eine äusserst wahlvolle Glosse von Severin Groebner.
Christian Lindner hat einen sportlichen Charakter. Auf die Frage, wie es ihm nach der Wahl denn gehe, antwortete jener Mann, mit dem Olaf Scholz wohl nicht mehr auf Urlaub fahren wird, mit einem Vergleich. Es wäre wie eine Teilnahme bei den olympischen Spielen, es ginge nicht um das Ergebnis, sondern um die Reise, die man dabei mache.
Man weiß nicht, wie oft Olympioniken sich bei den letzten Spielen in Frankreich gesagt haben: „Erster oder letzter, egal, Hauptsache einmal die Themse in Paris sehen.“ Lindners eigene politische Reise wird ihn ja demnächst olympisch nach Hause bringen.
Bei Sarah Wagenknecht ist es dagegen fraglich, wohin die Reise geht. Ob ihre Partei überlebt oder ob sie nicht woanders andocken kann. Vielleicht tritt sie ja in die FDP ein.
Sicher, da drohen politische Differenzen, aber von der leicht egomanischen Persönlichkeitsstruktur aller Beteiligten könnte das schon passen. Und bei Wagenknecht zu Hause sieht dann Gemahl Oskar nach dem Rechten. Bei dem kann sich der Lindner vielleicht was abschauen. So unter ehemaligen Finanzministern. Der Begriff „Haushaltsdebatte“ bekäme da eine ganz neue Bedeutung.
Apropos Debatte: Andere haben das Glück von zuhause gar nicht weg zu müssen
Apropos Debatte: Andere haben das Glück von zuhause gar nicht weg zu müssen. Wahlkreis-Kandidaten etwa, die ihren Wahlkreis zwar gewonnen haben, deren Partei aber zu wenige Zweitstimmen erringen konnte. So werden zum Beispiel sechs Baden-Würtembergische Kandidaten, fünf hessische, drei Bayerische, zwei Rheinlandpfälzische und einer aus Schleswig-Holstein, die alle samt den Unionsparteien angehören, die Bundestagsdebatten in Zukunft - trotz gewonnenen Wahlkreises - vom Sofa aus verfolgen müssen. Da stellt sich die Frage: Wenn die dann den Fernseher anbrüllen, weil ihnen das im Bundestag Gesagte nicht passt, ist das dann Home-Office?
Das Schicksal der zu Hause gebliebenen ist freilich umso bitterer, als dass die Union wohl den Großteil der Regierung stellen wird. „Ausserparlamentarische Opposition“ kennt man ja aus der jüngeren deutschen Geschichte, eine „Ausserparlamentarischen Regierung“ ist allerdings neu.
Aber nach der Wahl ist schließlich vor der Wahl. In vier Jahren ist ja wieder eine. Bis 2029 kann man sich erneut ins Gespräch bringen, politische Konzepte entwickeln und an seiner Social-Media-Kampagne feilen. Und kurz vorher sind 2028 auch noch Olympischen Sommer Spiele. In Los Angeles! Da darf man gespannt sein, ob dort dann Christian Lindner auftauchen wird. Nicht aus Gründen der Profilierung, nein, nur der Reise wegen.