Ende der Welt - Die tägliche Glosse Es brodelt im Kochtopf
Die Firma, die den Thermomix herstellt, hat ein neues Modell ohne vorherige Ankündigung auf den Markt gebracht. Das erhitzt die Gemüter! Eine Glosse von Wolfram Schrag.
Die Welt ist in Unruhe: Kriege, Krisen und diese orange Person im Weißen Haus. Und wir mittendrin: Atemlos verfolgen wir, wie unser Erspartes mit Hilfe des Zollhammers zerschlagen wird. Dann setzt der FC Bayern den verdienten Mitarbeiter Thomas Müller nach 25 Jahren wie einen räudigen Hund vor die Tür der Säbener Straße. War nicht so gemeint, lieber Thomas. Du bist zwar eine Bayernlegende, aber jetzt müllert es eben nicht mehr.
Und dann das noch: Ein Modellwechsel ohne vorherige Ankündigung! Die Kundinnen und Kunden sind regelrecht verstört. Denn dieser Modellwechsel geht einher mit jeder Menge Highlights: 6,8 Liter, 10 Zoll Bildschirm, bis zu 10.700 Umdrehungen pro Minute bei nur noch 30 Dezibel und einen digitalen Zwilling gibt es obendrein. Die Welt ist aufgeschreckt. Ist das die Zeitenwende rückwärts in der gebeutelten deutschen Automobilindustrie? Nein, die wird noch dauern und es ist auch nicht die Rückkehr des Verbrennungsmotors. Wir sprechen hier über den neuesten TM, genauer den TM7, und Fans wissen es längst: Es geht ums Kochen, um eine Küchenmaschine, die unter dem Namen Thermomix seit etlichen Jahren Kult ist.
Hat doch die Firma, die diese Küchenmaschine herstellt, einfach den TM6 in den Ruhestand geschickt
Hat doch die Firma, die diese Küchenmaschine herstellt, einfach den TM6 in den Ruhestand geschickt und den TM7 mit oben genannten Highlights auf den Markt oder in die Küche geworfen. Mann, Mann, Mann, was für einen Shitstorm hat sie da im 6,8 Liter großen Rührtopf entfacht. Manche Userinnen und User drehen voll auf und sind auf mehr als 10.700 Umdrehungen. Haben sie sich doch am einen Tag den TM6 gekauft, um am nächsten den neuen im Shop zu sehen. Der TM7 mit seinem Monster-Farbdisplay und all den anderen Gadgets. Und dann noch der Wertverlust! Denn auch Kochen ist ja zwischenzeitlich ökonomisiert. Und die Firma meint: Sorry, kann passieren. Denn sie weiß: Die Welt ist in Unruhe, wir sagten es schon. Und dieses Gerät kann noch mehr als das letzte. Aber mal unter uns: Braucht es eine teure Hightech-Maschine, die zum Beispiel Frühstückseier kochen kann? Dafür genügte jahrzehntelang ein Topf und Wasser und ein Herd. Nun gut, aber eben auch die gewisse Erfahrung, dass am Schluss kein gekochtes Eiweiß im Topf schwimmt. Klar, diese Erfahrung muss man sich erarbeiten.
Doch wer will das heute noch? Wir nehmen uns für Erfahrung keine Zeit mehr. Nicht umsonst ging schließlich vor etlichen Jahren schon die Firma AEG pleite. Die warb mit dem Spruch: Aus Erfahrung gut. Und heute? Erfahrung? Ein Teil macht die KI und den anderen machen wir vor dem Smartphone: Man muss ja ständig checken, ob das Aktiendepot jetzt mit 20 oder 50 Prozent Tagesverlusten nach unten rauscht. Und die Welt ist in Unruhe, das sagten wir doch schon, oder? Da wird gemeinsames Kochen zur digitalen Herausforderung, die die Gemüter erhitzen kann. Selbst Topfgucken ist sowas von aus der Zeit gefallen. Der Rührtopf sendet deshalb Daten an den digitalen Zwilling. Der spielt uns vor, was drinnen passiert. Wohin? Aufs Display natürlich. Nur essen muss man noch selbst. Na, wohl bekomm’s!