Bayern genießen Jetzt geht's rund - Bayern auf dem Rad geniessen
Die frühesten Räder und Wagen tauchen nicht nur im Industal oder in Mesopotamien auf, sondern auch im Alpenvorland. Das Fahrrad wird in der Verkleinerungsform der Vertrautheit in Bayern auch oft Radl genannt. Darum dreht sich alles im Bayern-genießen-Feuilleton für den Monat Mai.
Im Jahr 1815 veränderte der Ausbruch des indonesischen Vulkans Tambora alles. Eine riesige Aschewolke zog um die Welt, verdusterte sie und führte dazu, dass das darauffolgende Jahr 1816 als "Jahr ohne Sommer" in die Annalen einging. Weltweit gab es schlimme Missernten, Hungersnöte und ein gewaltiges Nutztiersterben. Überall wurden Zug- und Reitpferde knapp. Ein Umstand, der den badischen Freiherrn Karl von Drais auf die Idee seiner Draisine brachte, einer hölzernen Laufmaschine mit zwei Speichenrädern - das Fahrrad war geboren.
Oberbayern
Auf dem Holzweg: Der Schreiner Alois Arnhofer im oberbayerischen Dünzing und seine High-Tech-Holzradln.
In München baute man 1829 die ersten Velozipede aus Eisen. Eisen war leichter und stabiler als Holz. Und dabei blieb es im Prinzip bis heute. Wenn es allerdings nach Alois Arnhofer aus Dünzing bei Vohburg an der Donau geht, dann könnte sich die Entwicklung bald wieder umkehren.
Der gelernte Schreiner nämlich baut Fahrradrahmen aus Holz. Radl-High-Tech ganz ohne Nostalgie. Unser Bayern-genießen-Radl-Ausflugstipp kommt von Christoph Würflein vom Naturpark Altmühltal: Er rät zum Schambachtalradweg auf einer ehemaligen Bahnstrecke.
München
Genussradeln Huckepack: Mit der Rikscha zur Münchner Biertempel-Brotzeit
Nicht erst seit unsäglichen Fast-Food-Zeiten bringen Europäer ein wesentlich höheres Durchschnittsgewicht auf die Waage als Asiaten. Das war auch schon früher so. In Asien ist der Menschenschlag halt von Haus aus kleiner und zierlicher. Ein Umstand, der die allerersten Handelsreisenden des 19. Jahrhunderts in Japan vor ein kaum zu lösendes Problem stellte. In den engen Gassen Tokios gab es keine Pferdefuhrwerke. Personentransporte wurden ausschließlich per Sänfte abgewickelt. Für die kleinen japanischen Sänften aber waren viele Europäer zu breit und schwer - also was tun? Ein englischer Geistlicher soll auf die Idee gekommen sein, die Sänfte mit Rädern zu versehen: Jetzt langte ein einzelner Sänftenzieher: Die Rikscha war erfunden.
Japanisch Riki heißt Kraft und sha heißt Wagen. Eine Rikscha ist also nix anderes als ein Kraftwagen - auch wenn er zunächst auf Menschenkraft angewiesen ist. Lange Zeit war die sogenannte Fahrradrikscha das Maß der Dinge, auch wenn in Asien mittlerweile überall stinkende Moto-Rikschas, sogenannte Tuk-Tuks im Einsatz sind. Neuerdings aber erleben die Fahrradrikschas eine erstaunliche Renaissance in unseren europäischen Großstädten. In München zum Beispiel, wo man damit in den Fußgängerzonen und verkehrsberuhigten Straßen der Altstadt abgasfrei Touristen befördern kann.
Niederbayern und Oberpfalz
Edel-Radl: Regensburger Radl-Tuner schlagen Selberschrauber nach alter Art
Die Zeiten sind längst vorbei als das Fahrradl, wie noch nach dem Krieg, als billiges Zweck-Fortbewegungsmittel gedient hat. Spätestens seit den 80er Jahren gilt das Radlfahren auch im autoverrückten Bayern als ausgemachtes Freizeitvergnügen, das Jahr für Jahr neue Freunde dazugewinnt. Dazu kommt, dass sich das Radl auch immer breitere Anwendungsmöglichkeiten als Sportgerät erschlossen hat. Neben dem althergebrachten Rennrad tauchten plötzlich die Mountainbikes auf, Bergradl, die, ganz ähnlich wie die Geländeautos, auch und vor allem in den Großstädten als chic gelten.
Dann die richtigen Geländesporträder, BMX genannt, die pomadigen Hollandräder, die kultigen Retroradeln, die Ausschauen wie das von der Oma, bloß umlackiert, in Wahrheit aber auf dem neuesten technischen Stand sind und viel teurer, und jetzt die Elektroradln - es gibt ausreichend Gelegenheit rund um das Radl einen Haufen Geld auszugeben. Vor allem, wenns ums Zubehör geht. Wer einmal ein Auge dafür entwickelt hat, der sieht die, die was ins Radl investieren, überall. Rückenwind eingebaut. Und weil Regensburg schon so eine Radlstadt ist wo mittendurch der Donauradweg führt, Europas beliebester Radfernreiseweg, haben wir in der Sendung noch ein paar Ausflugstipps für Sie.
Mainfranken
Radl-Wellness: Würzburger Radlwerkstatt mit Waschanlage und sozialer Note
Jetzt stellen Sie sich vor, Sie gehören zu den sehr guten Kunden in ihrem Radlgschäft und haben für ihren - nein Drahtesel passt jetzt da nicht - ihr Luxus-Gefährt, also für das haben Sie 5.000 Euro ausgegeben; da wollen Sie dem doch auch die richtige Pflege angedeihen lassen, oder?! Wer da nicht selbst Hand anlegen will, der kann sein Radl auch in Pflege geben. Zu einer Wellnesskur für´s Radl gewissermaßen. Lachen Sie jetzt nicht. Das gibt’s. In Würzburg. Und man tut sogar noch was Gutes dabei. In der Fahrradwerkstatt des Erthal Sozialwerks in Würzburg werden Frühlingstag für Frühlingstag rund siebzig Radln auf Vordermann gebracht - und zwar von Menschen mit psychischer Behinderung. Die Einrichtung gibt es seit fast 30 Jahren.
Treffpunkt zur Radltour am 22. Mai, 9.30 Uhr, Würzburg: Integrations-Fahrradtour startet am Viehmarktplatz
Und wenn sie auch mitradeln wollen, bei der „Integrations-Fahrradtour“ des Erthal Sozialwerks: Die Tour findet statt am Sonntag, denn 22. Mai, Treffpunkt ist um 9 Uhr 30 am Viehmarktplatz in Würzburg, das ist unterhalb der Friedensbrücke. Angeboten werden verschiedene Rundtouren von 10 bis 50 Kilometern. Zum Abschluss findet gegen 16 Uhr am Ausgangspunkt, also am Würzburger Viehmarkt, eine Fahrradsegnung statt.
Sie richtig populär ist das Radlfahren gegen Ende des 19. Jahrhunderts geworden. Die gefährliche Hochradzeit ging dem Ende entgegen als 1888 der schottische Tierarzt John Boyd Dunlop den Luftreifen erfunden hatte. Jetzt konnte man auch mit sogenannten Niederrädern, also mit Radln, bei denen die beiden Reifen gleich groß waren, komfortabel fahren. Gleichzeitig kamen der sogenannte Diamantrahmen auf, also die Rahmengeometrie, die bis heute gebräuchlich ist, und die Übersetzung - das moderne Fahrrad war geboren und erlebte einen regelrechten Boom.
Überall schossen jetzt Velozipedclubs aus dem Boden, es gab Fahrrad-Führerscheinprüfungen und Verkehrsregeln für Radler. „Das Umkreisen der Equipagen ist verboten“ heißt es zum Beispiel in der damaligen Radfahrverkehrsordnung der Stadt Ingolstadt. Das Radl war halt schon bald auch ein Gerät, mit dessen Hilfe man seinem Übermut freien Lauf lassen konnte.
Mittel- und Oberfranken
108 Jahre Radrennbahn am Reichelsdorfer Keller in Nürnberg
Für alle, die zuviel Kraft hatten, gab es längst auch Radrennen - in den Velodromen, die jetzt in allen größeren Städten gebaut wurden. Eines der ältesten noch erhaltenen Radsportstadien findet sich in Nürnberg.
Um 1900 führten die Schweinfurter Fichtel&Sachs-Werke ihre legendäre Freilaufnabe mit Rücktrittbremse ein, der sieben Jahren später bereits die erste Zweigang-Nabenschaltung folgte. Damit waren im Prinzip alle Komponenten beieinander, die heute noch, in modernisierter Form versteht sich, ein fahrrad ausmachen. Und trotzdem - schon die Erfindung des Freiherrn von Drais, das Laufrad, hat was für sich.
Schwaben
Runde Sache: Hinauf zu Fuß, hinunter mit dem Tretroller; vom Oytalhaus unterm Nebelhorn nach Oberstdorf.
Der kleine Bruder des Draisschen Laufrads, der Tretroller, erfreut sich ja mittlerweile auch wieder bei Erwachsenen großer Beliebtheit - und er spielt die Hauptrolle in unserer letzten Genussgeschichte. Hand aufs Herz: Wer hat sich's nicht schon einmal gewünscht, nach einer mehr oder weniger anstrengenden Bergtour bergab fahren zu können? Im Oytal, einem der autofreien Hochtäler bei Oberstdorf kann man das. Mit dem Tretroller eben.
Radtourentipp im Allgäu: Auf dem Illerradweg von Kempten nach Oberstdorf
Ein Teilstück des Illerradwegs Ulm-Oberstdorf und zwar von Kempten nach Oberstdorf, nahezu eben flussaufwärts, ca 45 km einfach. Bei Verlängerung in die autofreien Oberstdorfer Hochtäler ein paar Kilometer mehr. Start im Zentrum der alten Reichsstadt am historischen Rathaus bzw. bei der nahen St.Mang-Kirche mit der unterirdischen Erasmus-Kapelle (zur Besichtigung vorher in der Touristinfo anmelden, es gibt feste Führungszeiten).
Von der mittelalterlichen Stadtkultur geht es mit wenigen Pedaltritten mitten in die Natur zur nahen Iller. Immer am Fluss entlang Richtung Süden mit Blick auf die Berge, zunächst zur Linken der Wächter des Allgäus, der Grünten, unverkennbar mit dem Sendeturm des Bayerischen Rundfunks. Im Seifener Becken zwischen Martinszell und Immenstadt wurde die Iller im Zuge von Hochwasserschutzmassnahmen verbreitert und renaturiert, die abwechslungsreiche Flusslandschaft soll zum Fisch- und Vogelparadies werden. Ab Immenstadt öffnet sich der Blick auf das grandiose Oberstdorfer Bergpanorama mit dem Allgäuer Hauptkamm und den Kleinwalsertaler Bergen. Zwischen den Sonnenköpfen im Osten und den Hörnern im Westen geht es zum Illerursprung, wo die drei Quellflüsse Trettach, Stillach und Breitach zusammenfliessen und die Iller bilden. Rast im Ortszentrum von Oberstdorf. Wer noch Ausdauer hat, kann entlang der Trettach in die Spielmannsau radeln oder entlang der Stillach nach Birgsau und weiter einige Höhenmeter nach oben bis zum südlichsten ganzjährig bewohnten Ort Deutschlands, zur Ausflugswirtschaft Einödsbach. Zurück auf demselben Weg oder ab Oberstdorf mit der Bahn nach Kempten.
Und zum Schluss noch ein Tipp: Haben Sie gewusst, dass Fahrräder, die in Deutschland in den Handel kommen, nach DIN-Norm nur für ein Gesamtgewicht von 100 Kilo ausgelegt sein müssen? Was nix anderes heißt als dass Rahmen, Bremsen etc. einen allerhöchstens 80-90 Kilo schweren Fahrer im Wortsinn „ertragen“ müssen. Wer größeres Gewicht mitbringt, dem bleiben zwei Möglichkeiten: entweder er fragt den Radl-Händler, für wie viel Gesamtgewicht sein Wunsch-Radl ausgelegt ist - oder er nimmt ab.
Für diesen Fall können wir Ihnen ein paar wirklich schöne Genießertipps rund ums „Weniger ist mehr“ aus unserem letzten Bayern-genießen-Magazin anbieten.
Jetzt geht’s rund - Das ist Bayern genießen im Mai - mit Gerald Huber und Beiträgen aus unseren sechs Regionalstudios