Bayern genießen Rückzug ins Haus
Was gibt es im Dezember schöneres als die warme Stube – ganz gleich ob's draußen tatsächlich stürmt und schneit, ob die nasse Nebelkälte in die Zehen schleicht oder bei schönem Wetter ein eisiger Ostwind Nasen und Ohren packt.
Freuen Sie sich auf eine Stunde mit bayerischen Spezialitäten und Spezialitäten bei Bayern genießen.
Die Themen von Bayern genießen im DezemberRückzug ins Haus. Eine Sendung von Gerald Huber und Beiträgen aus den sechs BR-Regionalstudios.
- Andreas Estner aus unserem Studio Oberbayern führt uns in die guten Stuben des Oberlands.
- Die Kunst, richtige Bratäpfel zu machen, zeigt uns Angelika Schüdel.
- Zum fränkischen Hausmusikabend hat uns Ilona Hörath eingeladen.
- Den Krimikeller im unterfränkischen Rothenfels zeigt uns Klaus Rüfer.
- Den Beitrag über die Tiere im Winterschlaf macht Marianne Bitsch
- Über den lang anhaltenden Genuss des Gänsebratens erzählt uns Tanja Gronde.
Ton und Technik: Tatjana Schewtschenko
Regieassistenz Angela Breier
Redaktion und Regie Gerald Huber
Oberbayern
Gute Stube. Dichtung und Wahrheit über den Traumort der Bürgerlichkeit.
Ohne Haus geht es nicht – zumindest nicht in unseren Breiten. Eine Selbstverständlichkeit ist das, von der die Werbung heute lebt. Andererseits: So komfortabel gemütlich wie heute war es nicht immer. Früher einmal gab es neben der Küche oft nur einen einzigen Raum, der im Haus geheizt werden konnte – die Stube. Sie hat ihren Namen sogar davon: Spätromanisch "stufa" heißt der Ofen, der heizbare Raum. Noch bis in die 50er und 60er Jahre des 20. Jahrhunderts sind die Stuben in den bayerischen Bauernhäusern neben den ungemütlichen Rauchküchen die einzigen beheizbaren Räume geblieben. Besonders die reichverzierten Stuben der Bauernhäuser sind durch die Heimatliteratur und Genremalerei zum Inbegriff bayerischer Gemütlichkeit geworden, Aber – Hand aufs Herz: War es wirklich so romantisch und gemütlich früher?
Niederbayern und Oberpfalz
Duft der Äpfel. Über die Kunst gute Bratäpfel zu machen.
In der Antike und im Frühmittelalter gab es keine Stuben – nur Kemenaten. Die leiten ihren Namen vom offenen Kamin her, der diese Räume beheizt hat und vor dem man bekanntlich vorne gebraten wird, während man hinten einfriert. Weswegen es ein riesiger Fortschritt war, als im 14. Jahrhundert - bei uns im Alpenraum übrigens - die Kachelöfen und damit die gleichmäßig und angenehm temperierten Stuben erfunden wurden. Und so ein Ofen hatte einen doppelten Vorteil. Denn er verfügte auch über ein sogenanntes "Rohr".
Während in den Küchen mit ihrem offenen Herdfeuer traditionell nur gesotten oder am Spieß gebraten werden konnte, erfand man nun die wesentlich weniger rustikalen Ofengerichte, die in der Reine viel schonender zubereitet werden konnten und viel mehr Geschmacksvielfalt, Saucen etc. geboten haben. Im Rohr heutiger Kachelöfen wird allerdings nur noch ganz selten gekocht oder gebraten – mit einer einzigen Ausnahme, die dort langsam vor sich hinschmurgelt und das ganze Haus mit Duft erfüllt. Angelika Schüdel über die Kunst, richtige Bratäpfel zu machen.
München
Gans daheim. Der lange Genuss des Gänsebratens.
Bratäpfel sind, wie gesagt, die Minimallösung für die Ofenröhre. Die, wenn man so will, Maximallösung dagegen ist ein Gänsbraten. Jedenfalls jetzt zu Martini oder Weihnachten. Wir haben in der Redaktion sanften Druck auf unsere Münchner Kollegin Tanja Gronde ausgeübt, bis sie sich bereit erklärt hat, sich erstmals in ihrem Leben an die Zubereitung so eines Vogels zu machen. Und auch die Ausflucht, dass ihr Herd vielleicht viel zu klein dafür sei, hat ihr nichts geholfen.
Mittel- und Oberfranken
Guter Ton. Die lebendige Tradition der Hausmusik.
Winterzeit ist seit uralten Zeiten Feierzeit. Die Stube ist warm und der Mensch hat wenig zu tun. Wenigstens war das früher, zu agrarischen Zeiten so. Kein Wunder, wenn man da auf allerlei Zeitvertreib sinnt: Aufs Erzählen von Geschichten beispielsweise – heiteren genauso wie grusligen. Geschichten, die oftmals dann in theatralische Wirklichkeit umgesetzt wurden: Die diversen finsteren Rauhnachtsgestalten verdanken ihnen ihren Ursprung. Man kann auch aufs Basteln, aufs Schnitzen kommen: Spielzeug und Schmuck für den Christbaum kam früher aus alpenländischen oder fränkischen Bauern- und Handwerkerstuben. Oder man vertreibt sich die Zeit mit Musik. Mit Haus-Musik. Eine Gepflogenheit, die – zumindest in manchen Häusern – bis heute überlebt hat. Wenn man's darin zu einer gewissen Perfektion bringt, dann kann man damit auch vor anderen auftreten. Hausmusik von Haus zu Haus sozusagen. So praktiziert das z.B. die Familie Ponader aus dem kleinen Ort Nagel im Fichtelgebirge. Für sie ist Hausmusik ein ganz spezielles Lebenselixier.
Mainfranken
Theater im Wohnhaus. Der Krimikeller im unterfränkischen Rothenfels.
Unser heutiges Wort "privat" kommt vom lateinischen "privare", was soviel wie "rauben", "vorenthalten" heißt. Wir bezeichnen unsere Wohnung als "privat". Auch das war in früheren Zeiten anders. In der arbeitsarmen Feierzeit des Winters besuchte man sich regelmäßig und ohne förmliche Anmeldung gegenseitig in den Spinnstuben, um sich Geschichten zu erzählen oder um zu musizieren.
Was in zentralgeheizten Räumen heute dagegen oft genug stattfindet ist etwas, das man neudeutsch „Cocooning“ nennt, also „Sich-Einspinnen“ wie in einen Kokon, Rückzug ins Haus eben. Man richtet sich sein Zuhause ganz nach seinen Wünschen, um es sich gemütlich zu machen – für sich ganz allein. Auf der Couch. Da ist der Michael Franz aus Rothenfels in Unterfranken aber ein ganz anderer Typ: Um sich richtig wohl zu fühlen in seinem Haus, hat sich der 43-Jährige - ein eigenes Theater eingebaut.
Schwaben
Schlaf der Tiere. Winterschlaf
Ein Haus zu bauen liegt nicht nur in der Natur des Menschen – auch die Tiere brauchen jetzt ihren Unterschlupf, um den Winter zu überstehen, vielleicht gar, um ihren Winterschlaf zu halten. Was der Schnecke ihr transportables Haus ist, das ist dem Igel sein Laubhaufen oder dem Murmeltier sein Bau. Aber wie überwintern Tiere, die kein schützendes Dach über dem Kopf haben? Marianne Bitsch ist mit dem Allgäuer Wildbiologen Albin Zeitler ins frostige Gelände gegangen, um zu erfahren, wie es Murmeltieren, Mäusen, Hirschen und Gemsen im Winter geht. Die Sprache ist verräterisch: Feiertage, das sind eigentlich Feuertage, Tage am Feuer, am heimischen Herd. Und die Zeit um die Wintersonnenwende herum, ist nicht umsonst die Hauptfeiertagszeit des Jahres.
Die Feier kommt vom Feuer
Im Feuer und in der Feier steckt die uralte Sprachwurzel "phu", "pha", "phe" drin – nichts anderes als Lautmalerei. Jeder, der Feuer macht, muss dieses auch einmal anblasen: phhh! Die gleiche Wortwurzel haben übrigens auch die "Ferien" und im "Fest". Überall steckt das urtümliche, heilige Herdfeuer drin, der heimische Herd, das schützende Haus. In diesem Sinn wünsch ich Ihnen einen Schönen Sonntag und eine festliche Advents- und Weihnachtszeit.