"Allain Gersten, Hopffen und Wasser" Das Bayerische Reinheitsgebot und seine Erfinder
Das Bayerische Reinheitsgebot von 1516 wird gerne als das älteste Lebensmittelgesetz der Welt bezeichnet. Aber was ist mit dem Regensburger Reinheitsgebot von 1469? Landshut 1493? Bamberg 1489? Wir schenken Ihnen reines Bier ein.
Das Bayerische Reinheitsgebot schreibt seit 500 Jahren vor, dass zum Brauen "allain Gersten, Hopffen und Wasser genommen und gepraucht sölle werden". Ein Text, der bis heute die Maßstäbe setzt. Doch ist es auch das älteste Lebensmittelgesetz der Welt, wie die Brauwirtschaft gerne behauptet?
Dem Reinheitsgebot auf der Spur – in Oberfranken
Die Weltkulturerbestadt Bamberg ist ein gutes Pflaster, um sich auf die Spur des Bierreinheitsgebotes zu setzen. Die Region rund um Bamberg wartet mit grob 100 kleinen und kleinsten Brauereien und ihren Gaststätten auf. Und so stimmt noch immer, was Wilhelm Heinrich Wackenroder über seine Pfingstreise 1793 vermerkte:
"Der Charakter der Bamberger soll im Allgemeinen Biederherzigkeit, Phlegma, Aberglaube und häufiges Biertrinken sein."
Wilhelm Heinrich Wackenroder, Schriftsteller
Und in Bamberg wurde ein lange verschollenes bayerisch-fränkisches Reinheitsgebot wieder entdeckt. Der Staatsarchivar Klaus Rupprecht hat es vor kaum einem Jahr im bayerischen Staatsarchiv gefunden, das rund 2,5 Millionen Dokumente aus der Geschichte Oberfrankens bewahrt. Das Forschen nach der sogenannten Bamberger Ungeldordnung vom 12. Oktober 1489 glich der Suche nach der Nadel im Heuhafen. In der Ungeldordnung findet sich ein Passus zum Bamberger Reinheitsgebot.
"Das Besondere ist, dass es eine sehr frühe Verordnung ist. Es gibt auch in anderen Städten solche Verordnungen, das Reinheitsgebot beginnt eben nicht erst 1516. Städte in Bayern, aber auch in Thüringen haben für sich solche Gebote zur Qualitätssicherung des Bieres, auch zur Preisregulierung schon früher erlassen. Weil bekannt war, dass es Bierpfuscher gibt. Die Städte wollten deshalb auch so eine Art Lebensmittelkontrolle bewirken. Es ist ja nicht nur ein Gebot, was ins Bier soll, sondern damit auch ein Verbot, was nicht rein soll – denn da hat man offensichtlich ganz viel rumprobiert."
Klaus Rupprecht, Staatsarchivar
Der "Bierbrauer Eid" aus Bamberg
Drei Jahre vor der Entdeckung Amerikas wurde das oberfränkische Gebot niedergeschrieben. "Bierbrauer Eid" steht über der Seite mit dem Satz der Sätze:
"In sollichs bier im brewen und seyden nichts mere dann malczs, hopffen und wasser nehmen und brauchen."
Bierbrauer Eid aus Bamberg
"Solches Bier" meint: gutes Bier, denn es wurde unterschieden zwischen gutem, reinem und schlechtem, gepanschtem Bier, das zunehmend verboten wurde, um die Steuereinnahmen für die Landesherren zu erhöhen. Auch im Bistum Bamberg. Für den Hausgebrauch durfte jeder weiter zusammenbrauen, was er wollte. Bier aber, das in Schänken verkauft oder exportiert wurde, musste seit der Ungeldordnung in Bamberg unverschnittenes, reines Bier sein.
Eine Vielzahl bayerischer Reineheitsgebote
Bamberg 1489, Regensburg 1469, München 1487 oder etwa Landshut 1493 – vom hohen Mittelalter bis in die Neuzeit wurden in Bayern immer wieder Bierreinheitsgebote festgehalten. Grafschaften, Klöster, Bistümer, Ritterschaften, Reichstädte: Bayern um das Jahr 1500 war kein geschlossener Flächenstaat, sondern ein Fleckenteppich aus gut 150 Herrschaftsgebieten, mit je eigenen Währungen, eigenen Maßen, und natürlich auch mit eigenen Steuern und Gesetzen, und daher die Vielzahl der Gebote.
Wie viel Liter hat eine Maß?
Um die Besteuerung einheitlich zu regeln, wurde in vielen bayerischen Reinheitsgeboten auch der Bierpreis festgelegt. Die Maßeinheiten jedoch schwankten. In Bamberg wurde nach Eimern gerechnet. Ein Eimer hatte rund 60 Maß Bier. Heute liegt der Eichstrich des bayerischen Maßkrugs dezimalbedingt bei genau einem Liter. Seinerzeit aber hatte im katholischen Bistum Bamberg die Maß sinnenfrohe 1,2 Liter. In protestantischen Gegenden hatte sie dagegen bezeichnenderweise nur 0,9 Liter. Für katholische Regionen galt wohl schon immer: "Lange Bratwurst – kurz Gebet."
Der Glaubenssatz der bayerischen Bierseligkeit
Um Maß, Eimer und Bierpreis dreht sich auch das weltweit bekannteste Bier-Braugesetz: Das bayerische Reinheitsgebot, das vor fünfhundert Jahren am 23. April 1516 in Ingolstadt in die herzoglich-bayerische Landesverordnung aufgenommen wurde. Entscheidend auch in ihr: der traditionsprägende Glaubenssatz der bayerischen Bierseligkeit:
"Ganz besonders wollen wir, dass forthin allenthalben in unseren Städten, Märkten und auf dem Lande zu keinem Bier mehr Stücke als allein Gerste, Hopfen und Wasser verwendet und gebraucht werden sollen. Wer diese unsere Anordnung wissentlich übertritt und nicht einhält, dem soll von seiner Gerichtsobrigkeit zur Strafe dieses Fass Bier, so oft es vorkommt, unnachsichtig weggenommen werden."
Aus dem Bayerischen Reinheitsgebot von 1516
Bierentzug als bayerische Höchststrafe also. Regensburg, München, Landshut, Ingolstadt oder eben Bamberg – welche Stadt sich nun "Erfinder des bayerischen Reinheitsgebotes" nennen darf, wird nicht mit Bierernst ausgetragen.
Im Glaubenstreit um den Erfinder des Reinheitsgebots wird am Ende wohl keine Wirtshaushauerei stehen, eher schon werden die Streithähne brüderlich am Stammtisch sitzen, um gemeinsam das mindestens fünfhundert Jahre alte Bayerische Reinheitsgebot zu begießen. Denn für bayerisches Bier ist ausschließlich die Verordnung von 1516 maßgeblich. Und: Bier ist in Bayern Grundnahrungsmittel, und wird daher argusäugig beobachtet – nicht nur vom Münchner "Verein gegen betrügerisches Einschenken".
Prost, Reinheitsgebot: Die letzten 100 Jahre
Stichwort "Reinheitsgebot"
Der Begriff "Reinheitsgebot" wurde erst gegen Ende des Ersten Weltkriegs erfunden: Er steht in einem Sitzungsprotokoll des Münchner Landtags vom 4. März 1918. Die älteste Regelung der Bierqualität wurde in Bayern hingegen in Augsburg – 1156 durch Kaiser Friedrich Barbarossa – die zweitälteste 1303 in Nürnberg festgehalten. Wegen einer Hungersnot durfte nur Gerste und kein anderes Getreide verwendet werden. Älter ist nur noch das Dekret Kaiser Ottos II. aus dem Jahr 974, das in Lüttich erlassen wurde, doch Lüttich liegt in Belgien. Aber gleichgültig wann und wo: Bier-Reinheitsgebote sind Steuergesetze – doch vor allem wurden sie erlassen, um die Gesundheit der Biertrinker zu schützen.
Posthumes Vermächtnis des Autors Peter Braun
Das Feature "allain Gersten, Hopffen und Wasser" ist eines der letzten Werke des Bamberger Autors Peter Braun. Im Alter von 55 Jahren ist Braun am 30. Januar 2016 tödlich verunglückt. Mit Peter Braun hat der Bayerische Rundfunk einen leidenschaftlichen Autoren verloren, der in seinen Hörfunk-Features und -beiträgen seiner oberfränkischen Heimat eine starke Stimme verliehen hat. Das Manuskript für das Feature über 500 Jahre bayerisches Reinheitsgebot war zwar noch nicht vollständig fertiggestellt. Die Redaktion der "Zeit für Bayern" hat es dennoch produziert – als posthumes Vermächtnis des Autors.