Zwischen Tradition und Moderne Der Nürnberger Christkindlesmarkt
Der Nürnberger Christkindlesmarkt ist einer der ältesten Weihnachtsmärkte in Deutschland. Jahr für Jahr besuchen Millionen das "Städtlein in der Stadt, aus Holz und Tuch gemacht". Wir blicken hinter die Kulissen.
Alle Jahre wieder, pünktlich zur Vorweihnachtszeit, wird sie rund um den Nürnberger Hauptmarkt aus dem Boden gestampft: eine Stadt aus hölzernen Buden und rotweißem Stoff, eine Szenerie wie aus dem Bilderbuch – mit Schönem Brunnen und Frauenkirche sowie der mächtigen Kaiserburg im Hintergrund. Es ist das Mekka internationaler Adventsfans, das Ziel Hunderttausender Touristen, glühweindurstiger und lebkuchenhungriger Pilger: der Nürnberger Christkindlesmarkt.
Bis zu 120 Jahre alte Kiefernholzbuden
Bereits Wochen vor der Eröffnung herrscht hinter den Kulissen rege Geschäftigkeit. Auf dem Marktplatz wird hinter Absperrzäunen gehämmert und gesägt. Überall fahren Gabelstapler herum. Angeliefert wird das Baumaterial vom ehemaligen Reichsparteitagsgelände, wo die braun gestrichenen Buden das Jahr über lagern: im Innenhof der einstigen NS-Kongresshalle, sagt Sebastian Buhl vom Nürnberger Marktamt. Und dann sind Männer mit viel technischem Know-how im Einsatz, um die bis zu 120 Jahre alten Kiefernholzbuden mit ihren charakteristischen rotweißen Dachplanen auf dem Hauptmarkt aufzubauen.
Balanceakt zwischen Tradition und Moderne
Verantwortlich für die Organisation des Christkindlesmarktes ist die Leiterin des Marktamtes, Christine Beeck. Im Marktamt ist der Christkindlesmarkt das ganze Jahr über Thema. Hier laufen die Fäden zusammen. Hier ist auch die Entscheidung gefallen, den Markt nicht mit Weihnachtsliedern aus der Konserve zu beschallen, sondern stattdessen Live-Musik mit Chören oder Bläsern zu bieten. Dennoch muss auch der Christkindlesmarkt mit der Zeit gehen: ein Balanceakt zwischen Tradition und Moderne.
Auch künftig werden wohl Zwetschgenmännle, Original Nürnberger Lebkuchen, Rostbratwürstchen und Glühwein weiter die Hauptrollen auf dem Christkindlesmarkt spielen. Dort machen Glühweinausschank und die Imbissbetriebe zusammen jedoch nur knapp 20 Prozent des Angebotes aus. Die Mehrzahl der sogenannten "Beschicker" bietet Kunsthandwerk an.
Kunsthandwerker und Krippenhändler
Wie der Krippenhändler Gottlob Krug. Anfang der 1950er-Jahre begann er seine Karriere als Schausteller und Verkäufer. Heute besitzt der Krippenhändler einen 13 Meter langen Stand vor dem Nürnberger Rathaus und bietet dort fein geschnitzte Krippenfiguren an. Wie lange er noch auf dem Markt Krippenfiguren verkaufen möchte? Der 78-Jährige, der zu Hause seine pflegebedürftige Frau versorgen muss, zuckt mit den Schultern. Wenn der liebe Gott wolle, dann stehe er auch mit 100 Jahren noch in seinem Stand, so Krug.
Ältester Beleg für den Nürnberger Christkindlkesmarkt
Der erste offizielle Nachweis des Marktes stammt aus dem Jahr 1628: eine kleine bemalte Holzschachtel. Sie lagert im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg. Claudia Selheim leitet im Museum die Sammlungsabteilung für Volkskunde und Spielzeug und führt Besucher nur in Ausnahmefällen ins Kellerdepot, in dem hinter Vitrinen Hunderte von Objekten liegen. Darunter auch die Spanschachtel aus Nadelholz, die als der älteste Beleg für den Nürnberger Christkindlesmarkt gilt. Das Entscheidende ist die mit schwarzer Tinte geschriebene Inschrift auf der Unterseite der Schachtel.
"Regina Susanna Harsdörfferin von der Jungfrau Susanna Eleonora Erbsin zum Kindles-Marck überschickt 1628."
Inschrift auf dem Boden einer Spanschachtel im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg
Wechselnde Standorte
Immer wieder hat der Christkindlesmarkt im Laufe seines Bestehens den Standort gewechselt. Außer auf dem Nürnberger Hauptmarkt war er auch auf der Insel Schütt vertreten, auf dem Platz des einstigen Gewerbemuseums, im alten Verkehrsmuseum oder am Prinzregentenufer. Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges gab es keinen Christkindlesmarkt mehr. Nach dem Krieg jedoch feierte der Markt Wiederauferstehung – mit einem neuen Prolog des ersten Christkinds nach dem Krieg, der Volksschauspielerin Sofie Keeser.
Das Nürnberger Christkind
Seit 1969 wird ein Mädchen aus der Nürnberger Bevölkerung für eine Amtszeit von zwei Jahren zum Christkind gewählt. Die Figur des Christkinds als Gabenbringer geht offenbar auf Martin Luther zurück. Der ließ zwar seine Kinder zu Weihnachten noch vom heiligen Nikolaus bescheren. Mit der Abkehr von der katholischen Heiligenverehrung übernahm bei Protestanten bald aber eine Art Engel diesen Job.
Für Barbara Otto, das Nürnberger Christkind in den Jahren 2015 und 2016, ist mit der Übernahme des Ehrenamts ein Traum in Erfüllung gegangen. Im normalen Leben studiert die 19-jährige inzwischen Betriebswirtschaftslehre und geht auch schon mal in eine Disco. In der Vorweihnachtszeit aber hat sie als Nürnberger Christkind viele Pflichttermine zu absolvieren. Der wichtigste ist die Eröffnung des Christkindlesmarktes. Im engelgleichen Ornat, mit Perücke und Krone – rund zwei Stunden dauert es, bevor aus Barbara Otto mit sonst kastanienbraunen Haaren das Nürnberger Christkind wird. Klar, dass man vor der Eröffnung ein wenig Lampenfieber hat. Nach dem gelungenen Auftritt weicht es allerdings schnell einem unbeschreiblichen Glücksgefühl.
Alle Nürnberger Christkinder (heute bis 1989)
2017
Christkind 2017/2018: Rebecca Ammon
Rebecca Ammon hat sich im Finale um die Christkindleswahl gegen fünf Mitbewerberinnen durchgesetzt. Für die Schülerin des Sigmund-Schuckert-Gymnasiums ist es schon lange ein Traum, Christkind zu sein. Seitdem sie sieben ist, will sie den Prolog auf der Empore der Frauenkirche sprechen.
2015
Christkind 2015/2016: Barbara Otto
Mit Herzlichkeit, Spontaneität und Natürlichkeit hat die 18–Jährige im Finale die Jury überzeugt. Einstimmig fiel die Wahl auf Barbara Otto, die frisch gebackene Abiturientin des Peter-Vischer Gymnasiums. Sie setzte sich gegen ursprünglich 22 Bewerberinnen durch.
2013
Christkind 2013/2014: Teresa Treuheit
Beim zweiten Anlauf hat's geklappt: Bereits 2011 hatte sich die 18-Jährige für das himmlische Amt beworben und kam schon damals in die Runde der letzten Sechs. 2013 schließlich holte sich die Schülerin der Freien Waldorfschule Erlangen die Krone und setzte sich gegen 37 Mitbewerberinnen durch.
2011
Christkind 2011/2012: Franziska Handke
Mit einem großen Luftsprung quittiert die freudestrahlende Franziska Handke die Wahl zum Christkind 2011/2012. Die 16-Jährige ist Schülerin am Nürnberger Maria-Ward-Gymnasium und konnte sich gegen 41 Mitbewerberinnen durchsetzen.
2009
Christkind 2009/2010: Johanna Heller
Überglücklich liegt Johanna Heller 2009 in den Armen ihrer Mutter: Die 17-Jährige ist 2009/2010 Nürnbergs Christkind. In einem Casting hat sich die 1,61 Meter große Schülerin der Montessori-Fachoberschule gegen 43 Mitbewerberinnen durchgesetzt.
'07
Christkind 2007/2008: Rebekka Volland
16 Jahre, 173 Zentimeter und Schülerin des Peter-Vischer-Gymnasiums. Zur Ernennung zum neuen Christkind flossen Freudentränen. Sie setzte sich gegen 61 Bewerberinnen durch.
'05
Christkind 2005/2006: Eva Sattler
17 Jahre, 166 Zentimeter, blonde Rauschgoldengel-Locken: Eva Sattler hat sich gegen 58 Bewerberinnen um das himmlische Amt durchgesetzt.
'03
Christkind 2003/2004: Christin Strauber
Christin wurde mit 17 Jahren zum Nürnberger Christkind gewählt. Sie setzte sich gegen 57 Bewerberinnen durch.
'01
Christkind 2001/2002: Marisa Sanchez
Marisa Sanchez war beim Vorsprechen vor der Jury als letztes an der Reihe und gewann: Mit ihrer "lebhaften, erfrischenden und ehrlichen Art" eroberte sie die Jury.
1999
Christkind 1999/2000: Stephanie Jank
Bis zu 140 Termine galt es auch für Christkind Stephanie Jank zu bewältigen. Sie war das Christkind des Jahrtausendwechsels.
'97
Christkind 1997/1998: Kathrin Urschel
Mit 16 Jahren war Kathrin Urschel seinerzeit die jüngste Bewerberin - wurde aber von der Jury trotzdem einstimmig gewählt.
'95
Christkind 1995/1996: Sandra Schöttner
1995 wurde die 17-jährige Nürnbergerin Sandra Schöttner zum Christkind gewählt. Rund 2,4 Millionen Besucher strömten damals durch die Budenstadt.
'93
Christkind 1993/1994: Barbara Zillgens
Das Christkind für die Jahre 1993 und 1994 heißt Barbara Zillgens. Sie konnte die Juroren bei ihrer Bewerbung von sich überzeugen.
Alle Nürnberger Christkinder (1989 bis 1948)
1989
Christkind 1989/1990: Sandra Niederberger
Dem Mauerfall sei Dank: Der Christkindlesmarkt begrüßt die ersten Gäste aus der DDR. Christkind der Wendejahre war Sandra Niederberger.
'87
Christkind 1987/1988: Doris Kormann
Tradition wird auf dem Christkindlesmarkt groß geschrieben: So hat auch das Christkind Doris Kormann traditionell eine goldene Krone und blond gelockte Haare.
'85
Christkind 1985/1986: Tanja Zimmermann
1985 wurde die 16-jährige Tanja Zimmermann zum Christkind gewählt. In einer knappen Entscheidung setzte sich damals das "nette, junge Mädchen" gegen ihre älteren Konkurrentinnen durch.
'83
Christkind 1983/1984: Claudia Stühler
Als Christkind stellte Claudia Stühler vor allem Kinder, alte oder kranke Menschen in den Mittelpunkt ihrer "Amtstätigkeiten".
'81
Christkind 1981/1982: Heike Steinbauer
1981 und 1982 trug Heike Steinbauer als Christkind den Prolog auf der Empore der Frauenkirche vor. Weil es ihr so gut gefallen hat, wurde sie Souffleuse für die nachfolgenden Christkinder.
1979
Christkind 1979/1980: Ruth Klinger
1979 hat sich Ruth Klinger gegen ihre Mitbewerber durchgesetzt. Seit zehn Jahren wählen die Nürnberger ihr Christkind selbst.
'77
Christkind 1977/1978: Birgit Schirlitz
Kurzfristig entschloss sich Birgit Schirlitz 1977 auf Vorschlag ihrer Patentante zur Bewerbung – und wurde prompt von der Bevölkerung gewählt.
'75
Christkind 1975/1976: Michaela Kraus
Güldene Krone und himmlisches Gewand: Als Christkind für die Jahre 1975 und 1976 wurde Michaela Kraus gewählt.
'73
Christkind 1973/1974: Inge Eichenseer
1973 wählte die Nürnberger Bevölkerung als "Mädchen aus ihrer Mitte" Inge Eichensehr.
'71
Christkind 1971/1972: Gudrun Bauer
Das zweite gewählte Christkind in Nürnberg heißt Gudrun Bauer.
1969
Christkind 1969/1970: Gabriele Bergmann
Mit Gabriele Bergmann wurde 1969 erstmals ein Christkind gewählt. Sie erfüllte alle nötigen Voraussetzungen: Nürnbergerin, über 1,60 Meter groß und schwindelfrei.
1961-1968
Christkind 1961-1968: Irene Brunner
Irene Brunner war von 1961 bis 1968 die zweite und letzte professionelle Schauspielerin in der Rolle des Nürnberger Christkinds.