Bayern 2 - Zeit für Bayern


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Ein Traum von einem König Warum Ludwig II. und Bayern zusammengehören

Es hat in Bayern Könige vor Ludwig II. und auch nach ihm gegeben. Warum aber ist gerade Ludwig II. so interessant, so omnipräsent bis heute, ein König, der zu Lebzeiten leutscheu war, wie man in Bayern sagt? Es sind sicher nicht die Schlösser, es ist keinesfalls die verrückte Wagner-Liebe und bestimmt auch nicht die mehr oder weniger glanzvolle Herrschaft des Königs, die den Mann für Bayern unverzichtbar zu machen scheinen. Es ist seine persönliche Tragik, die mit dem Schicksal des bayerischen Staates aufs engste verbunden ist.

Von: Gerald Huber

Stand: 08.05.2011 | Archiv

Plakat der Landesausstellung Ludwig II | Bild: Haus der Bayerischen Geschichte

Früher einmal, vor Ludwig II., da waren die Bayern Untertanen wie viele andere Untertanen auch. Sie haben ihre Herrscher mehr oder weniger geliebt. Manchmal weniger, wenn sie grad wieder einen Krieg an der Seite Frankreichs verloren hatten, meistens ein bisserl mehr, weil die Wittelsbacher, die seit 1180 herrschten, sich im großen und ganzen als ganz umgänglich und fürsorglich erwiesen. Im großen und ganzen, wie gesagt. Das gilt übrigens auch für das andere Bayern, das bayerische „Ostreich“, Österreich, das unter eigenen Herrschern 1156 von Bayern abgetrennt wurde, weil ein Kaiser Barbarossa damals schon nach dem Motto lebte: teile und herrsche! Das ganze Mittelalter bis in die Neuzeit stritten sich Habsburger und Wittelsbacher um das bayerische Land.

Bayerische Nation mit Nationalgefühl

Bayerns König Ludwig II. als junger Mann | Bild: SZ Photo zum Thema Dossier Ludwig II. Das Märchen vom König

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Im 18. Jahrhundert wollte ein bayerischer Kurfürst das wittelsbachische Bayern im Tausch für die Niederlande an das habsburgische Österreich verschachern. Da wären dann wieder alle Bayern unter Habsburger Herrschaft beieinander gewesen, was die Untertanen nicht groß gekümmert hätte. Preußenkönig Friedrich II. aber wäre ein vereinigtes habsburgisches Bayern-Österreich zu gefährlich gewesen, weswegen er den Handel hintertrieb. Wenige Jahre später wurde das Heilige römisch-deutsche Reich aufgelöst und Bayern, um Franken und Schwaben vergrößert, das, was es schon 1000 Jahre zuvor gewesen war: Ein selbständiges Reich. Ein Königreich, das von 1806 bis 1864 ein gutes halbes Jahrhundert lang von drei souveränen Monarchen so erfolgreich regiert wurde, dass selbst Otto von Bismarck eingestehen musste: „Bayern ist vielleicht das einzige deutsche Land, dem es durch materielle Bedeutung, durch die bestimmt ausgeprägten Stammeseigentümlichkeiten und durch die Begabung seiner Herrscher gelungen ist, ein wirkliches und in sich selbst befriedigtes Nationalgefühl auszubilden.“

Ludwig II. - an die Seite Preussens gezwungen

Außenansicht von Schloss Neuschwanstein | Bild: Bayerische Schlösserverwaltung zum Thema Königsschlösser Schöner wohnen mit Ludwig II.

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Bismarck sagte das im Jahr 1865 - just als er sich daranmachte, ebendiese „in sich selbst befriedigte“ bayerische Nation unter sein Joch zu zwingen. König Ludwig II. saß da gerade ein Jahr auf dem Thron. Als unerfahrener 19-jähriger hatte er 1864 die Herrschaft übernehmen müssen; zu einem Zeitpunkt, als Bismarck längst entschieden hatte, wie er den sogenannten „deutschen Dualismus“ zwischen Österreich und Preußen lösen wollte: Kleindeutsch - also Österreich hinausdrängen und die süddeutschen Mittelstaaten, allen voran Bayern, unter preußische Kuratel bringen. Das passierte mit Hilfe der Kriege 1866 und 1871. Den einen verloren die Bayern an der Seite Österreichs, mussten anschließend eine Zwangsallianz mit Preußen schließen. In dieser Konstellation siegte man im zweiten Krieg 1871 über Frankreich. Und König Ludwig II. blieb nichts anderes übrig, als dem Preußenkönig Wilhelm die deutsche Kaiserkrone anzutragen, und sich damit zumindest pro forma an die Spitze der Hurra-Begeisterung für das neue Reich zu stellen.

Dabei gewesen

Das 1871 entstandene zweite deutsche Reich war also in Wirklichkeit ein großpreußisches. Ein Kaiserreich, das sich innerhalb kurzer Jahrzehnte weniger als imperiale Monarchie denn als lupenreine Militärdiktatur entpuppte und sich schließlich anschickte, ganz Deutschland mitsamt dem zuvor so schmählich hinausgedrängten Österreich in die Weltkriegskatastrophen des 20. Jahrhunderts zu führen, deren Aufarbeitung bis heute andauert. So sehen manche Bayern, zumindest die mit Österreich kulturell und sprachlich verwandten Altbayern in Ober- und Niederbayern, sowie der Oberpfalz, die Geschichte bis heute.

Bayerische Identitätskonflikte

Viele Bayern hatten nach 1871 schwer daran zu beißen, dass sie, die sich seit jeher der südlich-römischen Kultur verbunden fühlten, nun plötzlich aus dem kalten technokratischen Norden regiert wurden. Manche haben sich bis heute mit dem Verlust der politischen Selbständigkeit ihres Vaterlandes nicht abgefunden. Vielleicht haben sie es sich nie recht bewusst gemacht, gefühlsmäßig war ihnen vermutlich nur allzu klar, dass in einem Land, dem die Souveränität genommen wird, zwangsläufig auch der Souverän keinen Platz mehr hat.

Ein bayerischer Märtyrer?

Es weist einiges darauf hin, dass Ludwig, der als souveräner Monarch des ältesten durchgehend existierenden Staatsgebildes in Europa erzogen war, darüber schwermütig geworden ist, dass er nun einen Kaiser aus Preußen über sich haben sollte. Daher sein Versuch sich mit Hilfe modernster Technik ganz real fortzuträumen in einen Absolutismus der Kunst und Schönheit, wohin ihm kein bornierter Preuße jemals hätte folgen können. Mit seinem Tod 1886 wurde Ludwig zum bayerischen Märtyrer. Und auch wenn sie dem Prinzregenten und dessen Sohn Ludwig III. noch jahrzehntelang zujubelten - bereits jetzt begann der lange Abschied der Bayern von der Monarchie.

König der Herzen

Eineinhalb Jahrhunderte danach mag manchem der Kini nur noch als politische Operettenfigur vorkommen, vielfältig touristisch vermarktbar, ein irrationales Kunstprodukt. Aber er ist nicht nur in aller Munde, sondern lebt nach wie vor in vielen Herzen. Die Bayern wurden Traum-Monarchisten, so wie Ludwig zuletzt nur ein Traum von einem König war.


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