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Dinge, die ich nicht kann Wie Puppenspieler Martin Prochaska mit Parkinson lebt

Wie ist das, wenn man die richtigen Bewegungen machen möchte und es geht einfach nicht mehr? Als Puppenspieler ist das fatal. Martin Prochaska lebt mit Parkinson und hat seine Puppen deshalb an den Nagel gehängt. In Bewegung aber bleibt er trotzdem.

Von: Sarah Khosh-Amoz

Stand: 06.05.2024 | Archiv

In Bewegung bleiben: Wie Puppenspieler Martin Prochaska mit Parkinson lebt

Ein Clown mit grünen Haaren und roter Nase, er trägt ein Jackett, eine fliederfarbene Fliege, eine karierte Hose und er hat Rollschuhe an, darüber das Spielkreuz; der Clown ist eine Marionettenpuppe und hängt an Fäden.

"Das ist Piet van Linden. Der läuft dann auf der Bühne. Die Rollschuhe habe ich selber gebaut, die sind aus meinen ersten Auftrittsschuhen umgeschustert worden. Das Spielkreuz ist so gebaut, dass man es mit einer Hand bedienen kann."

Martin Prochaska, Puppenspieler

Piet van Linden

Piet van Linden rollt über den Parkettboden, grazil und lässig. Weiter oben das Spielkreuz. Es ist in sich drehbar, eine komplizierte Konstruktion, mit zehn dünnen Fäden: An Piet van Lindens Rollschuhen, an seinen Händen, eigentlich am ganzen Körper hängen die Fäden beinahe unsichtbar und werden von Martin Prochaska bewegt. Der freundliche Clown wird lebendig, ein Artist auf Rollschuhen, er fährt rückwärts, schwingt seinen Köper in die Kurve. Im Hintergrund ist Martin Prochaska schnell vergessen.

"Das ist ja die von uns gewählte Form, die offene Spielweise. Der Zuschauer kann sehen, wie meine Hände das manipulieren. Aber irgendwann sind die Blicke unten. Jetzt bin ich auch an der Grenze der Belastbarkeit von meinem Arm. Ich habe sogar Hanteltraining gemacht, weil die Figuren mir zu schwer geworden sind."

Martin Prochaska, Puppenspieler

Die Puppen sind Teil von Marin Prochaskas Leben

Die Puppen ruhen, sie bewegen sich nur noch selten, hängen auf Stangen und in Säcke verpackt auf Prochaskas Dachboden: die schrullige Renate B aus dem Ruhrgebiet, genauso wie Igor Petrowich, der einst zu Fuß aus dem Ural hier ankam, Franz, der Drache genauso wie das Apfelmännchen. Ob Martin Prochaska wohl eine Lieblingsfigur hat?

"Jede Figur hatte ein anderes Stück Seele von mir und das Ganze lebt eben auch stark davon, dass ich mich in diese Figuren reinversetzen konnte und das geht bis dahin, dass eine zarte Tuchmarionette mir einfach ermöglicht, mich als schwebende Tänzerin zu fühlen. Die Puppen sind Teil meines Lebens."

Martin Prochaska, Puppenspieler

Sein neuer Freund: Herr Parkinson

Martin Prochaska ist aufgewühlt, seine Hände zittern und er redet vom Klapptheater, mit dem er 30 Jahre lang auf Tour war, von Berlin nach Bozen plötzlich wieder in der Gegenwartsform. Aber das alles war einmal, die Puppen hat der Puppenspieler weggelegt, ein neuer Freund, wie er ironisch erzählt, hat bei ihm Einzug gehalten.

"Jaja, ich habe einen neuen Freund, das ist der Herr Parkinson. Aber man kann sich ja dann nicht in die Ecke stellen und weinen. Es ist wichtig, dass man unter Leute geht. Wenn man nur vorm Fernseher abhängt, dann geht der Herr Parkinson einem schneller an die Substanz."

Martin Prochaska, Puppenspieler

Die Kräfte schwinden, das Klapptheater wird eingestellt

Vor knapp zehn Jahren erhält er die Diagnose Parkinson, spielen tut Martin Prochaska trotzdem noch gute sieben Jahre, doch seine Kräfte schwinden zunehmend.

"Man steht im Weg, man ist langsam und deswegen haben wir irgendwann gesagt, das müssen wir jetzt leider Gottes einstellen, weil wenn man von einem sehr hohen Niveau kommt, dann einfach rumstümpern, das geht nicht."

Martin Prochaska, Puppenspieler

Kein Klapptheater mehr, keine Charaktere, in die der Puppenspieler Prochaska schlüpfen kann, kein Publikum mehr, das er begeistern darf, keine Rollen die er spielt, außer seiner neuen Rolle, die des Parkinsonpatienten.

Tanzen und Ping Pong Parkinson: Wie Martin Prochaska in Bewegung bleibt

Mit seiner Frau Karin macht der 66-Jährige Klatschübungen, immer über Kreuz, im besten Fall zum Rhythmus der Musik, es sind Übungen für die Koordination. Gemeinsam haben sie angefangen zu Tanzen, Neuro-Tango, entwickelt für Menschen, mit Bewegungsstörungen und neurologischen Krankheiten. Außerdem ist Martin Prochaska Gründungsmitglied von "Ping Pong Parkinson", einer Tischtennisgruppe für Parkinsonerkrankte. Es sei erwiesen, dass der Verlauf von Parkinson durch Bewegung verlangsamt werden kann, betont der ehemalige Puppenspieler.

"Wichtig ist, dass man die Balance behält, sich mit dem Herrn Parkinson zu streiten: 'Du hast jetzt gar nichts zu melden, es geht auch mal ohne dich.' Doch, das Leben geht weiter."

Martin Prochaska, Puppenspieler

"Das Leben geht weiter!" – ein gutes Resümee. Humor muss sein und Zuversicht, bekräftigt Martin Prochaska, während er auf eine gerade erst erschienene Broschüre der Parkinson Gesellschaft zeigt. Seine Frau Karin klappt sie auf und zeigt auf ein Gedicht der Lyrikerin Mascha Kaleko, jede einzelne Zeile liegt ihnen am Herzen: "Die Haltung zum Guten, zum Schlimmen – kann keiner als ich nur bestimmen."


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