Zum Sonntag Asylrecht: Fundament unserer Menschlichkeit
Das Recht auf Asyl ist ein Grundrecht. Es ist ein Recht, das wir nicht leichtfertig preisgeben dürfen, weil es die Essenz dessen bewahrt, was Europa ausmacht, sagt Ahmad Milad Karimi.
"Woche für Woche, Monat für Monat kamen immer mehr Flüchtlinge, und immer waren sie noch ärmer und verstörter als die vor ihnen gekommenen. […] Jedes Recht wurde ihnen entzogen, jede seelische, jede körperliche Gewaltsamkeit mit spielhafter Lust an ihnen geübt […] Und dann standen sie an den Grenzen, dann bettelten sie bei den Konsulaten und fast immer vergeblich, denn welches Land wollte Ausgeplünderte, wollte Bettler?" - diese Worte von dem Schriftsteller Stefan Zweig sind erschütternd aktuell. Sie erinnern uns daran, dass das Asylrecht nicht bloß ein juristisches Konstrukt, sondern ein Ausdruck unserer verpflichtenden Menschlichkeit ist.
In Zeiten, in denen die Stimmen lauter werden, die das Asylrecht infrage stellen, ist es umso notwendiger, an die Grundprinzipien unserer Gesellschaft zu erinnern: Das Recht auf Asyl ist ein Grundrecht. Es ist ein Recht, das wir nicht leichtfertig preisgeben dürfen, weil es die Essenz dessen bewahrt, was Europa ausmacht. Als Mensch, der selbst die Flucht vor Gewalt und Verfolgung erlebt hat, spreche ich nicht nur aus persönlicher Erfahrung, sondern auch aus einer tiefen religiösen Überzeugung heraus, dass jeder Mensch, unabhängig von seiner Herkunft und seinem Glauben, ein Recht auf Schutz und eine sichere Zuflucht haben sollte.
Die jüngsten Ereignisse, wie der schreckliche Messerangriff eines geflüchteten Syrers in Solingen, dürfen nicht instrumentalisiert werden, um pauschale Vorurteile zu schüren oder rechtspopulistische Agenda zu fördern. Wer im Auftrag einer Terrororganisation handelt, gehört mit allen Mitteln des Rechtstaats bestraft. Muslime und Geflüchtete aber unter Generalverdacht zu stellen, ist ungerechtfertigt. Diese Pauschalisierungen sind gefährlich und untergraben die Grundlagen einer freien und gerechten Gesellschaft. Nicht alle Geflüchtete sind Kriminelle, nicht alle Muslime sind Terroristen. Im Gegenteil: nicht selten sind diese geflüchteten Menschen Opfer eines islamistischen Staats, der z.B. in Afghanistan Frauen brutal diskriminiert und jedes Recht entzogen hat.
Stimmen, die eine Einschränkung des Asylrechts fordern, verkennen, dass es sich hierbei nicht um eine Frage der Beliebigkeit handelt, sondern um ein unverzichtbares Fundament unserer Gesellschaftsordnung. Eine Politik, die auf Abschreckung und Ausgrenzung setzt, verrät die Ideale, auf denen unsere Verfassung fußt. Sich den Krisen und Herausforderungen zu stellen, die oft eine Zumutung darstellen, weil wir z.B. Terroristen nicht einfach anhand ihrer Herkunft, Religion oder ihres Geschlechts erkennen können, ist genau das, was eine aufgeklärte und auf universelle Werte basierende, plurale Gesellschaft auszeichnet. Unser Handeln sollte von Maß und Mitte geleitet werden, vom Wettstreit im Guten, nicht von Angst und Überbietungswettstreit der Rechtseinschränkungen der Geflüchteten.
Wir müssen uns fragen: Welche Art von Gesellschaft wollen wir sein? Eine, die in Krisenzeiten ihre Grundwerte aufgibt, oder eine, die sich gerade in solchen Momenten auf ihre ethischen Fundamente besinnt? Die Antwort liegt in der Besinnung auf universelle Werte, die über das tagespolitische Kalkül hinausreichen. Sie erfordert einen klaren Blick darauf, dass das Recht auf Asyl kein Gnadenakt, sondern ein essenzieller Ausdruck der Solidarität und Menschlichkeit ist. Europa hat die moralische und rechtliche Verpflichtung, diesen Grundsatz zu bewahren. Es ist an der Zeit, nicht mit schärferen Gesetzen und Grenzen zu reagieren, sondern mit einem mutigen Bekenntnis zu mehr Demokratie.