Zum Sonntag Sieben Wochen ohne Panik?
Zu sieben Wochen ohne Panik ruft die evangelische Kirche dieses Jahr in der Fastenzeit auf. Ein Aufruf, den Kopf in den Sand zu stecken? Ein Kommentar von Beatrice von Weizsäcker
Heute ist Reminiszere. So heißt der zweite Fastensonntag. Das Wort stammt aus Psalm 25 und bedeutet "gedenke!", "erinnere dich!". In der Bibel ist Gott gemeint. Es gilt aber auch uns. Besonders jetzt, während der Vorbereitung auf das Leiden und Sterben Jesu – in einer Zeit, die außerdem von weltweiter Unruhe geprägt ist. Es ist schwer, das auszuhalten.
Zum Glück gibt es kirchliche Angebote, die uns helfen können, die Passionszeit zu meistern.
Die katholische Hochschulgemeinde Würzburg etwa bietet einen Fastenkalender an. Das Motto lautet: "Dafür singe ich." Misereor nennt seine Aktion "Auf die Würde, fertig, los!" Das klingt flapsig, ist aber ernst, weil die Menschenwürde in vielen Ländern bedroht ist. Auch in westlichen Staaten wie den USA. Zum Beispiel durch die Abschaffung der Programme zum Schutz von Minderheiten.
Der ökumenische Verein "Andere Zeiten" hält 48 Fasten-Wegweiser bereit. Das sind kleine Impulse für jeden Tag von Aschermittwoch bis Ostermontag. Und das Erzbistum München stellt ein Fastentagebuch zur Verfügung. Mit Sprüchen und Gebeten.
Man kann natürlich auch ohne Anleitung fasten. Klassisch: Zucker-Fasten. Politisch: Klima-Fasten. Digital: Social Media-Fasten. Sogar kirchlich: Ehrenamt-Fasten. Auf diese Weise streiken Katholikinnen für ihre Gleichberechtigung in der Kirche.
Die vielleicht sonderbarste Idee aber kommt von der Evangelischen Kirche in Deutschland. Die Aktion heißt: "Luft holen! Sieben Wochen ohne Panik." Doch wie soll das gehen? Sollen wir den Kopf in den Sand stecken und Nachrichten fasten? Sollen wir so tun, als ginge uns die Welt nichts an?
Der Botschafter der Aktion "7 Wochen Ohne", Landesbischof Meister, sagt: "Wir leben in atemlosen Zeiten. Gewalt und Hass sorgen uns. Panik verbreitet sich und treibt uns in die Enge. Die Suche nach dem, was wir wirklich brauchen, die Frage nach den Quellen unseres Trostes und unserer Freude brauchen Zeiten des Luftholens. Am Meer oder anderswo. Ein- und ausatmen, nur das."
"Ein- und ausatmen, nur das." Das klingt zu schön, um wahr zu sein. Und es ist zu schön, um wahr zu werden. Wer kann sich schon den täglichen Nachrichten entziehen, wenn keine davon gut ist? Nachrichten, die die ganze Welt umtreiben? Von Kriegen und vom schieren Überleben. In der Ukraine, in Israel, in Gaza. Von einem unberechenbaren Präsidenten in den USA und einer praktisch nicht vorhandenen Regierung bei uns. Von den Anschlägen. In Magdeburg. In Aschaffenburg. In München. In Mannheim. Wie soll man da ruhig ein- und ausatmen? Ich kann es nicht.
Als mich die Hochschulgemeinde Würzburg fragte, ob ich beim Fastenkalender mitmachen will, sagte ich gleich zu. Ich singe im Chor und für mein Leben gern. Darum faste ich am liebsten mit Musik. Mit der Matthäuspassion zum Beispiel. Und dem traurig-schönen Choral: "Wenn ich einmal soll scheiden, so scheide nicht von mir." Denn neben dem Kummer hält er auch die Osterbotschaft bereit. Wenn es heißt: "Wenn mir am allerbängsten wird um das Herze sein, so reiß mich aus den Ängsten kraft deiner Angst und Pein!" Jesus überwindet Angst und Pein – für uns. Er besiegt den Tod – für uns.
Das gehört zur Fastenzeit. Sich trösten lassen. Und voller Hoffnung sein. Widerständig werden. Und Kraft sammeln. Vielleicht lässt sich ja so auch die Panik mildern, ohne die Augen vor der Welt zu verschließen. Denn sie geht uns etwas an. Auch in der Fastenzeit. Daran erinnert der zweite Fastensonntag mit dem Namen "Reminiszere": Wir dürfen die Welt um uns nicht vergessen.