Zum Sonntag Das Kreuz - Herausforderung und Hoffnungssymbol
Weltweites Leiden ist eine Herausforderung für den Glauben. Kardinal Reinhard Marx ermutigt, das Leiden nicht auszublenden, sondern auf Jesus zu vertrauen, der Heil und Hoffnung bietet.
Die monumentalen Verhüllungsprojekte von Christo und Jeanne-Claude hatten stets den Effekt, dass das Verhüllte besonders hervorgehoben und markant wurde. Einen ähnlichen Effekt hat auch das Verhüllen der Kreuze, ein Brauch, der ab dem heutigen Passionssonntag mancherorts gepflegt wird. Über lange Zeit waren die Kreuze keine Leidensdarstellungen, sondern kostbare und reich verzierte Triumphkreuze, die den Sieg des Lebens über den Tod symbolisieren. Da aber in den letzten Wochen vor Ostern das Leiden und Sterben Jesu im Mittelpunkt stehen, verhüllte man diese Kreuze mit einem großen Tuch. Das Verhüllen des Kreuzes ist wie ein "Fasten mit den Augen", wodurch Wesentliches sichtbar werden kann.
Aber ist im Kreuz für uns heute noch das Wesentliche erkennbar? Erkennen wir noch, dass durch den Tod das Leben aufscheint? Oder ist es nicht vielmehr erstrebenswert, die Kreuze der Welt zu verhüllen und damit gar nicht erst das Leiden zu betrachten und an sich heran zu lassen?
Das Kreuz ist und bleibt eine Herausforderung: Es war zur Zeit Jesu ein abstoßender Skandal und das ist es ja heute auch noch. Der Blick auf das Kreuz und noch viel mehr der Blick auf den Gekreuzigten, auf den der ungerecht leidet und darin zugleich Erlösung, Heil und ewiges Leben verheißt, ist eine ungeheure Provokation.
Das fordert unseren Glauben und unsere Hoffnung radikal heraus. Denn: Können wir angesichts all des Leidens in der Welt - angesichts der zahllosen Toten durch Gewalt, Katastrophen und Kriege, der unschuldig leidenden Kinder, angesichts von unheilbarer Krankheit und persönlicher Schicksalsschläge - wirklich an einen Gott glauben, der den Tod ein für allemal besiegt und Heil für alle Welt und alle Zeit ermöglicht?
Wir ahnen, dass es keine vernünftige Antwort gibt, die unsere Zweifel beiseite schiebt. Ist es dann nicht doch einfacher, wenn wir das Leiden einfach ausblenden, vergessen, verschweigen und so unbehelligt in unserer scheinbar "heilen Welt" bleiben können? Die Versuchung dazu ist jedenfalls groß.
Aber wohin dann mit all dem Leid, das es ja unbestreitbar gibt, wenn es uns nicht gelingt, die Kreuze unseres Lebens zu verdrängen und zu verhüllen? Wohin können wir uns denn wenden? Wo ist Hoffnung - nicht nur für uns, sondern für alle Menschen?
Jesus selbst weicht dem Leiden nicht aus. Er ruft uns zu: "Kommt alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid! Ich will euch erquicken!" (Mt 11,28). Im Kreuz Jesu zeigt sich ein Gott, der das Leiden der Welt nicht verdrängt, sondern aufnimmt und heilt. Das gibt eine Hoffnung, die dem Tod und der Gewalt, die der Ungerechtigkeit und der Verzweiflung standhält. Der Blick auf den Gekreuzigten zeigt: Wir sind nicht allein in unserem Leiden! Niemand ist allein im Leiden! Gott geht mit uns alle Wege unseres Lebens - auch im Leiden und durch das Leiden hindurch. Es ist wahr: Im Kreuz ist Hoffnung!