Bayern 2 - Zum Sonntag


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Zum Sonntag Für Demokratie!

Angesichts der bevorstehenden Wahl meint Schwester Nicole Grochowina, dass - um die Demokratie zu stärken - positive Ziele wichtiger sind als negative Abgrenzungen.

Von: Schwester Nicole Grochowina

Stand: 07.02.2025

Zum Sonntag: Für Demokratie!

Auch an diesem Wochenende sind wieder tausende Menschen auf der Straße. In Bamberg, Nürnberg, München, Hof und in ganz Deutschland demonstrieren sie für Demokratie und Menschenwürde. In den Knochen stecken ihnen dabei immer noch die Ereignisse der letzten Woche, als die CDU/CSU im Bundestag mit den Stimmen der AfD einen Antrag durchgesetzt und dasselbe dann auch mit einem Gesetz versucht hat. Dass das nicht geht, treibt viele Menschen gegenwärtig auf die Straße. Auch mich. Doch es gibt noch eine andere Frage an diesem Wochenende; mehr noch: eine Ratlosigkeit. Mit Blick auf die Bundestagswahl am 23. Februar stellt sich mitten in der Menschenkette verstärkt die Frage: "Wen soll ich denn jetzt noch wählen?", um dann gleich die Antwort mitzuliefern: "Ich weiß es im Augenblick nicht."

"Wen soll ich denn jetzt noch wählen?". Im Gespräch zwischen Protest, Musik und Reden bin ich froh, dass diese Frage zumindest noch gestellt wird, heißt dies doch, dass die Wahl auch weiterhin als demokratisches Grundrecht verstanden wird, das es zu nutzen gilt. Gleichermaßen verstehe ich aber auch die fast schon resignierte Antwort. Sie macht deutlich, wie sehr die Ereignisse der vergangenen Woche als ein einschneidendes Erlebnis, als Zäsur wahrgenommen werden. Wir leben nun mit einer Realität, die bis dato als undenkbar gegolten hat und die deshalb die Kraft entfaltet, den politischen Diskurs in besonderer Weise zu vergiften. Vor diesem Hintergrund bin ich dankbar für alle Signale in dieser Woche, das Gespräch wieder aufzunehmen, doch diese Signale sind noch zu zart, um die bange Sorge um unsere Demokratie nachhaltig zu entkräften.

In dieser Not kommt mir ein fast schon antiquiertes Instrument geistlichen Lebens in den Sinn: Der Ordensgründer Ignatius von Loyola hat im 16. Jahrhundert geistliche Übungen entwickelt, deren wesentliches Merkmal die Unterscheidung der Geister ist. Ihm ging es um die Frage, wie im Angesicht Gottes eine gute, eine lebensdienliche Entscheidung getroffen werden kann - und dabei war er ein großer Realist, denn er wusste, dass die Suche nach einer Entscheidung immer existentiell ist und dabei in unbefriedigende, weil unklare Situationen führt. Und so entscheiden wir Menschen uns schließlich in großer Einsamkeit, allein mit unserem Gewissen, aber - und das war Ignatius wichtig - wir entscheiden hoffentlich auf der Grundlage von Kriterien, welche Argumente und Emotionen in ein freiheitliches Verhältnis setzen.

Am Ende gilt es also, die Stimmen, die Geister zu unterscheiden, um herauszufinden, ob eine Entscheidung auf den Pfad von Lug und Trug oder auf einen lebensdienlichen Weg führt. Mit anderen Worten: Das "für" entscheidet! Heißt: Wofür will ich mich stark machen, wofür will ich einstehen und welcher Weg fördert dieses "Für" am meisten? Das "Für" entscheidet das nicht das "Gegen", darum geht es. Und klar, dieses "für" gibt es niemals in Reinform, aber Ignatius sagt: Es gibt immer ein "Mehr". Und das bedeutet heute: Es gibt auch bei unseren Entscheidungen heute ein "Mehr" auf dem Weg zur gelebten Menschenwürde, ein "Mehr" auf dem Weg zu einer stabilen Demokratie. Mit einem "Weniger" indes sollten wir uns nicht abfinden, zu keiner Zeit, auch nicht bei der Wahl in zwei Wochen.

Zur Autorin:
Schwester Nicole Grochowina ist Historikerin und Ordensschwester der evangelischen Communität Christusbruderschaft Selbitz.


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