Unverhoffte Erfolgsgeschichte Wie die Bionade entstanden ist
Bionade war die erste Bio-Limo und in den 2000ern in aller Munde. Eine Fehleinschätzung führte zu diesem Erfolg, eine weitere zum Absturz der Marke. So hatte er sich das nicht vorgestellt, sagt Bionade-Gründer Peter Kowalsky – der heute an einem neuen Getränk tüftelt.
"Eigentlich bin ich Braumeister von Beruf. Dass ich vom Braumeister zum Öko-Pionier und zum Pflanzen- und Zellexperten werde, das hätte ich mir nicht vorstellen können. Und dass wir dann nach fast 30 Jahren intensiver Arbeit bei Bionade unser eigenes Unternehmen verlassen, das hätte ich mir so auch nicht vorgestellt."
Peter Kowalsky, Bionade-Gründer
Es gibt viele Dinge, die er sich so nie hätte vorstellen können, sagt Peter Kowalsky. Er ist einer der Gründer von Bionade, der ersten Bio-Limonade weltweit. Ob Litschi, Ingwer-Orange oder Holunder – vor 20 Jahren war Bionade in aller Munde. Ein Wahnsinnserfolg, der aber mit einer kapitalen Fehleinschätzung begann, sagt Kowalsky. Und mit einem weiteren Fehler endete.
Absatz der Familienbrauerei bricht ein
Wer das nachvollziehen möchte, der muss erst einmal zurückblicken, in die 1980er-Jahre. Damals betreiben Peter Kowalskys Mutter und sein Stiefvater die kleine Familienbrauerei Peter in Ostheim in der Rhön.
"In Unterfranken gab es eine sehr hohe Brauereidichte. Diese Brauereien haben in den 80er-Jahren einen ziemlichen Absatzverlust erlitten, weil durch das Privatfernsehen die Werbekraft der nationalen Biermarken sehr stark zugenommen hat. Dieses Warsteiner, Bitburger und Krombacher Bier war jetzt für Rhöner eine willkommene Abwechslung zu diesem ganzen Standardsortiment, das sie seit Jahrzehnten kannten. Und so haben wir relativ viel Umsatz verloren."
Peter Kowalsky, Bionade-Gründer
Tüfteln an der Bionade-Rezeptur – im Badezimmer
Wieder Geld verdienen – das war damals der Plan der Familie. Und dabei sollte ein Produkt helfen, das es so noch nicht gab: eine Bio-Limonade für Kinder. 1985 beginnt Peter Kowalskys Stiefvater Dieter Leipold an dieser neuen Limo zu tüfteln. Sein Versuchslabor ist das Badezimmer. Und Peter Kowalsky war von Anfang an dabei. Er steigt in die Familienbrauerei ein und kümmert sich anfangs um die Bionade, weil er muss. So sei das eben in kleinen Betrieben, sagt er. Doch schon bald ist er davon fasziniert, als Braumeister kein Bier zu brauen – sondern Limonade.
"Bionade ist von der Idee her eine Bio-Limonade, die aber nicht zusammengemischt wird aus Zucker und irgendwelchen Säften, sondern auf biologischem Weg durch Fermentation hergestellt wird. Eigentlich kann man sagen es ist eine Limonade nach einem Reinheitsgebot, die auch als Basis Gerste hat, die dann aber zu einem alkoholfreien Produkt fermentiert wird."
Peter Kowalsky, Bionade-Gründer
Der erste Fehler: Kindern schmeckt die Bionade einfach nicht
Ein nachhaltiges und gesundes Naturprodukt also. Die Bionade ist für Kinder gedacht. Eigentlich. Doch das ist die erste große Fehleinschätzung der Gründer. Denn Bionade enthält kaum Zucker und keine künstlichen Farbstoffe – und das schmeckt den Kindern überhaupt nicht. Dafür kommt die Limo bei einer ganz anderen Zielgruppe hervorragend an: Sie wird plötzlich in der Hamburger Kneipenszene populär. So hatte sich das Peter Kowalsky nicht vorgestellt.
"Das hat natürlich zu einer unheimlichen Attraktion geführt, weil die Leute es plötzlich selber entdeckt haben und sich das Produkt nicht angebiedert hat. Und daraus ist ein unheimlicher Sog entstanden."
Peter Kowalsky, Bionade-Gründer
Bio, regional, nachhaltig – das kommt bei den Szenegängern an
Was auch daran liegt, dass immer mehr Menschen damals ein ökologisches Bewusstsein entwickeln. Ein Getränk, das Bio ist, dazu noch regional, nachhaltig und aus der unterfränkischen Provinz – das kommt gut an bei den Szenegängern in der Großstadt. Die Bionade wird zum hippen Zeitgeist-Getränk, ganz ohne Werbung – dafür hat die Familie aus der Rhön nämlich kein Geld. Doch die Medien haben durchaus zum Erfolg beigetragen,
"Der Durchbruch kam, als wir einen Fernsehbeitrag in der Sendung Galileo bekommen haben, das war 2005. Man nennt das dann Tipping-Point. Das war also der Zeitpunkt, als wir eine schwarze Null geschrieben haben. Und seitdem ging es steil bergauf mit Bionade. Ende 2004 haben wir zwei Millionen Flaschen verkauft, Ende 2005 waren es dann schon fünf, sechs Millionen. 2006 waren es dann 20 Millionen und 2007 waren es 200 Millionen."
Peter Kowalsky, Bionade-Gründer
Das Problem Leergut
Doch dieser Erfolg bringt auch Probleme mit sich. Das Problem Leergut zum Beispiel. Je mehr Bionade-Flaschen die Familienbrauerei verkauft, desto mehr Kisten braucht sie. Und diese Kisten muss die Brauerei vorfinanzieren.
"Wenn Sie eine Kiste Bionade kaufen, zahlen Sie 3,42 Euro Pfand. Diese Kiste kostet aber in Wirklichkeit ungefähr sieben Euro. Das heißt, für eine Kiste, die sie verkaufen, müssen sie ungefähr vier Euro mitbringen. Als Investition, dass diese Kiste in den Markt kommt."
Peter Kowalsky, Bionade-Gründer
Das Problem der Geldnot
In der Hochphase sind Millionen Kisten unterwegs, und damit Millionen Euro. Das Wachstum kostet also viel Geld. Und die Geldnot – sie ist ein Problem, auf das Peter Kowalsky immer wieder zu sprechen kommt. Sie spielte auch gleich zu Beginn der Bionade-Story eine große Rolle. Denn um die Limo überhaupt produzieren zu können, brauchte die Familie frisches Geld. Und das kam damals vom Unternehmen Rhönsprudel, das als Partner einstieg.
"Rhönsprudel war ein befreundetes Unternehmen von uns, und wir dachten: Okay, wenn wir diese logistische Hürde lösen - weil bei Rhönsprudel kommen Händler aus ganz Deutschland hingefahren und holen Ware - dann haben wir einen viel leichteren Zugang zum Markt. Das war der Hauptgrund, warum wir mit Rhönsprudel eine Kooperation eingegangen sind."
Peter Kowalsky, Bionade-Gründer
Eine gute Kooperation. Denn Rhönsprudel ließ den innovativen Brauer und seine Familie so arbeiten, wie sie wollten. Doch ein paar Jahre später bekam auch Rhönsprudel finanzielle Probleme.
Der zweite Fehler: Dr. Oetker steigt ein
Und dann kommt es zum zweiten großen Fehler – der diesmal aber keinen unverhofften Erfolg bringt, sondern den Absturz der Marke Bionade. Rhönsprudel muss seine Anteile verkaufen – an Radeberger. Und Radeberger gehört zu Dr. Oetker. Ein Großkonzern, der bei den ökobewussten Kunden überhaupt nicht gut ankommt. Das ist das eine Problem. Das andere: Der Großkonzern und die Familienbrauerei haben völlig unterschiedliche Vorstellungen.
"Das geht los bei den Mitarbeitern – vom Verständnis, wie man Geschäfte macht, für was man Geld ausgibt, wo man Geld spart. Und das hat einfach an so vielen Stellen nicht gepasst, dass wir uns permanent über den anderen aufgeregt haben. Das Ganze hat dann mit der Bionade-Idee, die wir hatten, fast überhaupt nichts mehr zu tun gehabt. Und wir haben das dann auch mal geäußert, dass wir das nicht mehr gut finden, was da passiert und haben auch einen Vorschlag gemacht, wie man das wieder gut machen könnte. Den Vorschlag fand der Konzern aber so absurd, dass er gesagt hat: Okay, jetzt machen wir euch auch mal einen Vorschlag. Ihr geht aus eurer Firma aus. Und dann sind wir sehr erschrocken."
Peter Kowalsky, Bionade-Gründer
Den eigenen Betrieb aufgeben – ein Schritt, der schmerzt
Den eigenen Betrieb aufgeben? Wo doch Bionade ein Geschäftsmodell für Jahrzehnte sein sollte? 2012 ist klar: Radeberger wird sich nicht zurückziehen. Also steigen die Gründer aus. Für die Familie ein Schritt, der schmerzt – und für Peter Kowalsky stellen sich plötzlich ganz existenzielle Fragen.
"Was kann ich denn überhaupt? Wer bin ich eigentlich, wenn ich nur ich bin, wenn ich keine Sekretärin mehr habe, wenn ich keine 300 Mitarbeiter mehr habe, wenn ich keine große Marke mehr im Rücken habe. Es fühlt sich sehr anders an, sehr echt, und auch sehr hart."
Peter Kowalsky, Bionade-Gründer
Die Marke Bionade säuft ab
Auch für Radeberger läuft es nicht so wie vorgestellt. Die Marke Bionade säuft ab und wird schließlich weiterverkauft. Heute steht die Marke wieder ganz gut da. Der neue Eigentümer Hassia Mineralquellen aus Frankfurt berichtete zuletzt von zweistelligen Wachstumsraten. Es gibt neue Sorten und eine neue Werbekampagne. Entwicklungen, die Peter Kowalsky nach wie vor verfolgt.
"Aber auf einer sachlichen Ebene. Also meine Erfahrung, die ich gemacht habe, ist, dass man sich von etwas Altem nur verabschieden kann, wenn man es emotional insofern loslässt, dass man es sachlich betrachten kann. Und nicht als etwas, was man ganz anders gemacht hätte."
Peter Kowalsky, Bionade-Gründer
Kein Brass mehr auf Bionade und die Vergangenheit
Einen Brass auf Bionade und die Vergangenheit hat Peter Kowalsky heute nicht mehr. Im Gegenteil: Er hat seinen Frieden damit gemacht, ist nach Berlin gezogen – und hat dort ein neues Getränk entwickelt. Einen Energydrink namens INJU, aus rein natürlichen Stoffen.
"INJU soll ein Getränk sein, das den Leuten die Kraft gibt, die sie brauchen, um ihren eigenen Weg zu finden, und zwar auf natürliche Art und Weise."
Peter Kowalsky, Bionade-Gründer
Ob das so funktionieren wird, wie es sich Peter Kowalsky vorstellt? Das wird die Zukunft zeigen.