Heilen, Lindern, Vorbeugen Was kann Phytotherapie leisten?
Manche haben für Pflanzenheilkunde nur ein müdes Lächeln übrig, denn was können Pflanzen schon gegen Krankheiten ausrichten? Andere werfen die Phytotherapie mit der Homöopathie in einen Topf. Doch mit ihr hat die Phytotherapie nur wenig gemeinsam.
Sinngemäß lautet die amtliche Definition der Phytotherapie folgendermaßen:
Die Phytotherapie dient der Heilung, Linderung und Vorbeugung von Krankheiten bis hin zu Befindlichkeiten durch Arzneipflanzen, deren Teile (z.B. Blätter, Wurzeln, etc.) oder Bestandteile (z.B. ätherische Öle), sowie deren Zubereitung (Tees, Presssäfte, Tinkturen). Die Phytotherapie ist Bestandteil der wissenschaftlich orientierten Medizin.
"Immer wenn ich meine Vorlesungen anfange, frage ich meine Studierenden, die der Phytotherapie zunächst kritisch gegenüberstehen: Wer von Ihnen hat schon mal eine Erkältung gehabt? Da zeigen alle auf. Dann frage ich, wer von ihnen schon mal ein Antibiotikum genommen hat. Dann zeigt ungefähr ein Drittel auf. Wenn ich frage, wer schon mal einen Heilpflanzentee getrunken hat, zeigen wieder alle auf. Dann sage ich: Sehen Sie, wie wichtig mein Fach ist?"
Prof. Dr. med. André-Michael Beer.
Kriterien für Arzneien
Ein Arzneitee darf sich nur dann so nennen, wenn er auf
- Qualität,
- Wirksamkeit und
- Unbedenklichkeit
untersucht worden ist.
Das sind die drei Kriterien, die auch jedes andere Arzneimittel in Deutschland erfüllen muss, um als Arzneimittel überhaupt auf den Markt kommen zu können. Phytopharmaka, also pflanzliche Heilmittel, die in der Phytotherapie zum Einsatz kommen, müssen also sehr hohe Hürden überwinden, um vor dem Arzneimittelgesetz offiziell als Heilmittel anerkannt zu werden. Die Arzneimittel der Phytotherapie sind so hochwertig, dass sie alternativ zu chemisch-synthetischen Substanzen eingesetzt werden können.
Kräutertee vs. Arzneitee
Solche Kriterien erfüllen normale Kräutertees, die im Supermarkt erhältlich sind, nicht. Auch Kräuter vom Markt sind nicht auf Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit untersucht und daher als Arzneimittel nicht geeignet.
"Wenn ich als Arzt den Mut habe, an einem Freitagnachmittag einem Patienten mit fraglicher beginnender Bronchitis auf seinen Wunsch hin, kein chemisch definiertes Mittel, kein Antibiotikum zu geben, sondern Eibisch oder Spitzwegerich, dann brauche ich als Arzt die Sicherheit, dass bei dem Präparat auch wirklich drin ist, was draufsteht. Deshalb muss es ein geprüftes Arzneimittel sein."
Prof. Dr. med. André-Michael Beer
Abgrenzung zur Homöopathie
Phytotherapie
Bei der Phytotherapie kennt man den genauen Wirkmechanismus der Inhaltsstoffe der einzelnen Pflanzen, die vor allem in Form von Tinkturen, Arzneitees oder fertigen Arzneimitteln benutzt werden. Beispielsweise weiß man schon seit vielen Jahren, dass Thymian krampflösend auf die Bronchialmuskulatur wirkt, aber auch schmerzhemmend. Thymiantee hat auch eine schleimlösende Wirkung. Bei der Phytotherapie sind die Wirkmechanismen also bekannt.
Homöopathie
Dagegen ist die Homöopathie eine Therapie, bei der man den Wirkmechanismus bislang nicht kennt. Auch die Homöopathie benutzt neben mineralischen und tierischen Substanzen zu 70 bis 80 Prozent Pflanzen, weshalb die beiden Disziplinen oft verwechselt werden. Doch bei der Homöopathie werden diese Pflanzen nicht in der einfachen Zubereitung gegeben, sondern in veränderter Weise. Sie werden verdünnt und zwischen jedem Verdünnungsschritt quasi „verschüttelt“, wodurch die Potenzen in der Homöopathie entstehen. Das hat mit Phytotherapie nichts zu tun, sondern ist ein eigenes Wirkprinzip der Homöopathie.
Studien belegen Wirksamkeit
Die Erfahrung spielt eine große Rolle: Mit über 2.000 Jahren Evidenz ist die Phytotherapie die älteste Therapie der Menschheit überhaupt. Was nicht hilft, wurde ausgeklammert, während die Mittel, die helfen, weiter tradiert wurden. Die Ärzte der Antike waren erfahren, hatten jedoch nicht dieselben Messmethoden wie heute. Auf dem Gebiet der Phytotherapie gibt es heute ca. 1.500 doppelblinde randomisierte Studien, sowie über 800 Studien, die in Tierversuchen und im Reagenzglas die Wirksamkeit von Phytotherapie beweisen.