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Weihnachtsminimalismus Die Kunst des Nicht-Schenkens

"Ich habe dieses Jahr kein Geschenk für dich." Dieser Satz ist hart. Zu Weihnachten kann es aber gute Gründe dafür geben. Zum Beispiel die Absage an den Konsum. Aber sind Geschenke nur Konsum? Und wie geht man am besten mit einem Schenkverbot um? Tanja Gronde erzählt.

Von: Tanja Gronde

Stand: 16.12.2021 | Archiv

Weihnachtsminimalismus: Die Kunst des Nicht-Schenkens

Schenken macht glücklich. Das hat eine Studie vor einigen Jahren herausgefunden.  Schenken und Spenden lösen im Gehirn Glücksgefühle aus. Und zwar immer wieder. Man gewöhnt sich nicht mal daran, besagt eine andere Studie. Und das Christkind hält sich ja sowieso nicht an Schenkverbote.

Für Kinder ist vor Weihnachten klar, das Christkind kommt. Hoffentlich. Diese Spannung, diese Vorfreude macht doch auch Weihnachten aus. Allerdings werden Wunschzettel im zunehmenden Alter der Kinder immer länger, ähneln eher Bestelllisten oder Einkaufszetteln. Höchste Zeit also, einen Gang runter zu schalten. Vielleicht sogar in den Leerlauf? Den Erwachsenen NICHTS beim Christkind besorgen. Angefangen damit hat vor einigen Jahren meine Schwester. Und meine Brüder – typisch Mann – waren erleichtert.

Keine Geschenke? Ich war erst mal beleidigt

Ich allerdings war, ich gebe es zu, erst mal beleidigt. Erstens: Schenke ich gern, zweitens: packe ich gerne aus. Allerdings beim genauerem Nachdenken fiel tatsächlich der Stress weg. Denn es soll ja zu Weihnachten was Persönliches sein, und am besten noch einen Wunsch erfüllen, am besten einen, den man errät. Tief in mir schlummert ein kleines Kind, das vom Christkind träumt, das alle Wünsche kennt, sogar die, die ich selbst noch nicht weiß. Was können Geschenke Freude auslösen, und Enttäuschung. Michaela Köberle ist Familienberaterin bei der Caritas und weiß: Schenken ist ein emotionales Thema. Denn Schenken ist Beziehung.

"In diesem Beziehungsthema steckt auch drin, fühle ich mich gesehen? Fühle ich mich wertgeschätzt? Was bin ich in dem anderen wert? Das macht sicherlich einen großen Teil aus und ist sicherlich das Schwierige. Aber darüber spricht man natürlich auch nicht so leicht, weil wir da ganz schnell bei den Themen sind, die halt auch wehtun."

Michaela Köberle, Familienberaterin bei der Caritas

Dazu kommt, dass sich dieses Jahr schon im November eine leichte Panik breitgemacht hat: Wird denn trotz Pandemie alles rechtzeitig geliefert?! Die neueste Spielkonsole, das trendige Paar Sneakers, und kann man den Gutschein zum Schifahren einlösen, von wegen: Risikogebiet? Dazu werden wir ja medial ab Anfang November mit Geschenktipps überhäuft. Zum Kaufen, Basteln, Kochen, Stricken. Als Teenager habe ich mich mit Pralinen versucht. Später dann Eierlikör.

Ab Mitte November steigt der Druck

Ab Mitte November tragen einige Menschen in meiner Umgebung dieses leichte Siegerlächeln auf den Lippen, weil sie "schon alles haben". Manche sogar schon verpackt. Der Druck steigt. Dabei macht Schenken doch die Seele weit. Meine nicht, stattdessen schrillt die innere Alarmglocke, Und damit bin ich nicht allein, meint Familienberaterin Michaela Köberle.

"Also das unperfekte Geschenk darf es ja quasi gar nicht mehr geben. Dann ist man sofort in diesen Schleifen: Oh Gott, versage ich jetzt? Ich habe einen tollen Tipp gefunden, sich eben diesem Weihnachtsstress zu entziehen und das ganze Jahr einfach die Augen offen zu halten. Wenn einem was auffällt, an den Freundinnen oder am Partner oder am Kind, wo man denkt: Ah ja, genau! Dass man sich halt dann gleich drum kümmert und dieses Geschenk am besten in die Schublade legt."

Michaela Köberle, Familienberaterin bei der Caritas

Natürlich gibt es die Menschen, die das ganze Jahr an Weihnachten denken. Allerdings sind das die wenigstens. Geschenke finden macht doch dann Spaß, wenn man es nicht als To-Do sieht, sondern wenn es spontan passiert. Beim Bummel über den Weihnachtsmarkt und nicht beim Surfen im Internet. Doch immer mehr in meinem Bekanntenkreis schenken nichts. Simon praktiziert das seit Jahren.

"Für mich war das überhaupt keine Herausforderung. Ich bin da eher, wie Männer so oft, rational an die Sache ran und bin da nicht so mit Emotionen verhaftet. Von daher war das für mich eigentlich ziemlich schnell erledigt. Und ich muss sagen, für mich ist eine gewisse Last abgefallen, weil mich das auch mal belastet hat. Auch wem schenkst du was, und wie weit geht es in der Verwandtschaft? Onkel, Tante, Cousine? Und da fand ich das schon entspannt. Deswegen war das für mich ziemlich schnell erledigt und ausgemacht."

Simon

Was bedeutet Schenken für mich?

Selbst die eigene Frau bekommt nichts von ihm, und umgekehrt. Diese Vereinbarung, keine Gaben zu haben, wird aber auch jedes Jahr bekräftigt. Denn das ist – Hand aufs Herz – ja schon eine Herausforderung. Anzusprechen: Hey wie wäre es damit, sich nichts zu schenken? Und wer spricht es an? Und wie geht es mir damit, wenn ich eigentlich gesagt bekomme: Du kriegst nix. Weil Schenken eben auch Beziehungsthema ist, gilt es erstmal, sich selbst drüber klar zu werden: Was bedeutet ein Geschenk für mich? Sich wirklich hinsetzen und mit dem oder der anderen darüber zu reden: Was ist denn Schenken für dich?

"Und das hilft, glaube ich, um den eigenen Standpunkt zu klären. Sich vielleicht mit einer Tasse Tee hinzusetzen und zu überlegen, wie es tatsächlich bei mir mit dem Schenken ist. Wie geht es mir, wenn ich etwas bekomme? Wie geht es mir, wenn ich nichts bekomme? Wie geht es mir, wenn ich das Falsche bekomme? Und vielleicht schafft man es sogar zu gucken, wo kommt das her? Gibt es da ein inneres Kind, das noch heute unterm Tannenbaum liegt? Oder kann ich darüber lachen, dass mein Partner danebenlag? Oder kränkt es mich, weil ich mich nicht gesehen fühle? Vielleicht ist das ja auch total nett zu hören. Wie war es denn für meinen Mann damals unterm Christbaum? Und dann kann man vielleicht als nächsten Schritt sagen: Wie wollen wir es jetzt machen?"

Michaela Köberle, Familienberaterin bei der Caritas

"Nur wer Nichts macht, macht keine Fehler"

Eine Redewendung besagt: "Nur wer Nichts macht, macht keine Fehler." Denn wer was herschenkt, kann danebenliegen. Ich werde nie vergessen, wie ich meinem Mann einen Tanzkurs geschenkt habe. Ich dachte, es wäre Qualitätszeit, zusammen Swing zu tanzen, ohne Kinder, nur wir zwei. Naja, sagen wir mal so: Wir waren beide froh, dass der Kurs nach vier Abenden rum war. Schenken kann also nach hinten losgehen.

Schenken schafft Verbindung. Aber auch das Reden über das Nicht-Schenken schafft Verbindung. Auch wenn dieses "Nichts zu Weihnachten" Überwindung kostet. Deswegen habe ich es dieses Jahr auch noch nicht ausgeweitet. Aber dafür ist ja nächstes Jahr noch Zeit, tröstet Michaela Köberle.

"Ich denke, da liegt die große Chance drin. Nach Weihnachten ist vor Weihnachten. Vielleicht ist da auch spürbar: Wie war denn das jetzt? Wie ging es mir damit, dass wir uns nichts geschenkt haben? Wie ging es mir, dass wir uns Socken geschenkt haben?"

Michaela Köberle, Familienberaterin bei der Caritas

Eine liebevolle Umarmung – mit leeren Händen, aber vollem Herzen

Ich habe auch mal Socken geschenkt bekommen mit der Aufschrift: Wenn Du das Lesen kannst, bring mir was zu trinken. Ich fand das wunderbar. Insofern: Socken können auch ein schönes Geschenk sein, aber sie können auch ein gutes Nicht-Geschenk sein. In diesem Sinne: Nur kein Stress mit dem Nichtschenken, weil am Ende zählen doch die Gedanken, die der Andere sich gemacht hat. Sowohl wenn er was besorgt hat oder wenn es auch "nur" eine liebevolle Umarmung ist mit leeren Händen, aber dafür mit vollem Herzen.


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