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Zwölfuhrläuten Neutraubling in der Oberpfalz

Man mag es kaum glauben: doch die moderne, rund 14.000 Einwohner zählende Stadt Neutraubling, östlich von Regensburg, verdankt ihre Existenz dem Zweiten Weltkrieg.

Von: Christian Jungwirth

Stand: 31.10.2021 | Archiv

Zwölfuhrläuten: Neutraubling in der Oberpfalz

Ab 1940 produzieren hier die Messerschmidt-Werke noch Jagdmaschinen für die geplante Luftoffensive der Nazis. Doch bei Kriegsende legen Bombardements der Alliierten dort alles in Schutt und Asche. In den Ruinen siedeln sich nach 1945 kontinuierlich Flüchtlinge aus den ehemaligen deutschen Gebieten Osteuropas an. Sie gründen am 1. April 1951 Neutraubling als vierte Vertriebenengemeinde Bayerns, bauen sich mit einfachsten Mitteln Existenzen auf.

Y-förmiger Grundriss

Dank viel Knowhow und Zielstrebigkeit entsteht rasch eine blühende Industriestadt. Als die Zahl der evangelischen Neubürger stetig wächst, wird unter Einsatz vieler Spendenmittel 1956 ein eigenes Gotteshaus, die Lutherkirche, errichtet. Sie ist ein optischer Genuss mit ihrer ungewöhnlich türkisfarbenen Ansicht, wurde vom Münchner Architekten Prof. Dr. Adolf Abel honorarfrei geplant und gebaut. Der aus Dreieck- und Fünfeckformen entwickelte Zentralbau auf Y-förmigem Grundriss ist ein Betonraster mit flachem Zeltdach. Als biblische Inspiration diente der alttestamentliche Gedanke des Zelts vom wandernden Gottesvolk.

Werk mit Seltenheitswert

Wer Beton liebt, kommt im Innenraum voll auf seine Kosten. Altar, Kanzel und Taufstein sind aus einfachem Beton gegossen, gleichfalls auch der Boden im Chorraum. Im Zentrum: die Kreuzigungsgruppe als Mitte zwischen Altar und Kanzel. Christus am in sich gebrochenen Kreuz, ohne Nägel, ohne Dornenkrone, darunter nur Apostel Paulus. Ein Werk mit Seltenheitswert. Ringsum dazu Kirchenbänke im Halbrund angeordnet, der Prediger steht direkt in der Mitte des Raumes.
Keine vier Jahre nach dem Kirchenbau hängen die Neutraublinger im neuen Glockenturm ein fünfstimmiges Wachet-auf-Ensemble in der Stimmung a-h-cis-e-fis ein. Das harmonische Glockenquintett wurde 1960 bei Perner in Passau gegossen.


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