Zwölfuhrläuten Ermershausen in Unterfranken
Freiheit und Rebellion – mit beiden Begriffen könnte die kleinste Gemeinde in ganz Unterfranken vorschnell beschrieben sein! Doch ganz so einfach ist es nicht. Weil Ermershausen mit seinen knapp 600 Einwohnern viele Geschichten hat. Vor allem die vom "Rebellendorf".
1978 soll der Ort im Zuge der Gemeindegebietsreform zum nahen Maroldsweisach kommen. Doch die Politik macht die Rechnung ohne die widerstandswilligen Ermershäuser. Die stemmen sich vehement dagegen und boykottieren aktiv den Beschluss.
Kampf gegen Eingemeindung
1049 erstmals urkundlich als "Ermannshusen" erwähnt, hat das Dorf über Jahrhunderte vielen Verwüstungen und Besitzschachereien getrotzt. 1818 entstand die politische Gemeinde Ermershausen. Und das wollte man 1978 auch bitte bleiben! Doch am 19. Mai, frühmorgens, stürmt Bereitschaftspolizei den Ort und räumt das besetzte Rathaus. Wut, Verzweiflung und Spaltung machen sich breit. Fortan kämpfen die Ermershäuser 15 Jahre um ihre "Freiheit" und gegen die erfolgte Eingemeindung.
Jedes Jahr am 19. Mai kam man zusammen, ließ in der Nacht eine Freiheitsglocke ertönen und erinnerte an das besetzte Rathaus.
Freiheitsglocke
Rund 50 Einwohner wollten 1978 direkt nach der Polizeiaktion sogar über die nahe Grenze in die damalige DDR überlaufen. Die rebellische Ausdauer macht sich bezahlt, seit dem 1. Januar 1994 ist Ermershausen wieder selbständige Gemeinde. Seitdem heißt der Platz vorm Rathaus im Volksmund "Platz der Freiheit"; die kleine Freiheits-Stahlglocke, nach 1945 angeschafft, steht dort jetzt beim Ehrenmal.
Im Glockenturm der 1744/45 neu errichteten Saalbau-Pfarrkirche mit Walmdach läuten auch heute, zum 275-jährigen Kirchweih-Jubiläum, alle vier Bronzeglocken. Die Stundenschlagglocke, die älteste von 1575, ziert von ehedem das Leitwort: "Gott segne und beschütze Ermershausen".