Zwölfuhrläuten Retzbach in Unterfranken
Schon die Anfahrt durch das Retzbachtal ist romantisch und im ersten Frühlingsflor besonders lieblich. Rechter Hand die Weinberge, dann zur Linken die bekannte Wallfahrtskirche Maria im Grünen Tal und schon grüßt die barocke Turmspitze der Retzbacher Pfarrkirche St. Laurentius über die Dächer des alten Marktes.
Das Gotteshaus steht etwas erhöht am Nordostrand des Ortskerns, dessen historische Gebäude sich um das 1576 erbaute und 2001 sanierte Rathaus scharen.
Berühmter Baumeister
Erstmals urkundlich erwähnt wurde Retzbach im März 815, also vor 1.200 Jahren, als es nach dem Regierungsantritt des Würzburger Bischofs zu Zehntstreitigkeiten mit Fulda kam. Im Besitz des Würzburger Hochstiftes war der gegenwärtig um die 2.300 Einwohner zählende Weinort bis zur Säkularisation und ist seit 1975 Teil des Marktes Zellingen. Aus Würzburg kam auch der Baumeister der schönen Barockkirche St. Laurentius – Baltasar Neumann, der übrigens seine berufliche Laufbahn als Glockengießergeselle begann, sich dann der Festungsbaukunst widmete, als fürstbischöflicher Baudirektor die Würzburger Residenz errichtete und zu den bedeutendsten süddeutschen Baumeistern des Barock und Rokoko zählt.
Kunstwerk des Frührokokos
Neumanns Pläne für die Retzbacher Pfarrkirche hat Maurermeister Mathes Kolb jedoch eigenmächtig vereinfacht. Der schlichte, von roten Sandstein Pilastern gegliederte, ockergelbe Außenbau, zeigt nur an der Turmfassade Neumanns typische Bauzier, wie die bogigen Fensterbedachungen und den spiralförmig eingerollten Giebel als Turmüberleitung. Durchschreitet der Besucher das Portal, steht er in einem hellen, festlichen Raum, der ihm mit seiner überwiegend aus dem 18. Jahrhundert stammenden Ausstattung, besonders den drei Altären und der Kanzel, als Kunstwerk des Frührokokos begegnet.
Unter dem Zwiebelhelm des Turms läuten vier Glocken hin über den Retzbach hinunter ins Maintal.