Zwölfuhrläuten Speicherz in Unterfranken
Eine fränkische Kirche, wie es sich gehört: massiv, gedrungen, unverputzter Sandstein, ein breiter Turm mit einer "welschen Haube": das ist St. Josef in Speicherz. Gerade 90 Jahre alt. Die Speicherzer mussten also sehr lange auf eine eigene Kirche warten.
Die heilige Messe besuchten sie vorher nach beschwerlichen Fußwegen in Brückenau oder in der Klosterkirche Volkersberg. Auch ein eigener Friedhof war den Bewohnern ein Anliegen – schien aber in weiter Ferne zu liegen. Bis 1866 der ledige Bauer Michael Hüfner starb. In seinem letzten Willen vermachte er der Gemeinde 500 Gulden zur Gründung eines Kapellenbaufonds. Damit sollte innerhalb der nächsten 50 Jahre eine Kirche gebaut werden.
Eier und Würste für goldenen Turmhahn
Der Stichtag fiel nun in die Wirren des ersten Weltkriegs und erst Anfang der 20er-Jahre machte der Gemeinderat Nägel mit Köpfen. 400 Fuhren Steine, von Hand gebrochen und behauen, wurden mit Pferdefuhrwerken herbeigeschafft. Maurer, Schreiner, Spengler, Dachdecker, alle packten an. Auf den Turm sollte ein goldener Hahn, fränkisch "Göcker", den Lehrbuben kurz vor der Einweihung im Dezember 1926 von Haus zu Haus trugen und dafür reichlich Eier und Würste kassierten. Nach einer weiteren, großzügigen Spende aus der Familie Hüfner ging auch die Innenausstattung zügig voran.
Fränkische Kunst
Die Wandgemälde über Haupt- und Seitenaltar und die Entwürfe für die Fensterbilder stammen von den beiden renommierten fränkischen Kunstmalern Willi Wolf und Willy Jakob, die ja bei der Ausgestaltung der neuen Kirche keine Rücksicht nehmen mussten auf frühere Gestalter. So entstanden Arbeiten im Stil der 1930er Jahre, die dem ansonsten dezenten Kirchenraum eine ganz eigene Atmosphäre verleihen.