Über die Zukunft von Biogas in Bayern Kein Strom mehr aus Mais und Gülle?
Es klingt paradox: Trotz angekündigtem Kohle- und Atomausstieg könnten viele Biogas-Anlagen bald dichtmachen. Der Grund: Die Bauern bekommen nach 20 Jahren Laufzeit weniger Geld für den grünen Strom. Für manche Landwirte ergeben sich dennoch Chancen für die Zukunft.
Sie waren Pioniere der erneuerbaren Energie, Bauern die früh auf Biogas gesetzt haben. Doch gerade Betriebe mit älteren kleinen und mittelgroßen Anlagen könnten Probleme bekomen.
Ein 700 PS starker Häcksler erntet die mannshohen Mais-Pflanzen auf dem Acker von Landwirt Ralf Engel in Deiningen im Landkreis Donau-Ries. Es könnte die letzte Ernte für Engels Biogas-Anlage sein. Ende nächsten Jahres fällt seine Anlage nach 20 Jahren aus der garantierten Einspeisevergütung raus. Danach gibt es deutlich weniger Geld: Maximal 16 Cent pro Kilowattstunde Strom statt bisher 22 Cent. Ralf Engel sagt, dass sich seine Anlage dann nicht mehr rentiert und er zusperren müsste. Das stützt eine Berechnung des Nördlinger Landwirtschaftsamtes. Demnach liegen die Produktionskosten vieler Biogas-Anlagen im Nördlinger Ries im Schnitt bei 18 Cent pro Kilowattstunde Strom.
"Ich würde sehr gerne weitermachen, weil mein ganzes Herzblut steckt ja da drin! Sonst hätten wir ja nicht schon im Jahr 2000 angefangen, die Anlage zu bauen, aber leider ist für die kleinen Anlagen der Preis, der jetzt ausgegeben wird, nicht mehr wirtschaftlich!"
Ralf Engel, Biogas-Landwirt
Verband kritisiert geplante Gesetzesänderung
Das Bundeswirtschaftsministerium arbeitet zwar gerade an einer Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes. In einem ersten Entwurf bleibt es aber bei den eher niedrigen Einspeisevergütungen für den Biogas-Strom. Wenn sich politisch nichts ändert, fürchtet der Fachverband Biogas dass bis 2035 alle Biogas-Anlagen in Deutschland wieder verschwunden sein könnten – und das trotz der Energiewende und dem Atom- und Kohleausstieg. Der Verband fordert mehr Geld für den Biogas-Strom. Zurzeit kommen elf Prozent des bayerischen Stroms aus Biogas. Ein Hauptargument der Befürworter: Biogas lässt sich speichern und ist anders als Solar- und Windstrom auch nachts und bei Windstille verfügbar.
Mehr Geld durch Stromproduktion im Viertelstundentakt
Es gibt zwar Alternativen für Biogas-Bauern, aber deren Erfolg ist nicht immer sicher. In Dillingen versucht es Eduard Berchtenbreiter damit, seinen Strom extrem flexibel zu verkaufen – immer dann wenn der Preis an der Strombörse hoch ist. Dort wird im Viertelstundentakt gehandelt. Der Landwirt hat deshalb seine Biogas-Anlage umgerüstet, unter anderem mit einem großen Gasspeicher. Das hat rund 1,7 Millionen Euro gekostet. Bislang liegt der Mehrerlös durch das flexible Strom-Einspeisen aber nur bei 0,6 Cent pro Kilowattstunde, erhofft hatte sich Berchtenbreiter fast das Dreifache. Der Grund: Zusammen mit dem Strom aus fossilen Energieträgern ist ein Überangebot am Markt und der Preis an der Strombörse deshalb meist sehr niedrig.
Gülle als Chance für kleinere Biogas-Anlagen
Fast schon ungewöhnlich ist da der Plan von Landwirt Ulrich Bauer aus Schäfstall, einem Ortsteil von Donauwörth. Er plant einen größeren Kuhstall und will im Zuge dessen in die Biogas-Produktion neu einsteigen. Möglich macht das die Gülle. Denn nicht nur Mais auch die Hinterlassenschaften von Tieren können zu Strom gemacht werden. Die Biogas-Anlage von Ulrich Bauer würde eher kleiner ausfallen und mit bis zu 90 Prozent mit Gülle befüllt werden, die bei ihm ja sowieso da ist. Außerdem wird der verstärkte Einsatz von Gülle staatlich gefördert. Unterm Strich wäre Biogas damit ein zusätzliches Standbein zu seinem Milchviehbetrieb. Noch ist die Anlage nicht gebaut, aber die Genehmigung hat der Landwirt schon.
"Ich würde mal behaupten, dass es äußerst nachhaltig ist, wenn man das so macht! Die Gülle hat ja momentan einen ziemlich schlechten Ruf, aber so kann man noch aus der Gülle Strom produzieren und hat danach immer noch einen wertvollen Wirtschaftsdünger, mit dem man die Felder und Wiesen düngen kann."
(Ulrich Bauer, Landwirt)
Landwirt mit Nebenjob?
Ralf Engel aus dem Nördlinger Ries hofft unterdessen, dass die Bundesregierung die Gesetzesänderung doch noch überarbeitet. Ein Argument: Bei Strom aus Kohle oder Erdgas sind die Umwelt- und Klimaschäden kaum eingepreist. Die Kilowattstunde müsste eigentlich deutlich teurer sein. Das mache Biogas auch bei einer höheren Vergütung konkurrenzfähig. Sollte Ralf Engel seine Anlage schließen müssen, weil sie sich nicht mehr rentiert, ist der Landwirt gezwungen, sich einen Nebenjob zu suchen. Mit den 1.000 Mastschweinen im Stall und dem Ackerbau sei nicht genug verdient, um eine Familie zu ernähren.
Welche Rolle Strom aus Biogas im Energiemix künftig spielen soll, ist eine rein politische Entscheidung. Eine Entscheidung, die auch über die Zukunft vieler Landwirte im Nördlinger Ries entscheidet.