Mythos Psychologie Gedankenlesen auf der Couch?
Menschen verstehen und ihr Verhalten erklären, das lernt man in einem der begehrtesten Studienfächer überhaupt: Psychologie. Etwa 5.000 Studierende ergattern hierzulande jährlich einen Studienplatz. Ohne Abi zwischen 1,0 und 1,3 ist man aber chancenlos und muss ins Ausland gehen, oder auf eine private Uni ausweichen.
Von Überfliegern und steinalten Mythen rund ums Studienfach Psychologie
Vinzenz Wolf ist der Prototyp eines Psychologiestudenten: Abischnitt 0,8, er zieht das Studium in fünf Jahren durch (Regelstudienzeit ist sechs Jahre) und hängt jetzt noch den Bachelor in Musikwissenschaft dran. Sein Traumjob: Psychotherapeut an einem der großen deutschen Orchester.
"Wenn man länger Psychologie studiert, fühlt man sich irgendwie in einem Elfenbeinturm. Viele, die sehr gute Noten haben, setzten sich sehr kritisch mit der Gesellschaft auseinandersetzen und entwickeln einen Sinn dafür, wie eine Gesellschaft funktionieren sollte. Wenn man dann wieder in die normale Welt, die Nicht-Psychologenwelt kommt, dann ist das doch oft sehr anders. Ein Schock vielleicht."
Vinzenz Wolf
Mit einem der ältesten Mythen des Faches - Psychologen hätten meist selbst einen Hau weg und studierten nur um sich zu therapieren - kann Vinzenz nicht viel anfangen, auch wenn manche Kommilitonen therapeutische Erfahrung hätten.
Von Hellsehern und ihrem Notendruck
Svenja Küchenhoff will in die Forschung gehen und studiert im dritten Mastersemester Neuro-Cognitive-Psychology. Ein typisches Bargespräch für Psychologen laufe so:
Auch Svenja hat ein exzellentes Abitur und ist locker durch den Bachelor in Heidelberg gesurft. Sie hat sogar ein Jahr Erasmus in Barcelona eingeschoben. Den begehrten Masterstudienplatz in München hat sie nur deshalb bekommen, weil sie zuvor ein Forschungspraktikum gemacht hat und eine aussagekräftige Präsentation vorweisen konnte.
"Es ist ein hoher Druck, aber ich habe es nicht als Konkurrenzdruck empfunden. Trotzdem ist das Thema Noten ein heikles im Psychologiestudium. Leute wollten gar nicht wissen, welche Noten, die anderen haben. Auch ständiges Vergleichen kommt sehr häufig vor. Die Psychologie ist nicht kompliziert und schwierig, aber der Druck ist groß, dass man immer perfekte Leistungen abliefern muss."
Svenja Küchenhoff
Von Statistikern auf der Suche nach dem Seelenheil
Sydney-Rafael Häberer-Haydar ist Psychologiestudent an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Er studiert im dritten Bachelorsemester und staunt oft, wie anspruchsvoll das Studium ist, vor allem in den eher naturwissenschaftlich ausgerichteten Fächern Statistik, Methodik und Biologie. Statistik ist das Durchfallfach im Studium.
"Ich persönlich muss sagen, dass ich dieses Semester Statistik eins, zwei und drei schreiben muss, weil ich durch eins und zwei leider durchgefallen bin. Es ist ein sehr hartes Fach, aber es ist nicht schlimm, man muss dranbleiben, man darf keine Angst haben und wenn man das mal weiß, ist es gar nicht so schlimm. Nächstes Mal schaffe ich es."
Sydney-Rafael Häberer-Haydar
Inzwischen hat sich längst herumgesprochen, dass die Psychologie ein Fach an der Schnittstelle zwischen den Sozialwissenschaften, Geisteswissenschaften und den Naturwissenschaften ist.
Während bei den Begründern der modernen Psychologie, Sigmund Freud und Carl G. Jung, noch die Psyche im Vordergrund stand, ist längst das Gehirn ins Zentrum psychologischer Forschung gerückt. Und nur was methodisch und mathematisch nachweisbar ist, gilt als gesicherte Erkenntnis in der Forschung. Entsprechend systematisch werden die Studierenden ausgebildet.
"Wir wollen mit Psychologie etwas erreichen, wir wollen damit Menschen helfen, wir wollen Menschen verstehen, um ihnen helfen zu können und dadurch können wir keine Geisterwissenschaft sein. Wir müssen eine Naturwissenschaft sein, um dadurch zu zeigen: wir haben Fakten, wir wissen, was passiert und nur durch die Biologie und die Statistik können wir den Menschen helfen."
Sydney Häberer-Haydar
Von Psychotherapeuten & all den anderen tausend Möglichkeiten
Victoria Seegenschmiedt ist eine der wenigen Studierenden an der LMU, die per Losverfahren einen Platz für Psychologie ergattert hat. Sie ist ausgebildete zahnmedizinische Assistentin, schreibt derzeit ihre Bachelorarbeit und muss noch zwei Statistiklausuren nachschreiben. Ob sie dann einen der begehrten Masterplätze bekommt, hängt vor allem von ihren Noten ab. Die Konkurrenz ist groß und es gibt weniger Masterstudienplätze, als gebraucht werden.
Und doch ist Victoria zuversichtlich, dass sie all das meistern wird und nach dem sechsjährigen Studium die Ausbildung zur Psychotherapeutin beginnen kann. Noch heißt das on top zum Studium eine drei- bis fünfjährige Ausbildung an einer Psychotherapeutenschule machen zu müssen auf eigene Kosten mit bis zu 30.000 Euro. Doch schon ab nächstem Semester soll der Ausbildungsweg reformiert werden (Links zur Seite). Gut 60 Prozent der Studierenden wollen Psychotherapeuten werden, der Rest geht in die Forschung, Wirtschaft, an Schulen oder in die Forensik. Die Jobchancen für Psychologen sind exzellent, wohlverdient nach diesem arbeitsaufwändigen und anspruchsvollen Studium.