Aschura Schiitischer Trauertag, sunnitischer Fasttag
Aschura ist kein für alle Muslime verbindlicher Feiertag. Je nach Konfessionszugehörigkeit wird er sehr unterschiedlich und sogar an verschiedenen Tagen begangen: Während die Türken eine Süßspeise zum Gedenken an Noah kochen, geißeln sich in Bangladesch oder Pakistan Männer selbst, bis das Blut rinnt - und mit Noah hat das Ganze bei ihnen auch nichts zu tun, sondern mit dem Prophetenenkel Husain.

20. September
Donnerstag, 20. September 2018
Termin:
Aschura (von arabisch "zehn" = aschara) wird am 10. al-Muharram gefeiert, also 10 Tage nach dem islamischen Neujahr. Der islamische Kalender ist ein reiner Mondkalender; das Jahr ist im Vergleich zur christlichen Zeitrechnung 11 Tage kürzer. Aschura kann dadurch in jeder Jahreszeit stattfinden.
Die Bilder, die an Aschura durch die Presse gehen, sind oft recht grausam: Blutüberströmte Menschen, die sich selbst den nackten Rücken geißeln oder mit einem scharfen Schwert eine Wunde in der Stirngegend schlagen. Diese - in vielen Ländern verbotenen - Riten gehören zu den Passionsspielen, die schiitische Muslime zu Ehren der Schlacht von Kerbela (im heutigen Irak) abhalten. Husain, Enkel Mohammeds, den die Schiiten im Gegensatz zu den Sunniten als rechtmäßigen Nachfolger des Propheten betrachten, wurde bei der Schlacht getötet.
Die Schlacht von Kerbela:
Die Schlacht von Kerbela, die die endgültige Trennung von Sunniten und Schiiten besiegelte, fand nach islamischem Kalender am 10. des Monats Muharram 61 (nach christlicher Zeitrechnung im Jahr 680) statt.
Bei der Schlacht wurde - als Folge eines Aufstands - nahezu die gesamte Führerschaft der Schiiten, darunter Husain (auch: Hussein oder türkisch Hüseyin geschrieben), Enkel des Propheten Mohammed, getötet. Für Schiiten ist Husain seitdem ein Märtyrer. Er steht für den Kampf um Gerechtigkeit. Die Schiiten haben deshalb auch ein besonderes Verhältnis zum Märtyrertum.
Schiiten: Prozessionen und Passionsspiele
Aschura ist der wichtigste schiitische Feiertag; er ist als Tag der Trauer dem Gedenken an den Märtyrertod des Mohammed-Enkels Husain gewidmet.
Elemente der schiitischen Aschura-Feier:
Prozessionen
Passionsspiele
Erzählungen und Ansprachen
Bezeugung öffentlicher Trauer und Buße (Klagen, Weinen, Selbstgeißelungen, Schlagen mit der flachen Hand auf die Brust, Frauen tragen dunkle Kleidung und keinen Schmuck)
Wallfahrt nach Kerbela zu Husains Grabmoschee

Passionsspiele an Aschura
In schiitischen Ländern (Irak, Iran) gipfeln die Feierlichkeiten, die schon Tage vorher beginnen, am 10. des Monats Muharram in Prozessionen, Gesängen und Passionsspielen, bei denen vor allem die Leiden von Husain vorgetragen werden. Besonders bekannt für ihre Passionsspiele sind neben Kerbela und Nadjak im Irak auch der Iran und der indische Subkontinent.
Islamische Konfessionen
Sunniten: Freiwilliger Fasttag
Für die Mehrheit der Muslime, die Sunniten, ist Aschura ein fakultativer Fasttag. Moses soll am 10. Muharram gefastet haben, aus Dankbarkeit, dass den Israeliten die Flucht aus Ägypten gelungen war. Mohammed selbst hat den Tag als Fasttag eingesetzt - wahrscheinlich parallel zum jüdischen Jom Kippur. Als später der Fastenmonat Ramadan verbindlich wurde, verlor das Fasten an Aschura an Bedeutung.
Überlieferungen und Legenden:
Am 10. Muharram sollen eine Reihe von Ereignissen stattgefunden haben, unter anderem:
- die Schlacht von Kerbela
- die Errettung der Arche Noah
- die Errettung der Israeliten vor der Armee des ägyptischen Pharao
- die Errettung Abrahams, als er von Nimrod ins Feuer geworfen worden war
Aleviten: Fasten im Muharrem
Bei dem in Anatolien entstandenen Alevitentum ist das Fasten vom 1. bis zum 13. des Monats Muharrem (wie er auf Türkisch heißt) verbreitet; im Ramadan müssen Aleviten dagegen nicht fasten. Wie die Schiiten betrauern die Aleviten die Tötung Hüseyins, Selbstgeißelungen lehnen die Aleviten allerdings ab. Am 13. Tag - also einige Tage nach dem Aschura-Tag der Schiiten - wird eine Art süße Suppe, unter anderem aus verschiedenen Getreidesorten, gekocht ("Asure Corbasi").
Türken: Die Arche Noah und die Süßspeise Aschure
Aschure erinnert auch nicht-alevitische Türken zunächst an eine Süßspeise. Der Anlass ist allerdings ein anderer: Sie feiern am 10. Muharrem das Fest der Errettung der Arche Noah. Denn die Arche ist, so berichtet die Bibel, im Gebiet der heutigen Türkei am Berg Ararat gestrandet. Nach der Rettung kochten Noah und seine Familie ein Festessen aus den Lebensmittelresten. Darum bereitet man in der Türkei am 10. Muharrem eine spezielle Süßspeise - und zwar in großen Mengen, denn auch Nachbarn und Freunde sollen etwas abbekommen. Traditionell besteht "Aschure" aus 40 Zutaten, unter anderem Weizen, Bohnen, Erbsen, Reis, getrockneten Früchten, Nüssen, Gewürzen und Granatapfel. Es darf aber auch etwas weniger sein: Man sagt, dass Aschure mindestens sieben Zutaten enthalten und an mindestens sieben Freunde verteilt werden muss.