Passionsspiele Oberammergau Dreißig Silberlinge und bittere Tränen
Rote Haare, gelber Rock - so wurde Judas meistens dargestellt, damit das Publikum den Verräter sofort erkannte. Denn Gelb ist nicht nur die Farbe des Neides, sondern wird auch seit dem frühen Mittelalter den Juden zugeordnet. Damit kam der Antisemitismus auf die Bühne.
Gerade weil Judas in den Passionsspielen von Anfang an eine schlechte Figur abgab, war er für das Publikum stets besonders interessant. In den mittelalterlichen Passionsspielen hat Judas einen wesentlich wortreicheren Anteil am Bühnengeschehen als Jesus.
Verzweiflung oder Habgier?
In den frühen Passionsspielen bestand Judas' Sünde weniger im Verrat, als in seiner Verzweiflung darüber. Weil er sich selbst richtete und daher nicht an die göttliche Vergebung glaubte, musste er zur Hölle fahren. Doch bald rückte die Habgier in den Mittelpunkt des Geschehens - eine Eigenschaft, die auch den Juden bis ins 20. Jahrhundert pauschal unterstellt wurde.
So wird Judas zum Sinnbild des "verstockten", weil nicht zum Christentum bekehrbaren "ewigen Juden", der verantwortlich sei für den Tod Christi. Und so mutiert der Jünger Judas vor allem in den barocken Passionsspielen zur Hassfigur.
"Sein Blut komme über uns"
In der Aufklärung lichtet sich für kurze Zeit sowohl der Blick auf Judas als auch auf die Juden. Die Oberammergauer Rosner-Passion von 1750 verzichtete gänzlich auf antisemitische Aussagen - auch und gerade im Hinblick auf Judas. Doch schon im 19. Jahrhundert ist Schluss sowohl mit religiöser Toleranz als auch dem psychologischen Interesse an Judas und seinen Motiven.
Die Daisenberger-Passion von 1860 stellt, massenpsychologisch und dramaturgisch geschickt, die Empörung des Volkes in den Vordergrund. Doch die gipfelt in der Selbstbezichtigung "Sein Blut komme über uns und unsere Kinder!" (Mt 27,25). Die "Gottesmörder", das Volk Israel, verurteilen sich scheinbar selbst.
Der andere Verräter
Christian Stückl inszeniert, trotz zahlreicher massiver Änderungen, immer noch die Daisenberger-Variante. Die antisemitische Spitze nimmt er dem Stück mit einem dramaturgischen Kniff. Judas ist ja nicht der einzige Verräter in der Passionsgeschichte. Petrus verleugnet Jesus drei Mal, erklärt Stückls theologischer Berater Professor Ludwig Mödl:
"Mit dieser Schuld des Petrus beschäftigt sich das diesjährige Passionsspiel. (…) Stückl inszeniert den Verrat des Petrus und den des Judas parallel. Beide Figuren gehen unterschiedlich mit ihrer Schuld um: Judas verzweifelt (…). Petrus dagegen weint bitterlich. (…) Ihm wird der Verrat verziehen."