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Die Fron Kalksammler - ein Bild und seine Geschichte

Noch vor 100 Jahren sammeln Frauen im Isar-Winkel in mühsamer Tagelöhnerarbeit Kalksteine im Flussbett. Daraus wird Löschkalk gebrannt. In den schnell wachsenden Städten benötigt man Unmengen davon für den Hausbau.

Von: Ernst Eisenbichler

Stand: 03.04.2012 | Archiv

Ausschnitt aus dem Ölgemälde "Kalksteinsammlerinnen im Isarbett bei Tölz" (1883) von Joseph Wenglein | Bild: Bayerische Staatsgemäldesammlungen

Früher, bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts, konnte man im Isar-Winkel zwischen Mittenwald und Bad Tölz ganze Heerscharen von Frauen auf den Kiesbänken der damals noch wild fließenden Isar bei der Arbeit beobachten. In "Männerkleidung", nämlich in robusten Leinenhosen, suchten die sogenannten "Stoaklauberinnen" stundenlang in gebückter Haltung das Flussbett ab: nach Kalksteinen. Der Münchner Maler Joseph Wenglein hielt diese Fron auf einem Bild fest. Sein Gemälde "Kalksteinsammlerinnen im Isarbett bei Tölz" von 1883 hängt in der Neuen Pinakothek in München.

Baustoff aus den Kalkalpen

Isarquelle, Steine im Bachbett | Bild: Klaus Knirk zum Artikel Der Stein Bunte Kieselwelt vom Ursprung bis zur Mündung

Die Isar hat ihren Ursprung in den Kalkalpen des Tiroler Karwendel. Im Flussbett finden sich aber nicht nur Kalkkiesel, sondern ein ganzes Sammelsurium an Gesteinsarten. Einige stammen aus ziemlich weit entfernten Gegenden. [mehr]

Kalk war ein wichtiger Grundstoff, etwa zur Herstellung des Mörtels für Gebäude. In den Städten war man damals kräftig am Bauen, vor allem in München. Nach der Erhebung Bayerns zum Königreich 1806 wurde die Hauptstadt großzügig erweitert, nicht nur durch die berühmten Repräsentativbauten der Regenten, auch durch Wohnhäuser. Nun fügt es sich, dass die Isar ausgerechnet in den Kalkalpen entspringt. In ihrem Geschiebe brachte sie also auch das begehrte Rohgestein mit. Man musste es nur noch herausholen.

Harte Frauenarbeit

Nur herausholen? Leicht gesagt. Die Kalksteinsammlerei war eine äußerst mühsame Tagelöhnerarbeit, überdies miserabel bezahlt. Auch die "Stoaklauberinnen" erzählen ein Kapitel aus der Geschichte der Ausbeutung durch Arbeit. Ihre Ernte wurde in Wagen weggebracht und landete in einem der Dutzenden Kalköfen entlang der Isar. Jeweils etwa 20 Kubikmeter Weißkalk füllte man in die sechs Meter hohen Brenner.

Die Kalkbrenner

Einer der steinernen Riesen am Isar-Ufer: Kalkofen in Bad Tölz um 1900.

Danach begann die nicht weniger anstrengende Arbeit der Männer: Sie brannten die Steine bei etwa 1.000 Grad Celsius. Um diese Temperatur zu erreichen, hatten sie das Feuer, das Unmengen an Holz verschlang, zuvor fünf Tage lang schüren müssen. Nach dem Auskühlen wurden die Steine mit Wasser übergossen, der Löschkalk war hergestellt. Auf Isar-Flößen transportierte man ihn anschließend zum Bestimmungsort.


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