Unternehmen - Schwerpunkte


4

Lohnt sich das? Generation Wohnkrise Wirtschaft trifft Unterhaltung – neue Dokuserie wagt Spagat

Mit der neuen ARD-Dokuserie “Generation Wohnkrise. Lohnt sich das?” hat der Bayerische Rundfunk Neuland betreten: Wirtschaftsjournalismus, der nicht nur informiert, sondern auch unterhält. Ein Blick hinter die Kulissen der Produktion – mit all ihren Herausforderungen, Aha-Momenten und kuriosen Zwischenfällen. Sechs Schritte zum fertigen Format.

Von: Anna Ellmann, Regisseurin

Stand: 18.03.2025

Keryvisual Wohnt sich das? | Bild: BR

1. Die Idee hinter der Doku-Serie 

Auf unserem YouTube-Kanal Lohnt sich das? berichten wir regelmäßig über Finanzen, Gehälter und Lebensrealitäten junger Menschen. Dabei wurde schnell klar: Das Thema Wohnen bewegt unser Publikum wie kaum ein anderes. Viele junge Menschen leben inzwischen  lange bei ihren Eltern, weil die Mieten unbezahlbar sind, und ein eigenes Haus? Für die meisten schlicht utopisch. 

Drehsituation mit Schauspieler Ralph Caspers

Aus unseren Kommentaren wussten wir: Das Thema ist wichtig – gleichzeitig gibt es schon viele Dokus dazu. Wie können wir uns da absetzen? Unsere Antwort: authentische Menschen, die offen über ihre Finanzen sprechen, kombiniert mit Spielszenen – ähnlich wie in The Big Short. Wir wollten ein Format, das komplexe wirtschaftliche Zusammenhänge anschaulich und unterhaltsam vermittelt. Für unser kleines Team hatten wir uns damit hohe Ziele gesteckt – umso schöner, dass unser langjähriger Partner, die Wirtschaftsredaktion des HR als Partner mit ins Boot kam. Damit war die Grundlage für eine intensive Recherche- und Konzeptphase gelegt.  

2. Ein prominentes Gesicht als Anker 

Eine unserer zentralen Überlegungen war: Wer kann das Publikum durch dieses Format führen? Ein Schauspieler, dessen Figur völlig neu für unser Publikum ist – oder ein bekanntes Gesicht? Nach intensiver Abwägung entschieden wir uns für die zweite Option und holten Ralph Caspers ins Boot. 

Was wir damals noch nicht wussten: Ralph ist nicht nur Kult, sondern passt auch richtig gut zu uns. Er ist klug und humorvoll! Das hat unsere Skriptarbeit enorm bereichert. Er war von Anfang an begeistert und hat so das Format entscheidend mitgeprägt – nicht zuletzt durch seine pointierten Anmerkungen zu den Drehbüchern. 

3. Vom Faktenskript zum Drehbuch

BR-Redakteurin Anna Siefert, BR-Volontärin Laura Pickert und BR-Redakteurin Antonia Böhm (von links)

Unsere Drehbucharbeit war klar durchstrukturiert. Die Autoren, die verantwortlich für die Reportageteile waren, erstellten ein reines Recherche-Skript, das sämtliche wirtschaftlichen Zusammenhänge dargestellt hat – noch völlig frei von Humor oder visueller Umsetzung. Erst danach übernahmen unsere Comedy-Autoren die Aufgabe, aus den trockenen Fakten unterhaltsame Szenen und Dialoge zu entwickeln. 

Parallel entstand mit viel Selbstironie die fiktionale Rahmenhandlung: Ralph Caspers sitzt in einem eingestaubten Büro in den Katakomben der ARD – ein Relikt vergangener Zeiten, direkt neben dem Archiv. Hier versucht er, Licht ins Dunkel der Wohnkrise zu bringen. Eine Story, die nicht nur als roter Faden dient, sondern Platz für Running Gags und skurrile Situationen lässt. Für alle Sketche haben wir Edit-Runden veranstaltet – so konnten wir schnell identifizieren: Was ist zu kompliziert? Welcher Vergleich hinkt? Und was können wir umsetzen oder was ist vielleicht auch zu aufwändig. Den Schluss bildete ein Faktencheck des Hessischen Rundfunks, der nochmal kritisch auf unsere Zuspitzungen geblickt hat.  

4. Dreharbeiten zwischen Nostalgie und Improvisation 

Laiendarsteller Rudi Breiteneicher und Regisseurin Anna Ellmann

Besonders spannend war die Umsetzung innerhalb der BR-Strukturen. Gedreht haben wir in einem alten Wirtschaftsredaktionsbüro in Haus 11 in Freimann, das ohnehin umgebaut werden sollte. Wir haben kurzerhand die Wände gestrichen, alte, bereits vorhandene VHS-Kassetten als Requisiten genutzt – und vor allem gemerkt, wie viel Freude die Eigenproduktion von modernen Inhalten dem gesamten Team gemacht hat. 

5. Unplanbare Zwischenfälle

Kein Dreh ohne unerwartete Zwischenfälle – und unsere Produktion war da keine Ausnahme. So hatten wir eine Wand vergessen zu streichen. Als wir Montagmorgen ans Set kamen, war sie plötzlich trotzdem gelb – bis heute wissen wir nicht, wer das erledigt hat (Danke, falls der anonyme Maler das hier liest!)

Altes Faxgerät

Auch das Reinigungspersonal war während des Drehs eifrig dabei: Requisiten wurden versehentlich entsorgt – irritiert reagierten die Kollegen als man ihnen versicherte “wir brauchen diesen Papiermüll dringend noch.” Improvisierte Türme aus Klopapier wurden kurzerhand wieder abgebaut.

Und dann war da noch das Faxgerät, das Ralph in einer Szene benutzt – ein echtes BR-Fax aus vergangenen Zeiten. Woran wir nicht gedacht hatten? Der Toner war nach ein paar Takes leer. Aber: Hier hat schnell das ganze Haus zusammengeholfen und via Teams-Hilferuf im Funkhaus noch ein baugleiches, funktionsfähiges Fax gefunden.   

6. Wirtschaftssketch trifft harte Realität 

Und dann blieb uns noch die Herausforderung sehr genau geskriptete und eng mit den Reportagen verflochtene Wissenssketche mit der Wohnrealität unserer Protagonisten zusammenzubringen. Denn: Im Laufe der Monate hat sich natürlich auch die Situation unserer Protagonisten verändert.  Und so mussten wir bis zum Schluss des Filmes noch an Off-Text und Übergängen arbeiten. Denn nicht nur einmal war ein anfangs witzig-bissiger Gag leider bittere Realität unserer Wohnungssuchenden geworden. Und last but not least löste sich auch während unserer Produktion die Regierung auf und zum Beispiel die Verlängerung der Mietpreisbremse wurde (vorerst) nicht mehr im Bundestag beschlossen. 


4