Gipfelziele in der rauen Wildnis des Weißkamms Hochtouren um die Rauhekopfhütte
Zwei Wochen lang war Georg Bayerle ehrenamtlicher Hüttenwirt auf der 2731 Meter hoch gelegenen Rauhekopfhütte im hintersten Kaunertal – letzte Woche hat er uns ja davon erzählt, wie diese zwei Wochen auf der Hütte waren. Bei großen Gletschertouren in den Ötztaler Alpen, zwischen Wildspitze und Weißkugel, bleibt die Rauhekopfhütte oft links liegen.
Dabei steht das 1888 erbaute Schutzhaus auf einem herausragenden Platz und wird in einem weiten Bogen von der Gletscherzunge des Gepatschferners umflossen. So führt auch schon der Aufstieg zur Hütte über den Gletscher. Auch das ist mit ein Grund dafür, dass hier nicht besonders viel los ist. Eigentlich zu Unrecht, denn die Gegend ist außerordentlich schön und abwechslungsreich - und Hochtouren um die Rauhekopfhütte sind wirklich lohnend.
Jeder, der wie Josef auf der Hütte auf 2731 Meter Höhe ankommt, ist beeindruckt: Imposant führt die Aufstiegsroute auf blankem Eis hoch über das wie ein gewaltiges Maul aufgerissene Gletschertor, durch das eine Woge milchig braunen Schmelzwassers strömt. Es ist ein Schauspiel, wie es überall auf der Eisfläche rinnt und rieselt und wie die blauen Seracs im Eisbruch fast schon unwirklich über den Köpfen in den blauen Himmel ragen. Unmittelbar und direkt ergreift die Wucht und bizarre Schönheit jeden, auch diejenigen, die als Alpinisten durchaus vertraut mit solchen Landschaften sind. Drei Augsburger haben eine stramme Rundtour unternommen vom Gepatschhaus zum Brandenburger Haus und über den Fluchtkogel zur Rauhekopfhütte. Teile der Tour führen mittlerweile über aperes Gelände. Wo das Eis wegschmilzt, bricht das Urgestein auseinander. Der klassische Übergang über das Gepatschjoch ist in dauernder Bewegung.
Der Gepatschferner über der Rauhekopfhütte dagegen ist an sich eher flach und vermittelt mit den entfernt aus dem Eis aufragenden Bergspitzen bis zur Weißkugel ein fast antarktisches Bild. Aber auch der häufig aufgeweichte, passenderweise „Im Sumpf“ genannte Gletscherboden birgt die Gefahr von Spaltenstürzen. Spaltenberührung haben auch die, die auf den leichten Hüttenklassiker, die knapp 3500 Meter hohe Weißseespitze am Westende des Gepatschferners an der Grenze von Tirol zu Südtirol aufsteigen.
Ein ganzes Netz möglicher Wege zieht sich um die Rauhekopfhütte zusammen. Rau sind viele dieser Wege, besonders die Übergänge wie das Gepatschjoch zur Vernagthütte oder das Wannetjoch zum Taschachhaus. Es ist die wilde, alpine Seite des vom Ötztal aus viel bekannteren und häufig begangenen Weißkamms mit seinen Tiroler Paradegipfeln. Doch der ungestüme Charakter und die dazu passende, urwüchsige Rauhekopfhütte haben einen ganz speziellen Reiz, zumal die Hütte im 14-Tages-Rhythmus von ehrenamtlichen Teams bewartet wird und damit eine Art Urzelle des Alpenvereinsgedankens ist.
Abends wird auf dem Holzofen gekocht und wenn dann alle bei Kerzenlicht in der Stube hocken, stellt sich ein besonderes Gemeinschaftsgefühl ein. Viel mehr noch als an anderen Orten spürt man hier, was es heißt, derart ausgesetzt im Hochgebirge geborgen zu sein. Nicht umsonst leitet sich der Name des Gepatschferners, des nach der Pasterze zweitgrößten Gletschers Österreichs, vom romanischen „compaccio“ ab, was so viel bedeutet wie „karges Feld“.
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Karte: Rauhekopfhütte