Laub im Licht Alte Bäume im Hintersteiner Tal
In einer Welt, in der fast nur noch der ökonomische Nutzen zählt, sind uralte Bäume buchstäblich aus der Zeit gefallen. Doch in abgelegene Bergtäler ist das übliche Kosten-Nutzen-Denken manchmal zum Glück noch nicht vorgedrungen.
Wo sonst jeder Quadratmeter und jeder Kubikmeter Holz zählt, gelten hier andere Gesetze. Sichtbar wird das auch an seltenen Baumriesen, die gerade an den extremsten Standorten und unter schwierigsten Lebensbedingungen überdauern. Bei einem Streifzug durch das Hintersteiner Tal im Allgäu sind besonders viele alte Baum-Methusalems zu entdecken. Sie bilden die unwahrscheinlichsten Formen aus, sind aber auf keiner Karte verzeichnet. Ihren Standort kennen nur die wenigen Menschen, die mit ihnen zu tun haben, wie zum Beispiel Karl Kleiter, Forstchef im Oberallgäu. Für ihn stellen die mehrere Jahrhunderte alten Bäume ganz besondere Geschöpfe dar.
Gar nicht weit entfernt vom beliebten Alpweg zur Engeratsgundalpe steht eine 40 Meter hohe Fichte am Bergbach. Ihr Samen ist vor vielleicht 200 oder 300 Jahren auf einem Felsbrocken aufgegangen, den der Baum inzwischen wie mit einer riesigen Lippe überlappt. Die Wurzeln haben sich wie im tropischen Regenwald zu Brettwurzeln entwickelt, um diesen Baumriesen zu stabilisieren. In den Höhlungen des Wurzelstocks findet der Förster Haare von einem Fuchs, der dieses natürliche Versteck als Behausung nutzt.
Weiter oben am Steilhang ragt wie ein Solitär die größte Tanne des Allgäus auf. Sie hat über 300 Jahre auf der Rinde und einen Umfang von mehr als sechs Metern. Auf der Bergseite aber zeigt sie sich angeschlagen. Die Wunden von Steinschlag oder Lawinen hat der Baum nicht mehr mit neuer Rinde überwallen können. Eine der mächtigen Wurzeln beginnt zu faulen. Noch wirkt die Tanne mächtig und kraftvoll, aber der Überlebenskampf am Berg hat tiefe Spuren hinterlassen.
Diese einzigartigen Geschöpfe sind nicht besonders geschützt. Nur die Ehrfurcht derer, die mit ihnen zu tun haben, bietet einen gewissen Schutz - und das ist vielleicht ohnehin der beste Schutz. Seit vielen Generationen haben die Forstleute diese Methusalems verschont. Es dürfte im 17. Jahrhundert gewesen sein, als Alphirten auf einem weitläufigen Wiesenboden am Schwarzenberg unterhalb des Großen Daumen die Bergahornbäume stehen ließen, die nun einen der schönsten Ahornböden Bayerns bilden. Bis zu zehn Meter Umfang haben die mächtigsten dieser knorrigen, in alle Richtungen verdrehten und von zahlreichen anderen Gewächsen belebten Bäume. Sie strahlen eine besondere Beharrungskraft und Ruhe über die Zeiten aus - ein Dasein, das so ganz anders ist, als die täglich aufgeregte, hektische Gegenwart, in der wir leben.
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Karte: Hinterstein