Leben mit Rheuma Ein Tag in der Kinder- und Jugendrheumatologie
Über 25.000 Kinder und Jugendliche in Deutschland leiden an Rheuma. Wie dramatisch und belastend ist die Krankheit für sie? Wie sehen Diagnostik und Therapie aus? Und wie lässt sich ihr Leben erleichtern? Ein Tag im Deutschen Zentrum für Kinder- und Jugendrheumatologie in Garmisch-Partenkirchen.
Der zehnjährige Valentin leidet an Dermatomyositis, einer eher seltenen Rheumaerkrankung. Mit seiner Mutter Sabine kommt er mehrmals im Jahr ins Deutsche Zentrum für Kinder und Jugendrheumatologie nach Garmisch-Partenkirchen.
Spezielklinik für junge Rheuma-Patienten
Er konnte nicht mehr ins Auto einsteigen. Dazu kamen Flecken auf der Haut, ein eigenartiges Gittermuster. Sein Zustand verschlechterte sich innerhalb von drei Wochen rapide. Der Weg nach Garmisch-Partenkirchen glich für die Familie aus Österreich einer Odyssee.
"Ich bin mit einem gesunden Kind ins Spital. Nach drei Wochen konnte sich Valentin weder umdrehen, noch aufsetzen, nicht schlucken. Dann sind wir über die Deutsche Rheuma-Liga auf den österreichischen Rheumalis-Verein gestoßen und haben dort die Info gekriegt, dass es in Deutschland eine Klinik gibt, die darauf spezialisiert ist. Dann haben wir alles drangesetzt, dass wir hierherfahren konnten. Wir kommen jetzt seit fünf Jahren immer wieder in die Klinik und fühlen uns bestens aufgehoben."
Sabine, Valentins Mutter
Für jeden Patienten wird hier ein individuelles Therapieangebot zusammengestellt. Denn jede Rheumaerkrankung ist anders.
Juvenile Dermatomyositis: Muskulatur und Haut betroffen
Im Gegensatz zum klassischen Rheuma, bei dem sich die Gelenke entzünden, sind bei der juvenilen Dermatomyositis die Muskulatur und die Haut betroffen. Bei Valentin war eine ausgeprägte Muskelschwäche sowohl am Rumpf wie auch an den oberen und unteren Extremitäten vorhanden. Jetzt sind nur noch die Rumpfmuskulatur, die Ellenbogen und die Sprunggelenke seine Schwachstellen.
Wie es ihm aktuell geht, untersucht der Kinderrheumatologe und ärztliche Direktor Prof. Haas. Er prüft anhand unterschiedlicher Tests die Muskulatur und die Beweglichkeit der Gelenke bei Valentin.
Medikamente regelmäßig anpassen
Bei Valentin hat sich im Laufe der Zeit zusätzlich eine Gelenkentzündung am Ellenbogen entwickelt, die erfolgreich mit Kortison behandelt wurde. Jetzt heißt es für ihn: Physiotherapie und Sport machen.
"Denn die Muskulatur hat natürlich unter diesen Entzündungen und auch der wenigen Beweglichkeit, den Gelenksentzündungen etwas gelitten. Die muss man jetzt wieder auftrainieren."
Prof. Dr. med. Johannes-Peter Haas, Kinderrheumatologe, Deutsches Zentrum für Kinder- und Jugendrheumatologie
Viele kleine Schritte der Therapie: Valentin bekommt seine Medikamente, Immunglobuline, jetzt in größeren Abständen. Vielleicht kann er sie im nächsten halben Jahr sogar ganz weglassen. Denn: Die Immunglobuline dämpfen die autoimmune Aktivität des Körpers, die durch Entzündungen entsteht. Da sich Valentins Muskelkraft deutlich verbessert hat, braucht er jetzt weniger Immunglobuline. Infusionen und Medikamente werden regelmäßig dem aktuellen Zustand des kleinen Patienten angepasst.
Bewegungsanalyse im High-Tech Labor
2.000 stationäre Patienten werden in der Kinder-Rheumaklinik in Garmisch-Partenkirchen jedes Jahr betreut. Bei Valentin folgt nun eine Bewegungsanalyse. Sportwissenschaftler Matthias Hartmann will dabei herausfinden, wie sich Valentins Gelenke unter Belastung verändern.
"Bei einem Rheumapatienten schauen wir grundsätzlich erst mal, wie schnell ist der Patient gegangen, wie breit waren seine Schritte. Zusätzlich schauen wir uns noch die Kraft-Parameter an. Das heißt: die Leistung und Drehmomente in den Gelenken. Valentin hatte mit der Kraft in den Sprunggelenken und in den Knien etwas Defizite. Da sind diese Parameter bei uns sehr wichtig."
Matthias Hartmann, Sportwissenschaftler, Deutsches Zentrum für Kinder- und Jugendrheumathologie
Das High-Tech Labor in der Klinik ist einmalig in Deutschland. Bei der 3-D-Analyse erkennt der Sportwissenschaftler Bewegungseinschränkungen und Fehlbelastungen der Kinder. Bei Valentin hat sich die Beweglichkeit im Kniegelenk in den vergangenen vier Jahren sehr verbessert.
Mit Physiotherapie gegen Bewegungseinschränkungen
Physiotherapeutin Yvonne Kaes kümmert sich an der Klinik um die kleinen Patienten und ihre Bewegungseinschränkungen. Wenn Valentin die Füße hochzieht, kommt er mit dem linken Fuß etwas höher als mit dem rechten.
Bei allen Kindern ist das Ziel: die volle Beweglichkeit wieder herzustellen und Schonhaltungen zu verhindern. Ob Wärme oder Massagen: Valentins Mutter lernt hier auch, wie sie ihren Sohn zu Hause unterstützen kann.
Besser Schreiben dank Ergotherapie
Und auch die Ergotherapie ist ein wichtiger Baustein. Therapeutin Veronika Bartl hat heute Schreibhilfen zum Testen mitgebracht. Denn: Valentins Arm- und Handmuskulatur wurden durch die Dermatomyositis geschädigt. Er kann den Druck beim Schreiben schlechter dosieren. Deswegen schreibt er mit einem Aufsatz.
Auch bei spielerischen Aktivitäten mit Knete trainiert Valentin seine Gelenke.
Die Klinikschule: Lernen in der Klinik
In der Klinik wird aber nicht nur therapiert, hier wird auch gelernt: Die klinikeigene Schule hilft Schwierigkeiten wie krankheitsbedingte Fehlzeiten oder verpassten Unterrichtsstoff in der Stammschule zu vermeiden. Die meisten Kinder gehen gerne dorthin, so wie Valentins neuer Freund Jura.
Jede Unterrichtsstunde endet mit einem Spiel – das verbindet. Hier fühlt sich niemand ausgeschlossen.
Entspannung und Action im Snoezelen Raum
Die nächste Station für Valentin ist der sogenannte Snoezelen Raum - hier gibt es normalerweise Entspannungsrunden und Phantasiereisen. Doch Valentin braucht Action. Deswegen hat sich seine Therapeutin Yvonne einen Lauf-Parcours für ihn ausgedacht. So trainiert er im Spiel seine Muskulatur.
Valentins Zustand hat sich in den letzten Jahren richtig verbessert. Damit gehört er zu dem Drittel der Dermatomyositis – Patienten, die ganz gesund werden könnten - dank der Fortschritte in der Kinder- Rheumatologie.
Dem Körper wieder vertrauen
Valentin hat sportliche Ziele – er will Basketball oder Tennis spielen. In der Klinik kann er klettern. Physiotherapeutin Ann-Kathrin Wiggers begleitet ihn dabei.
"Damals ist er an den kleinen Wänden nicht hochgekommen, da hat die Kraft noch gefehlt. Es geht hier auch um die Motivation und einen Anreiz, sich wieder zu bewegen, dem Körper zu vertrauen, Pump-Stabilität aufzubauen. Bei den Bewegungseinschränkungen hat ihm das Klettern auch gut geholfen."
Ann-Kathrin Wiggers, Physiotherapeutin, Deutsches Zentrum für Kinder- und Jugendrheumathologie
Eine chronische Erkrankung ist für jedes Kind belastend: körperlich wie psychisch. Ausgleich zu dem doch anstrengenden Klinikalltag bieten den Kindern Spielrunden mit den neu gewonnenen Freunden auf dem Spielplatz.