BR Fernsehen - Kontrovers

Frauen in der rechten Szene

Braun und weiblich Frauen in der rechten Szene

Stand: 12.12.2014

Eine Anhängerin der rechtsextremen NPD nimmt am 11.09.2011 auf dem Alexanderplatz in Berlin an einer Kundgebung teil.  | Bild: picture-alliance/dpa; Bearbeitung: BR

Überkommene Frauenrollen wie das Heimchen am Herd haben bei Neonazis immer noch Hochkonjunktur. Inzwischen bringen sich rechtsextreme Frauen aber auch politisch ein. Emanzipation ist aber nicht wirklich ein Thema.

Von Kai Brinckmeier

Die rechtsextreme Szene gilt als männerdominiert, gewalttätig und brutal. Selten geraten daher Mädchen und Frauen mit einer entsprechenden Gewissung in den Blick. Seit das NSU-Mitglied Beate Zschäpe in München vor Gericht steht, setzt sich in breiten gesellschaftlichen Kreisen die Erkenntnis durch, dass auch Frauen rechtsextrem sein können. In der Szene nehmen sie aber ganz verschiedene Rollen ein.

Braune Schwestern - "Arterhaltung" und Stimmenfang

Bereits in den 1990er-Jahren gerieten weibliche Angehörige der rechtsextremen Szene in den Blick von engagierten Forscherinnen wie der Journalistin Andrea Röpke.

"Die Rolle der Frauen wurde in den letzten Jahrzehnten unterschätzt, weil sie als Heimchen am Herd oder als unpolitische Freundin eines Skinheads wahrgenommen wurden. In den Medien und auch der breiten Öffentlichkeit wird immer davon ausgegangen, dass Frauen in die Szene nur reinrutschen, weil sie die Freundin eines Rechten sind."

Andrea Röpke

Demnach falle es schwer, so Röpke, sich einzugestehen, dass Frauen genauso fanatisch wie Männer agieren und die Strategien neonazistischer Gruppierungen ganz bewusst mittragen. Rechtsextreme Frauen entwickeln diese Strategien auch weiter, indem sie eigene Ansprüche und Forderungen stellen, sagt Reinhard Koch, Leiter der Arbeitsstelle "Rechtsextremismus und Gewalt" in Braunschweig.

Zahlenspiele

Genaue Angaben über den Anteil von Frauen in der rechtsextremen Szene existieren nicht. Schätzungen von Wissenschaftlern aus den 2000er-Jahren sehen etwa drei bis fünf Prozent an rechtsextrem motivierten Gewalttaten beteiligt. Mit 20 bis 30 Prozent ist ihr Anteil in organisierten Strukturen wie zum Beispiel Parteien dagegen deutlich größer. Ähnlich hohe Anteile gelten demnach auch für locker strukturierte Cliquen und Gruppen. Es liegt aber die Vermutung nahe, dass die entsprechenden Dunkelziffern deutlich größer ausfallen. Laut Renate Bitzan von der Fachhochschule Nürnberg spiegelt sich dieses 1/3-zu-2/3-Verhältnis auch im Wählerverhalten der Geschlechter: Rechtsextreme Parteien werden zwar noch überwiegend von Männern gewählt, die Frauen holen aber auf.

Tischsprüche, Arterhaltung und Brauchtumspflege

Die Rollenverteilung ist in der rechtsextremen Szene im Prinzip klar geregelt: Die Gleichstellung von Mann und Frau wird als ein weiteres - negatives - Ergebnis der verhassten modernen und pluralen Gesellschaftsordnung abgelehnt. Die Frau übernimmt die Rolle, die ihr von Natur aus gebührt - Familie, Umwelt, Naturheilkunde, "Arterhaltung" - Ziel ist die Erhaltung und Pflege der "deutschen Volksgemeinschaft". Dazu gehören Fragen der Gesundheit und der richtigen Ernährung, die Erziehung der Kinder, die Unterstützung des Mannes als Kämpfer für die "politische Wahrheit" und die Vermittlung "deutschen" Brauchtums. Die "Gemeinschaft Deutscher Frauen" zeigt, wie man zu Weihnachten einen Julbogen bastelt und sorgt mit Tischsprüchen wie "Schwarzbrot und Freiheit sind bessere Gaben als Knecht zu sein und Braten zu haben!" für familiäre Besinnlichkeit.

Weihnachtsplätzchen und Stimmenfang

Weibliche Führungsfigur in der rechten Szene: Maria Fank, Funktionärin der NPD-Unterorganisation "Ring Nationaler Frauen"

Doch dieses traditionelle Bild der Frau ist im Wandel. Denn einerseits besetzen Neonazis inzwischen auch solche Themenfelder wie Umweltschutz, Familie und Soziales oder Kulturpolitik. Damit entsteht automatisch eine Schnittmenge mit den Lebenswelten von Frauen, die sich nun auch politisch aktiv einbringen und auf Stimmenfang gehen: Der "Ring Nationaler Frauen" (RNF), die Frauen-Unterorganisation der NPD, versucht es etwa mit den Themen Vereinbarkeit von Beruf und Familie und Benachteiligung von Frauen bei der gesetzlichen Rente. Pathetisch wird es hingegen bei dem Gedenken an Erich Priebke, 2013 verstorbener ehemaliger SS-Hauptsturmführer und verurteilter Kriegsverbrecher.

Last but not least erfüllten die Damen des RNF dann doch noch die ihnen traditionell zugedachte Rolle und verteilten Weihnachtsplätzen in der Erfurter Innenstadt.

Nazi-Couture als Lockmittel

Andererseits hing bzw. hängt die Einsatzbereitschaft für die Szene auch von der jeweiligen Subkultur ab: Ist sie attraktiv für junge Mädchen und Frauen, sinkt die Hemmschwelle, aktiv zu werden. Dabei spielt die Möglichkeit, sich modisch zu kleiden, eine große Rolle, sagt Koch. Und so hat inzwischen jeder Neonazi-Versandhandel diverse Produkte für Frauen und Kinder im Sortiment: Vom T-Shirt mit dem Aufdruck "Stolze Wotans Tochter" über Unterwäsche mit der Code-Zahl "88" (zwei Mal der achte Buchstabe im Alphabet, das H, bedeutet: "Heil Hitler") bis hin zum Kinder-Shirt "kleiner Germane". Entsprechend ausgestattet mietet die moderne Neonazi-Aktivistin Räume an, unterstützt inhaftierte Mitstreiter, läuft bei Demonstrationen und Aufmärschen mit dem Fronttransparent vorneweg oder engagiert sich beim "Braunen Kreuz", dem "nationalen Sanitätsdienst" der rechten Szene.