BR Fernsehen - Sehen statt Hören


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Taubblind Wie Andrea, Bianca und Lucas kommunizieren

Was passiert, wenn - wie bei taubblinden Menschen - die wichtigsten Kommunikationssinne des Menschen stark beeinträchtigt sind? Wie kann man sich Taubblindheit vorstellen? Und wie gelingt es hörsehbehinderten Personen, sich untereinander und mit ihrer Außenwelt zu verständigen und im Alltag gut zurecht zu kommen?

Stand: 03.01.2025

Lucas, Bianca und Andrea sind taubblind. Wichtigste Sinne können sie nicht nutzen, um mit anderen zu kommunizieren. Was Nicht-Betroffene oftmals nicht wissen: Es gibt vielfältige andere Kommunikationsformen mit denen sich taubblinde Menschen sehr gut verständigen können.

Lucas

Lucas ist selbstbewusst. Und sehr kommunikativ – und das, obwohl der 25-Jährige taubblind ist. Für ihn macht es keinen Unterschied, ob er mit Hörenden, Gehörlosen oder Taubblinden kommuniziert. Denn er nutzt viele verschiedene Wege sich auszutauschen. „Ich beherrsche die Deutsche Gebärdensprache, DGS. Ich gebärde taktil, ich lorme und ich nutze Body Signs. Darüber hinaus ist mein Smartphone mit dem Braille-Computer verbunden - für Mails, für WhatsApp, für SMS und auch für Zoom.“

Bianca

Auch Bianca ist taubblind. Die 33-Jährige ließ sich trotz der niederschmetternden Diagnosen, die ihre die Ärzte in ihrer Kindheit stellten, nicht bremsen. Auch jetzt nicht, da sich ihre Sehkraft immer mehr verringert. „Ich hatte früher ganz viele Berufswünsche. Ich wollte Zahnärztin werden, Tierärztin, Lehrerin, Künstlerin - und ich wollte Boss sein. Jetzt bin ich seit eineinhalb Jahren selbständig, was mich sehr freut - im Bereich Gesundheit - und kann Menschen helfen und unterstützen, als ganzheitlicher Gesundheitscoach.“ Sie stößt in gewissen Situationen an ihre Grenzen, gibt sie zu – doch dann lernt sie immer wieder andere Kommunikationsformen. Nicht ganz einfach für sie, doch mit viel Übung und Geduld findet sie sich gut zurecht.

Andrea

Andrea ist 31 Jahre alt. Dass sie gehörlos ist, wurde bereits festgestellt, als sie ein Kleinkind war. Ihre Augen haben sich nach und nach verschlechtert – bis heute lässt die verbliebene Sehkraft immer noch nach. Sie ist eine mutige junge Frau, ihr Appell an andere taubblinde Menschen lautet: Seid nicht ängstlich, öffnet euch! Und die Botschaft an die Mitmenschen? Ist auch klar: Geht auf Taubblinde zu und fragt. Nur durch Gespräche, durch den Austausch, bauen sich Barrieren ab und Ängste verschwinden.

Kommunikationsmöglichkeiten für Taubblinde

Taubblinden-Assistenz

Die Taubblinden-Assistenten sind nicht nur Begleiter, sondern meistens auch Dolmetscher für taubblinde Menschen. Wenn jemand spricht, übersetzt die Assistenz – meist durch taktile Gebärden – damit die Kommunikation auch auf Veranstaltungen, Terminen oder Treffen funktioniert.

Taktiles Gebärden

Beim taktilen Gebärden werden die Hände während des Gebärdens aufeinandergelegt, sodass der taubblinde Mensch die Gebärde erfühlt. Lucas erklärt: „Taktil ist total wichtig für mich als taubblinder Mensch. Ich muss den anderen anfassen, um mit ihm zu kommunizieren. Man darf auch nicht einfach die Hände wegziehen, niemals!“

DGS

Viele taubblinde Menschen haben noch ein wenig Rest-Sehfähigkeit, weswegen sie auch in Gebärdensprache kommunizieren können. Allerdings ist das für viele sehr anstrengend – besonders wenn viele Personen durcheinander gebärden. So ist taktiles Gebärden häufig die bevorzugtere Kommunikationsform.

Gebärden im Online-Video-Kontakt ist für viele Taubblinde mitunter einfacher als in Präsenz. Am Monitor sind für sie Gebärden oft besser wahrzunehmen, denn hier können Helligkeit, Größe und Abstand individuell so variiert werden, wie es ihren Bedürfnissen entspricht.

BodySigns

BodySigns sind am Körper ausgeführte haptische Gebärden – also festgelegte Zeichen, die der schnellen Kommunikation dienen. Es gibt dabei festgelegte Zeichen, die von taubblinden Menschen, ihren Angehörigen und Assistenzen im deutschsprachigen Raum verwendet werden.

Lormen

Mit dem sogenannten Lorm-Alphabet können Taubblinde auch untereinander kommunizieren. Die Worte werden buchstabiert – und zwar taktil in den Handinnenflächen des „Zuhörenden“.  Dabei sind einzelnen Fingern sowie bestimmten Handpartien bestimmte Buchstaben zugeordnet.

Technische Möglichkeiten

Die Kommunikation mit Menschen, die keine Gebärden können, kann trotzdem funktionieren, dank neuerer Technik. So können sie dem Taubblinden beispielsweise per Mail oder SMS schreiben und dieser kann die Nachrichten über einen Braille-Computer lesen. Das funktioniert auch in die umgekehrte Richtung: Mit Hilfe der Braille-Tastatur kann der Taubblinde Nachrichten am Computer verfassen und versenden.

Fazit

Was früher fast zwangsläufig zu größter Isolation und Einsamkeit geführt hätte, ist heute zwar immer noch eine gewaltige Herausforderung - doch mit steigendem Selbstbewusstsein und immer mehr Empowerment fordern taubblinde Menschen ihr Recht auf Teilhabe. Und sie wünschen sich, dass ihnen ohne Hemmungen und Ängste begegnet wird; der wichtigste Schritt zur Barrierefreiheit. 

"Die Taubblinden-Community ist total wichtig! Taubblinde Menschen müssen offen sein! Klar, Menschen sind verschieden. Es gibt schüchterne Taubblinde und viele, die irgendwo versteckt leben. Die nehmen vielleicht auch keine Assistenz in Anspruch oder lehnen es sogar ab. Aber es ist leichter, wenn man offen durchs Leben geht und Assistenz nutzt."

Lucas

"Mein Wunsch ist, dass alle Hörenden Gebärdensprache lernen und alle bereit sind, verschiedene Kommunikationsformen für taubblinde Menschen zu lernen. Damit wird Kommunikation selbstverständlich und alle werden in die Gesellschaft integriert. Ich wünsche mir auch, dass es genug Angebote und Unterstützung gibt für taubblinde Menschen, so dass jeder seine Träume verwirklichen kann."

Bianca

"Egal, ob jemand hörend oder gehörlos ist, wichtig ist, dass man aufeinander, auch auf Taubblinde, zugeht und direkt fragt […] Das ist meine Botschaft: Redet miteinander, unterhaltet euch. Dann bauen sich Ängste, Barrieren und Hemmungen ab. Und wenn die eine Kommunikation nicht funktioniert, dann probiert eben was Anderes aus! Das wäre mein Wunsch."

Andrea


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