Geschwisterkinder Meine behinderte Schwester und ich
Oft fühlen sie sich als Schattenkinder: Ihre Geschwister sind schwer erkrankt oder leben mit einer Behinderung. Das Familienleben wird zur ständigen Herausforderung für alle, so werden die Nöte und Bedürfnisse der gesunden Kinder leicht übersehen. Jana und Gustaf gewähren Einblicke.
In Deutschland wachsen cirka vier Millionen Kinder mit einem schwer erkrankten oder behinderten Geschwisterkind auf. Die Schwester der 20-jährigen Jana bekam mit nur zehn Monaten Krebs, die Schwester des 14-jährigen Gustaf kam mit vielfachen Behinderungen zur Welt. Geschwister wie Jana und Gustaf nennt man auch "Schattenkinder" – in einer solchen Familienkonstellation stehen die gesunden Geschwisterkinder häufig im Schatten ihrer bedürftigen Geschwister und erhalten weniger Aufmerksamkeit.
"Schattenkind ist irgendwie schon der passende Begriff, weil man ja schon so im Schatten von einem Kind auswächst, was einfach mehr Hilfe braucht."
Gustaf
Der Film "Meine behinderte Schwester und ich" von Frauke Lodders begleitet Jana und Gustaf mehrere Monate lang und zeigt, wie sie mit der Situation zuh Hause umgehen. Schon in ihren jungen Jahren sind sie mit existentiellen Fragen von Leben und Tod konfrontiert, ohne dass ihr Leiden überhaupt in den Blickwinkel gerät.
Engagement statt Angst
Jana war erst sieben Jahre alt, als ihre Schwester die Diagnose Krebs bekam. Für sie eine doppelt schwierige Situation. Zum einen hatte sie Angst, dass ihre Schwester sterben könnte, andererseits bekam sie nur noch wenig Aufmerksamkeit von ihren Eltern. Jana beschloss, sich zu engagieren und gründete eine Gruppe für Geschwister von krebskranken Kindern. In dieser Gruppe will sie ihre eigenen Erfahrungen an Betroffene weitergeben:
"Auf die Idee, eine Geschwistergruppe zu gründen, bin ich gekommen, nachdem meine Mama, meine Schwester und ich bei einer Spendenübergabe waren und die Spender sich nur um meine Schwester und meine Mama gekümmert haben. Ich habe die ganze Zeit am Rand gestanden und die Leute haben gar nicht gesehen, dass es noch ein anderes Kind gibt. Ich habe mich mit meiner Mama darüber unterhalten und die hat dann gesagt: 'Ja, dann mach doch was."
Jana
Früh Verantwortung übernehmen
Als Gustafs Schwester Alma mit einer nicht klassifizierbaren Mehrfachbehinderung auf die Welt kam, lernte Gustaf schnell, Verantwortung für seine Schwester zu übernehmen.
"Wenn meine Mutter arbeitet, passe ich immer auf sie auf. Ich würde schon sagen, dass ich Verantwortung übernehme. Zum Beispiel sowas wie Spülmaschine ausräumen, Staubsaugen, solche Hausarbeit, mit dem Hund jeden Tag nach der Schule rausgehen und meine Schwester vom Bus abholen."
Gustaf
Auch Gustaf hat darunter gelitten, dass sich seine Eltern gerade in der Anfangszeit fast nur um seine kranke Schwester kümmern konnten. Gustaf und Alma haben inzwischen eine enge Bindung zu einander. Umso schlimmer war es für ihn, als er wegen der Behinderung seiner Schwester in der Schule gemobbt und ausgegrenzt wurde.
Seine Mutter Sibylle kann dieser Situation noch etwas Positives abgewinnen.
"Ich sage immer als erstes: Naja, wenigstens wird er kein Arschloch, das ist schon durch das Thema. Der wird kein Blödmann. So Gemeinheiten, die auf Kosten anderer Leute gehen, das wird Gustaf einfach nicht machen. Weil das nicht mehr geht, mit so einem Geschwisterkind."
Sibylle