Jo Baier Wer schreiben will, muss etwas erlebt haben
Für seinen ersten kleinen (Spiel-)Filmversuch genügten ihm zehntausend Mark. Der Dreiteiler "Der Laden", 1998 in der ARD gesendet, hat immerhin zwölf Millionen gekostet.
Der Weg dahin war lang und nicht immer einfach. Parallel zum Studium der Theaterwissenschaften, Germanistik und Amerikanistik, hat er vom ersten Semester an beim Bayerischen Rundfunk gejobbt und so das Filmhandwerk (kennen)gelernt. Zusammen mit Hubertus Meckel begann er in den siebziger Jahren Dokumentationen für "Unter unserem Himmel" zu drehen - im Zwei-Mann-Team. Oft über den Bayerischen Wald und seine Menschen. Lebensformen, Geschichten, Weltanschauungen, die gegen Ende des 20. Jahrhunderts am Aussterben sind, noch einmal für die Nachwelt dokumentarisch festzuhalten, war dabei erklärtes Ziel des Autors und Regisseurs Jo Baier. Mehr als sechzig Dokumentarfilme hat er für "Unter unserem Himmel" gedreht - zuletzt "Heimatwelten" im Jahr 2000, der für den Deutschen Kamerapreis 2001 nominiert wurde.
Die - überwiegend ländliche - Welt seiner Filme hat viel mit seiner Herkunft, seiner Kindheit zu tun. "Das Besondere an Dokumentarfilmen ist: Sie geben einem fast unbegrenzt die Möglichkeit, das Leben anderer Menschen zu studieren, unter Umständen sogar daran teilzuhaben und so in relativ kurzer Zeit eine Fülle von Lebenserfahrungen zu sammeln." Jo Baier sieht darin ein ausgezeichnetes Äquivalent zu seiner Spielfilmarbeit. "Wer schreiben will, muss etwas erlebt haben, entweder in der Phantasie oder in der Wirklichkeit." Der Spielfilm ist die inszenierte, die Gegenwelt, die man herstellt, bewusst bis ins Detail gestaltet.
Oft verfilmt Jo Baier historische Stoffe, einmal, weil es ihn reizt, "vergangene Lebensverhältnisse sichtbar und hörbar" zu machen, und zum andern, weil man "sich damit eine eigene Realität schaffen kann, unbeeinflusst von der Banalität unseres Alltags." Die Vorlagen entnimmt er entweder literarischen Werken (Richard Billinger, Oskar Maria Graf, Erwin Strittmatter) oder authentischen Geschichten, auf die er bei seiner Dokumentarfilmarbeit gestoßen ist.
Für seine Spielfilme erhielt Jo Baier zahlreiche Preise und Auszeichnungen: für "Schiefweg" 1989 einen Adolf Grimme Preis in Silber und den AZ-Stern, für "Rosse" 1990 einen Bayerischen Fernsehpreis, für "Wildfeuer" gab es 1992 eine Bundesfilmpreis-Nominierung sowie den Bundesfilmpreis und den Bayerischen Filmpreis für Kamera (Gernot Roll), den Publikumspreis Valenciennes und die Auszeichnung "Bester erster Spielfilm" beim IFF Kairo. Für "Hölleisengretl" (ZDF) bekam Jo Baier 1995 den Regiepreis der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste, eine Nominierung zum Telestar und einen AZ-Stern; Martina Gedeck bekam für die Darstellung der Hölleisengretl den Bayerischen Fernsehpreis und einen Goldenen Gong. 1996 wurde "Der schönste Tag im Leben" (ZDF) mit einem Bayerischen Fernsehpreis gewürdigt. Für die Verfilmung des Erwin-Strittmatter-Romans "Der Laden" bekam Jo Baier 1999 den AZ-Stern des Jahres, einen Goldenen Gong sowie den Sonderpreis des Bayerischen Fernsehpreises und einen Adolf Grimme Preis in Gold. Für die Regie bei der SAT.1-Produktion "Wambo" wurde Jo Baier mit einem Grimme Preis 2002 ausgezeichnet. Sein Film "Schwabenkinder" erhielt 2003 beim Internationalen Bergfilmfestival in Trient den "Preis der Stadt Bozen - Goldener Enzian für den besten Bergfilm" und wurde im gleichen Jahr für den Deutschen Fernsehpreis, Kategorie "Bester Fernsehfilm", nominiert. "Als einer der wichtigsten deutschen Gegenwartsregisseure", der "viele Film- und Fernsehzuschauer mit seinen beeindruckenden Literaturverfilmungen begeistert hat" bekam er im Oktober 2003 von Bundespräsident Johannes Rau das Verdienstkreuz am Bande.
Weitere Auszeichnungen:
2004 Deutscher Fernsehpreis für "Stauffenberg"
2004 Robert Geisendörfer Preis (Ev. Publizistik) für Gesamtwerk
2006 Bayerischer Verdienstorden
2007 Grimme-Publikumspreis für "Nicht alle waren Mörder"
2007 Monaco Red Cross Award für "Nicht alle waren Mörder"
2008 Robert-Geisendörfer-Preis für "Das letzte Stück Himmel"
Weitere Spielfilme:
2004 "Stauffenberg"
2006 "Nicht alle waren Mörder"
2007 "Das letzte Stück Himmel"
2008 "Liesl Karlstadt und Karl Valentin"
2010 "Henry 4"
2010 "Das Ende ist mein Anfang"
2012 "Die Heimkehr"