Unter unserem Himmel Sigi Sommer – ein Münchner Spaziergänger
Schon zu Lebzeiten war er ein Denkmal: Sigi Sommer, der Münchner Schriftsteller, der fast täglich in der Rosenstraße anzutreffen war. Matti Bauer zeichnet seinen Lebensweg nach und spricht mit denen, die ihn kannten, wie dem Ex-Oberbürgermeister Hans-Jochen Vogel oder Louise Pallauf.
Ein Film von Matti Bauer
Keiner konnte München so präzise, liebevoll und bissig beschreiben wie Sigi Sommer. Wenn am Wochenende in der AZ seine Kolumne "Blasius, der Spaziergänger" erschien, zitterten Wiesn-Wirte und Stadträte vor der spitzen Feder des Münchner Schriftstellers. Und die "kleinen Leut´" freuten sich, dass den Großkopferten wieder einmal sauber eing´schenkt wurde, von "ihrem" Sommer Sigi. Schon zu Lebzeiten war Sigi Sommer ein Denkmal und als er 1996 starb, stiftete man ihm eines, die Statue des Spaziergängers in der Rosenstraße, mitten im Gewühl der Fußgängerzone, wo er fast täglich anzutreffen war.
In seinem Film zeichnet Matti Bauer den Lebensweg des Münchner Spaziergängers nach und spricht mit denen, die ihn kannten. Ex-Oberbürgermeister Hans-Jochen Vogel sieht in ihm die typische Verkörperung des Münchner "Grantlers", der Dinge auf den Punkt brachte. Sein Kollege Franz Freisleder beschreibt ihn als unbestechlichen Pointenkünstler und für Michael Graeter ist er "das" Vorbild als Journalist. Anneliese Friedmann, die als junge Volontärin zur SZ kam, erinnert sich, wie Sigi Sommer immer seine Füße auf ihrem Schreibtisch ablegte. Heute ist Friedmann Herausgeberin der Abendzeitung und meint: "Er war das, was man einen Macho nennt."
Sigi Sommer und die Frauen
Sigi Sommer und die Frauen, das ist ein eigenes Kapitel, dem der Film seine Aufmerksamkeit widmet. Der Sigi hatte drei Mütter, eine leibliche, eine Pflege- und schließlich die Stiefmutter, bei der er aufwuchs. Und Frauen spielen in seinem Leben und Werk eine große Rolle. Die Romane "Und keiner weint mir nach" und "Meine 99 Bräute" tragen stark autobiographische Züge und erzählen von seiner Jugend in der Münchner Vorstadt. Für die jüngere Tochter Madeleine ist Sigi Sommer ein liebevoller, aber manchmal auch ungerechter Vater gewesen. Sie schätzt ihn als Schriftsteller, genauso wie Cousine Helga, die ein Buch über Sommers Sendlinger Geschichten schreibt.
Am besten aber kennt ihn das Luiserl, ein Mädchen vom Land, das Anfang der 50er nach München kommt und dem Sigi "in die Hände fällt". Gemeinsam stehen sie so manche Krise durch, die den Schriftsteller bei seinem Aufstieg vom Vorstadt-Gigolo zum prominenten Journalisten ereilt. In Matti Bauers Film kommen auch diese weniger ruhmreichen Momente im Leben des Spaziergängers zur Sprache. 1960 wird Sigi Sommer zu sechs Monaten auf Bewährung verurteilt, weil er seinem Verleger das Apartment für gelegentliche Rendezvous geliehen hat. Der damals noch geltende Kuppelei-Paragraph macht es möglich. Der Prozess um den populären Kolumnisten schlägt hohe Wellen, schadet ihm aber letztlich nicht. Die Münchner verzeihen ihrem "Blasius" und lesen seine Kolumne genauso gerne wie zuvor.
Der Mensch Sigi Sommer hatte viele Facetten und von einigen erfahren wir in diesem Film zum ersten Mal. Der populäre "Asphalt-Latscher" hat mit seinen Texten über Jahrzehnte hinweg München ein Gesicht gegeben, das weit über die Grenzen hinaus berühmt war. Das sind leider vergangene Zeiten.