Unter unserem Himmel | 08.05.2022 Wacholderdrossel, Eibenwald und heilige Quellen - Artenvielfalt in Stadt und Land
Überraschenderweise ist der Artenreichtum in der Stadt häufig größer als auf dem Land mit seinen oftmals ausgeräumten Fluren. Der Film spürt der Artenvielfalt in München und im Pfaffenwinkel nach und stößt dabei auf von der Natur inspirierte Kunst und archaische Bräuche.
Ein Film von Martin Weinhart
Das grüne Band der Isar, seine vielen Parks und Schrebergärten machen München zu einer Stadt mit großer ökologischer Vielfalt. Zusammen mit Olaf Schmidt, dem ehemaligen Präsidenten der Bayerischen Landesanstalt für Wald- und Forstwirtschaft, unternehmen wir Streifzüge durch städtische Biotope. Der fulminante Naturkenner Schmidt weiß um die ökologischen Vernetzungen. Wie kommt es, dass die Traubenkirsche Nahrung für 30 Vogelarten bietet? Seit wann sind Wacholderdrosseln in der Großstadt heimisch? Warum wachsen Eiben aus der Mauer? Warum gibt es in Deutschland kaum noch Eibenwälder? Olaf Schmidt kann darüber fesselnd erzählen, darüber hinaus fällt ihm zu jedem zweiten Baum ein Gedicht ein. Seine Begeisterung für Ökosysteme, Waldgeschichte und Lyrik steckt an.
Im Paterzeller Eibenwald, unweit von Wessobrunn im Pfaffenwinkel, findet sich einer der größten Eibenbestände Deutschlands, ein Urwald-Relikt, das bereits 1913 zum Naturdenkmal erklärt wurde. Der ehemalige Revierförster Kurt Zeimentz führt uns durch den Eibenwald, den er für Besucher erschlossen hat.
Und Eiben scheinen eine geheimnisvolle Faszination auszustrahlen. So kommt es, dass im Paterzeller Eibenwald Naturfreunde auf Esoteriker treffen, wie etwa die Weilheimer Schamanin Zenta Rose.
Ehemals wurde in dieser Gegend auch Tuffkalk abgebaut. Stukkateure verwendeten den hier gewonnenen Tuff im 18. Jahrhundert. Sie machten Wessobrunn weit über die Grenzen Bayerns hinaus bekannt. Im dortigen Kloster kann man ihre Kunstfertigkeit bewundern. Der Heimatforscher Albin Völk bringt uns die Wessobrunner Gipser nahe und weiß über die Magie der dort entspringenden drei Quellen zu berichten, die Wessobrunn zu einem heiligen Ort für Frauen machte. Genau dort treffen sich auch heute Frauen aus Wessobrunn und der näheren Umgebung und haben einen alten keltischen Brauch wiederbelebt: Sie binden Kräuterbuschen und kommen bei diesen Quellen des Klosters am ersten Augustvollmond zusammen. In dieser Zeit wird den Heilkräutern die größte Kraft zugeschrieben.
Die Künstlerin Renata Hirtl führt uns zu einem weiteren Kleinod des Marienwallfahrtsorts Wessobrunn: Die Mutter der schönen Liebe, die an einem Seitenalter der Pfarrkirche verehrt wird. Der archaische Brauch des Kräuterbuschenbindens wurde von der Kirche unter die Schutzherrschaft der Muttergottes gestellt. Am 15. August, zu Mariä Himmelfahrt, werden die Gebinde in der Kirche geweiht. Danach trifft man sich am Brunnenhaus zum Mariensingen mit dem Deutenhauser Viergsang.
Erstausstrahlung: 08.05.2022