Ludwig Ott Die große Welt im Kleinen
Groß geworden in den schönsten Winkeln des bayerischen Voralpenlandes. 1948 in Schlehdorf am Kochelsee geboren, die ersten Lebensjahre am damals noch stillen Walchensee verbracht. Der Vater war Forstmann mit Leidenschaft für Kunstgeschichte. Natur und Geschichte werden prägende Bausteine in meinem Leben. Zweite Station: Garmisch-Partenkirchen, wieder ein wunderschönes altes Forsthaus mit viel Freiheit, Leben und Landschaft rundum zu entdecken. Abitur, Studienjahre, Ausbildung zum Zeitungsredakteur und ab 1973 endlich die Erfüllung eines Traumes: Filmemachen.
Fast vierzig Jahre lang war Ludwig Ott dem Bayerischen Fernsehen und dort besonders der Redaktion "Unter unserem Himmel" verbunden. Das äußerte sich in der Vielzahl von mehr als hundert Filmen, die Ludwig Ott für "Unter unserem Himmel" gemacht hat, von Bayern bis Rumänien, von der Prinzregentenzeit bis zur Gegenwart, von einfachen Menschen bis zu königlichen und kaiserlichen Hoheiten.
Seinem Wohnort Pöcking widmete er drei Langzeitbeobachtungen über die strukturellen Veränderungen eines Dorfes in den letzten zwanzig Jahren. Für diese Trilogie erhielt er im Mai 2012 die "Pöckinger Eule", ein Ehrenpreis der Gemeinde Pöcking, sowie den Kulturpreis 2009 des Landkreises Starnberg. Der Strukturwandel und die Konsequenzen für das ländliche Leben und Arbeiten beschäftigte Ludwig Ott in vielen Filmen, zuletzt in "Die Bauern von Garmisch" (2011), im Zusammenhang mit der Olympia-Bewerbung des Ortes. Als stiller Beobachter der Dinge wollte er die Veränderungen seiner Umwelt festhalten, die Brüche, den allmählichen Wandel.
In dem wunderbaren Buch "Das Leben meiner Mutter" von Oskar Maria Graf findet sich ein Absatz, der meine Arbeit immer begleitet hat: "Die Dinge verwandeln sich stumm und unbemerkt vor deinen Augen. Du lebst mit ihnen, als gehörten sie zu dir. Du gehst tausendmal an ihnen vorüber und es fällt dir nichts Besonderes auf. Einmal aber – du kannst nicht einmal sagen, warum – siehst du: Es ist vieles ganz, ganz anders geworden! Du wunderst dich, schaust deutlicher hin und erschrickst darüber, dass du so lange an all dem vorbeigelebt hast."
Jedes "Ding", wie Oskar Maria Graf schreibt, jeder Mensch, jedes Gemeinwesen hat seine Geschichten. Man muss sie nur entdecken. Im Kleinen erschließt sich die große Welt, sagt man. Je genauer die kleinen Dinge skizziert werden, desto verständlicher ist ihre Wirkung auf die großen Zusammenhänge und den Zuschauer.
Sein historisches Interesse schlug sich in Filmen nieder wie "Die letzte Reise eines Habsburgers – Von Pöcking in die Wiener Kaisergruft" (2011), über die Beisetzung von Otto von Habsburg, oder in seiner Dokumentation über "Die Pusterer Buben" (2007), eine Südtiroler Widerstandsgruppe, die gegen die Repressionen des italienischen Staates in den 60er Jahren agitierten und seitdem im Exil leben. Aber auch die volkskundlichen Themen waren ihm wichtig und ließen Filme entstehen wie über die Werdenfelser Fasnacht oder ein Rauhnachtsspiel im Bayerischen Wald.
Alle paar Jahre gab Ludwig Ott "der Spur Fernweh in sich" nach und machte Filme, die man eher in eine Reihe "Abenteuer" oder "Expedition" hätte einordnen können, die aber auch im "Himmel" ihren Sendeplatz fanden. So fuhr er mit dem Kajak durch Feuerland zum berüchtigten Kap Horn, ging zu Fuss den alten Römerweg über den Septimerpass von Chur ins Bergell und folgte den Spuren der Einwanderer in Patagonien.
Die Triebfeder ist – zu machen, was einen wirklich interessiert, dabei kommt man zwangsläufig an den Punkt, da will, muss man selbst fühlen, nachvollziehen können, was andere zuvor beschrieben haben.
Am 19. Juli 2012 ist Ludwig Ott im Alter von 64 Jahren gestorben.