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Geld Flug annulliert – das sind Ihre Rechte

Derzeit werden unter anderem aufgrund von Personalmangel besonders viele Flüge gestrichen. Welche Rechte haben Sie, wenn Ihr Flug annulliert wird? In welchen Fällen bekommen Sie lediglich den Ticketpreis erstattet und in welchen haben Sie zusätzlich Anspruch auf Entschädigungszahlung? Finanzexperte Sebastian Hanisch hat die Antworten.

Stand: 08.07.2022

Anzeigetafel. annullierter Flug | Bild: BR/dpa-Bildfunk/Federico Gambarini

Wird ein Flug gestrichen, haben Airline-Kunden je nach konkretem Fall verschiedene Ansprüche, etwa auf einen Ersatzflug, Rückerstattung des Flugpreises, Entschädigungszahlungen, Unterbringung und/oder Verpflegung.
Welche Rechte im Einzelfall geltend gemacht werden können, hängt von verschiedenen Faktoren ab, zum Beispiel, in welcher Zeitspanne vor dem Abflug der Flug gestrichen wurde, ob ein Ersatzflug angeboten wurde, mit wie viel Verspätung dieser am Zielort landet und wie lange die gebuchte Flugstrecke ist.

Rechtsgrundlage: EU-Fluggastrechteverordnung

Damit die EU-Fluggastrechteverordnung greift, muss eine der beiden folgenden Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Der Abflughafen befindet sich in der EU (oder auf Island, in Lichtenstein, Norwegen, Schweiz, Albanien, Bosnien, Herzegowina, Mazedonien, Montenegro, Serbien, Kosovo, Guadeloupe, Französisch-Guayana, Martinique, la Réunion, Saint-Barthélemy, Saint-Martin, Azoren, Madeira, kanarische Inseln, Ceuta, Melilla, Aland-Inseln)
  • Der Zielflughafen sowie der Sitz der Fluglinie befindet sich innerhalb der EU oder in einem der oben genannten Länder.

Übrigens: Auch bei Flügen, die nicht unter die EU-Fluggastverordnung fallen, ist man nicht komplett rechtelos. Für Flüge zwischen anderen Ländern gilt das Montrealer Übereinkommen, sofern diese das Einkommen unterzeichnet haben.

Anspruch auf Ersatzbeförderung

Wird Ihr Flug annulliert, haben Sie Anspruch auf eine Ersatzbeförderung zum frühestmöglichen Zeitpunkt. Das kann im Einzelfall auch eine Beförderung mit anderen Verkehrsmitteln, beispielsweise Zug, Bus oder Schiff sein.
Kann Ihnen die Fluggesellschaft keinen angemessenen Alternativflug anbieten, können Sie ihr eine Frist setzen, Ihnen einen passenden Flug bei einer anderen Fluggesellschaft zu organisieren. Welche Frist angemessen ist, hängt davon ab, wann der gestrichene Flug stattfinden hätte sollen. Bei einer Annullierung am Abflugtag, kann die Frist nur wenige Stunden betragen. Ist der Abflugtermin weiter in der Zukunft, kann die Frist auch ein bis zwei Wochen betragen.
Bietet Ihnen die Fluggesellschaft innerhalb dieser Frist keinen akzeptablen Alternativflug an, haben Sie das Recht, selbst einen Ersatzflug bei einer anderen Fluggesellschaft zu buchen, auch wenn dieser teurer ist. Die Kosten dafür muss die ursprüngliche Fluggesellschaft übernehmen (Aufwendungsersatz für die Selbsthilfe).

Anspruch auf Betreuungsleistungen

Müssen Sie aufgrund eines annullierten Fluges länger am Flughafen warten oder können erst ein oder mehrere Tage später fliegen, haben Sie Anspruch auf folgende Leistungen:

  • kostenlose Snacks, Getränke und Mahlzeiten
  • 2 Anrufe, Faxe oder Mails
  • Hotelzimmer mittlerer Kategorie
  • Transfer zum Hotel und wieder zum Flughafen

Ist die Fluggesellschaft nicht bereit, die Betreuungsleistungen zu übernehmen, können Sie Ihre Versorgung, gegebenenfalls ein Hotelzimmer sowie den Transfer dorthin, selbst organisieren und die entstandenen Kosten als sogenannten Aufwendungsersatz für die Selbsthilfe zurückfordern. Heben Sie deshalb alle Belege für Ihre Ausgaben auf.
Aber: Sie haben eine Schadensminderungspflicht. Das heißt, Sie müssen alles dafür tun, den Schaden möglichst gering zu halten. Das 5-Sterne-Luxushotel direkt neben dem Flughafen wird also nicht gezahlt.

Erstattung des Flugpreises

Annulliert die Fluggesellschaft Ihren Flug, können Sie, statt einen Ersatzflug zu verlangen, auch vom Beförderungsvertrag zurückzutreten und sich den Flugpreis (inclusive Steuern und Gebühren) zurückerstatten zu lassen.
In diesem Fall haben Sie jedoch keinen grundsätzlichen Anspruch mehr auf Betreuungskosten oder die Übernahme von Mehrkosten für einen Ersatzflug durch die Fluggesellschaft. Diese Kosten können Sie unter Umständen allerdings als Schadenersatz geltend machen.
Wichtig: Das Recht, vom Vertrag zurückzutreten und sich den kompletten Flugpreis zurückerstatten zu lassen, haben Sie auch dann, wenn Sie bei einem Flug mit Zwischenstopp bereits eine Teilstrecke zurückgelegt haben. In diesem Fall haben Sie zudem Anspruch auf einen Rückflug zu Ihrem ursprünglichen Abflugort.

Sonderfall Pauschalreisen

Bei Pauschalreisen besteht ein Vertrag zwischen Ihnen und dem Reiseveranstalter, und nicht mit der Airline. Das heißt der Veranstalter muss dafür sorgen, dass Sie an Ihr Ziel kommen. Er ist Ihr direkter Ansprechpartner bei Problemen. Gegebenenfalls haben Sie Anspruch auf Preisminderung aufgrund von Reisemängeln. Bei Verspätung können Sie sich bezüglich einer Entschädigung auch an die Fluggesellschaft wenden.

Anspruch auf Ausgleichszahlung bei annullierten Flügen

Bietet Ihnen die Fluggesellschaft einen Ersatzflug an, der nur wenig von den ursprünglichen Flugzeiten abweicht, haben Sie grundsätzlich keinen Anspruch auf eine pauschale Entschädigungssumme.
Ist das nicht der Fall, hängt Ihr Anspruch auf eine Ausgleichszahlung von dem Zeitpunkt ab, an dem Sie von der Fluggesellschaft über die Annullierung des Fluges informiert wurden. Die Höhe der Ausgleichszahlung bemisst sich an der Länge der Flugstrecke.

Annullierung mehr als 14 Tage vor Abflug:
Wird der Flug mehr als 14 Tage vor Abflug gestrichen, haben Sie keinen Anspruch auf eine Ausgleichszahlung.

Annullierung 7 bis 13 Tage vor Abflug:
Wird Ihnen kein Ersatzflug angeboten oder nur ein Ersatzflug, der mehr als 2 Stunden früher startet oder mehr als 4 Stunden später am Zielort landet, stehen Ihnen - je nach Entfernung - folgende Ausgleichszahlungen zu:

  • Kurzstrecke (bis 1500 km): 250 Euro
  • Mittelstrecke (1500 bis 3500 km): 400 Euro
  • Langstrecke (über 3500 km und nicht nur innerhalb der EU): 600 Euro

Annullierung weniger als 7 Tage vor Abflug:
Wird Ihnen kein Ersatzflug angeboten oder nur ein Ersatzflug, der mehr als 1 Stunde früher startet oder mehr als 2 Stunden später am Zielort landet, stehen Ihnen ebenfalls die oben genannten Ausgleichszahlungen zu.

Die Fluggesellschaft kann die Ausgleichszahlung halbieren, wenn die Verspätung am Zielflughafen bei Mittelstreckenflügen maximal 3 Stunden und auf Langstreckenflügen maximal 4 Stunden beträgt.

Kein Anspruch auf Ausgleichzahlungen bei außergewöhnlichen Umständen

Kein Anspruch auf Ausgleichzahlungen besteht, wenn Ihr Flug aufgrund von außergewöhnlichen Umständen gestrichen werden musste, die die Fluggesellschaft nicht vermeiden konnte. Dazu zählen unter anderem: schlechte Wetterverhältnisse, Terrorwarnung, Naturkatastrophen, Streik von Dritten (beispielsweise Fluglotsen).
Technische Probleme oder Personalmangel aufgrund einer Erkrankungswelle hingegen zählen nicht zu außergewöhnlichen Umständen, die nicht vermeidbar gewesen wären.

Anspruch auf Schadensersatz

Falls Ihnen durch den annullierten Flug Schäden entstehen, die über die Summe der Ausgleichszahlung hinausgehen, haben Sie zudem - je nach nationalem Recht - Anspruch auf Schadensersatz.
Ist der Sitz der Fluggesellschaft in Deutschland, gilt das deutsche Recht. Danach haben Sie Anspruch auf Schadensersatz, wenn Ihnen ein Schaden entstanden ist (beispielsweise Verdienstausfall oder Mehrkosten für eine Anschlussfähre, Ticketkosten für eine verpasste Veranstaltung) und, wenn die Fluggesellschaft diesen Schaden verursacht hat. Die Ausgleichszahlung wird mit dem Schadensersatz verrechnet.
Wichtig: Dokumentieren Sie die Mehrkosten genau (Belege)!

Schlichtungsstellen bei Ärger mit Fluggesellschaften

Weigert sich die Fluggesellschaft, Ihren berechtigten Forderungen innerhalb von 2 Monaten nachzukommen, macht es Sinn, sich entweder an die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr e. V. oder an die Schlichtungsstelle Luftverkehr beim Bundesamt für Justiz zu wenden. Juristen prüfen den Fall und geben eine Empfehlung, die nur bindend ist, wenn sie sowohl von der Fluggesellschaft als auch von Ihnen angenommen wird. Dadurch entstehen für Sie keine Kosten. Kommt es zu keiner Einigung, können Sie Ihre Ansprüche später immer noch gerichtlich geltend machen.

Verjährungsfrist

Die Ansprüche gegenüber Fluggesellschaften verjähren drei Jahre nach dem Ende des Kalenderjahres, in dem der Flug annulliert wurde.

Sofortentschädiger und Inkasso-Firmen

Wenn Sie sich nicht selbst um die Ansprüche kümmern möchten, haben Sie zwei Möglichkeiten:

  • Sie verkaufen Ihre Ansprüche an eine Sofortentschädigungsfirma und erhalten von dieser einen Teil der bestehenden Forderung ausbezahlt.
  • Sie beauftragen eine Inkasso-Firma, die für Sie die Forderungen gegen die Fluggesellschaft durchsetzt, wenn nötig vor Gericht. Dafür behält die Firma zwischen 25 und 35 Prozent der erstrittenen Summe ein. Im Regelfall entstehen keine Kosten, wenn die Firma nicht erfolgreich ist.

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