Das Geheimnis der "Stinkesteine" Steinöl aus dem Karwendel
Früher galt Steinöl als ein Wundermittel für Mensch und Tier, das aus dem Alltagsgebrauch nicht wegzudenken war. Hergestellt wurde die geruchsintensive Volksmedizin aus Ölschiefer, der einst jahrzehntelang in Bayern abgebaut wurde.
Seit jeher versucht der Mensch die Schätze der Natur zu nutzen. Davon zeugen auch zahleiche versteckte Gänge im Fels des Karwendels. Der Geologe Andreas Kaiser und der Heimatforscher Peter Schwarz haben sich deshalb auf eine Spurensuche begeben.
Im Hüttelgraben oberhalb von Krün hat Andreas Kaiser seltsame schwarze Platten gefunden. Das Besondere daran: sie stinken nicht nur, sie lassen sich auch anzünden. Fängt das Gestein erst einmal an zu glühen, schwitzt es eine ölige Substanz aus.
Schon unsere Vorfahren im Mittelalter hatten entdeckt, dass dieses "Steinöl", auf Wunden und Furunkel aufgebracht, heilend wirkt. So entspann sich die Sage des Karwendel-Riesen Thyrsus, der im Kampf gegen einen Eindringling verwundet wurde. Als er sterbend sein Blut in den Fels rinnen und versteinern sah, soll er noch gerufen haben: "Geh hin mein Blut, sei für Vieh und Leut gut."
Gibt es möglicherweise einen Zusammenhang zwischen dem sagenhaften Steinöl und den Stollen im Karwendel? Eine Frage, die den Bergbauhistoriker, Peter Schwarz, in die Archive trieb. Dabei stieß er auf die Geschichte einer Steinölfabrik, die einmal mitten im Isartal zwischen Wallgau und Vorderriß gestanden ist. Kaum zu glauben, dass dort einmal an die 100 Menschen beschäftigt waren und heute noch ein Stollensystem mit einer Gesamtlänge von über 600 Metern den Berg durchzieht.
Ein Foto der Schwelanlage mit ihrem Kamin. Es gibt nicht mehr viel, das an dieses kurze Kapitel der bayerischen Bergbaugeschichte erinnert.
Die Bergleute von einst leben nicht mehr. Nur wenige können sich überhaupt noch an die bayerische Steinölproduktion erinnern. Dabei galt Steinöl, bevor das Penicillin entdeckt wurde, als ein antibakterielles Wundermittel, mit dem man Hautverletzungen und Schwellungen bei Mensch und Vieh behandelte. Wegen seines Gestanks diente es der Mückenabwehr und es brachte als schwarze Schuhwichse sogar die Haferlschuhe zum Glänzen.
Ganze 80 Jahre lang, zwischen 1880 und 1960, währte dieses Kapitel der industriellen Steinölproduktion. Dann waren die Ölschiefervorkommen erschöpft. Vielleicht war das auch gut so. Denn dadurch ist die einzigartige Wildflusslandschaft des oberen Isartals und die Schönheit des Karwendels erhalten geblieben.
Tipp zum Thema:
Der Lehrer und Geologe Andreas P. Kaiser hat über 15 Jahre hinweg Werdenfelser Geschichten zusammengetragen, erschienen sind sie unter dem Titel"Unterwegs in Werdenfels", Bd 1, 2010. Zudem ist noch eine Entdeckungsreise durch die Erdgeschichte von ihm erhältlich: das Rother Wanderbuch "Geotrekking Zugspitzland: Geographie erleben. 42 Touren. Mit GPS-Daten", ISBN-13: 978-3763330874.