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Das Thema Forschung und Erfolgsgeheimnis

Stand: 16.04.2014 | Archiv

Der Stechende Mäusedorn (Ruscus aculeatus) | Bild: picture-alliance/dpa

Der Skandal um das Schlafmittel Contergan brachte in den 1960er-Jahren den Glauben an den medizinischen Fortschritt dank chemisch-synthetischer Wirkstoffe erheblich ins Wanken. Patienten begannen nach Alternativen zu suchen und liebäugelten mit pflanzlichen Arzneimitteln.

Forschen nach verborgener Heilkunst

Die Ringelblume (Calendula officinalis) aus der Familie der Korbblütler

In den 1980er-Jahren fand in Deutschland - nicht zuletzt unter dem Eindruck des Aufstiegs der "Grünen" und einem wachsenden Interesse an der Natur - eine Neubewertung traditioneller Heilverfahren statt. Medizinhistoriker begannen altes Wissen zu sichten und zu prüfen, ob die Rezepte für moderne Therapien taugten. An der Universität Würzburg entstand die Forschergruppe Klostermedizin, ein Team aus Historikern, Medizinern, Chemikern und Botanikern. Zunächst galt es, einer verwirrenden Vielzahl mittelalterlicher Pflanzennamen aktuelle botanische Bezeichnungen zuzuordnen. So kursierten beispielsweise für die Ringelblume die Namen "Mönchskopf", "Totenblume" oder "Herrgottsauge". Inzwischen existiert eine Datenbank, in der etwa 600 Heilkräuter erfasst sind, davon sind 200 medizinisch wirksam.

Die Forschergruppe Klostermedizin

Die Würzburger Forscher untersuchen die historischen Anwendungen der Heilpflanzen, prüfen die Inhaltsstoffe und gleichen die Erkenntnisse mit den Analysen anderer Wissenschaftler etwa in Indien, China oder den USA ab. Im Zweifelsfall wandern die Pflanzen in ein Labor. In-vitro-Studien in einer kontrollierten künstlichen Umgebung außerhalb eines lebenden Organismus lassen sich dort realisieren, für aufwendige klinische Studien fehlt das Geld. Anders sieht es aus, wenn ein Pharmaunternehmen daran interessiert ist, ein bestimmtes Medikament aus Pflanzenwirkstoffen herzustellen. Um Interesse zu wecken, werden die Forschungsergebnisse regelmäßig in Fachblättern wie der Zeitschrift für Phytotherapie publiziert.

Zum Beispiel Heilerde

Der Stechende Mäusedorn (Ruscus aculeatus)

Die armenische Ton-Heilerde (Terra Armena) war einst ein anerkanntes Heilmittel. Sie geriet in Vergessenheit und wurde von der Forschergruppe Klostermedizin und GlaxoSmithKline wiederentdeckt. Terra Armena nimmt Giftstoffe auf und bildet, wenn man sie mit Flüssigkeit zusammenbringt, eine große Oberfläche; so kann sie etwa Durchfall abtransportieren. Im Handel ist auch ein Mäusedorn-Medikament, das Blutgefäße abdichtet und bei chronischer Veneninsuffizienz hilft. Auf die Markteinführung wartet der Heil-Ziest, eine Pflanze aus der Familie der Lippenblütler. Früher wurde er gegen leichte Schmerzen eingesetzt und galt als "Aspirin des Mittelalters".

Alte Rezepte neu entdeckt

Knoblauch tötet Erkältungs- und Influenzaviren.

Heute wächst das Interesse an Naturheilverfahren, das Vertrauen der Patienten in pflanzliche Arzneimittel nimmt zu. Hier einige Beispiele aus der Sendung: Bei Husten kommt oft Schlüsselblumentee zum Einsatz. In der Schlüsselblume sind Seifenstoffe enthalten. Die Seifen sorgen dafür, dass die Oberflächenspannung des Wassers herabgesetzt wird. Das macht den Schleim in den Bronchien flüssiger. Er lässt sich dann leichter abhusten. Thymiantee wirkt wie Latschenkiefernöl antibiotisch. Die Liste der Heilpflanzen, die Erkältungen lindern, ließe sich noch lange weiterführen: So helfen etwa auch Engelwurz oder Königskerze bei Husten. Knoblauch tötet Erkältungs- und Influenzaviren ab. Und Holunderblüten oder Ingwer sind wie Lindenblüten schweißtreibend.

Erfolgsgeheimnis Wirkstoffkombination

Thymiantee wirkt antibiotisch.

Die Heilkundigen des Mittelalters vermengten Pflanzenextrakte mit Öl und Wachs zu Salben, sie mischten Tinkturen, brühten Blätter in Tees auf, verrührten Kräuter in Wein und wickelten sie Tücher, die man Kranken auflegte. Die Mönche und Nonnen waren gut, wenn es darum ging, Beobachtungen auszuwerten. Auch viele Nebenwirkungen ihrer Medikamente dürften ihnen bekannt gewesen sein. Bei der Behandlung von Magen-Darm-Beschwerden erzielten sie Erfolge, Herz- und Kreislauferkrankungen standen sie allerdings machtlos gegenüber.

Die mittelalterliche Medizin war eine Erfahrungsmedizin, die auf dem Prinzip des Trial and Error beruhte. Heute wissen wir, dass die Heilwirkung bei Pflanzen durch die Kombination verschiedener Substanzen entsteht. Im Gegensatz zum chemisch-synthetischen Stoff (Monosubstanz) kommt bei der Heilpflanze eine Wirkstoffkombination zum Tragen, die in der Gesamtheit betrachtet mehr ist, als die Summe der Bestandteile. Deshalb fällt es Pharmakologen oft schwer, das Zusammenspiel der verschiedenen Substanzen zu entschlüsseln. Pflanzliche "Gesamtdrogen" können verträglicher sein als ein künstlicher Einzelwirkstoff. Dennoch sind auch bei Phytopharmaka - anders als viele Patienten meinen - Nebenwirkungen nicht ausgeschlossen und bei falscher Anwendung können Naturheilmittel durchaus gefährlich sein.

Nicht gegen jede Krankheit ist ein Kraut gewachsen

Heilpflanzen haben klar umrissene Anwendungsgebiete. Sie helfen vor allem bei Befindlichkeitsstörungen wie Erkältung, Husten, Blähungen oder Durchfall. Bei akut bedrohlichen Krankheiten können sie den Arzt oder bestimmte Erzeugnisse der chemischen Industrie mit isolierten Wirkstoffen nicht ersetzen. Dennoch ist es weiterhin wichtig, alte Heilverfahren für die moderne Medizin nutzbar zu machen. Wissenschaftler müssen jedoch die Wirkungsweise von Pflanzen erforschen, altes und neues Wissen in Einklang bringen. Dass die Natur selbst eine begnadete Giftmischerin ist, wussten schon die Mönche des Mittelalters. Falsch angewendet, können Pflanzen - man denke an Tabak, Tollkirsche oder Mohn - der Gesundheit schaden.


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