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Wahlbeteiligung Sag mir, wo du wohnst, und ich sag dir, ob du wählst

Der Demokratie droht eine Schieflage. Denn die Wahlbeteiligung sinkt nicht nur, sie ist auch immer ungleicher über die Gesellschaft verteilt. BR Data zeigt am Beispiel Nürnberg, wie Wohnort und Wahlverhalten zusammenhängen.

Von: Oliver Schnuck (BR Data)

Stand: 20.09.2017 | Archiv |Bildnachweis

Leere Wahlkabinen | Bild: picture-alliance/dpa

Dianaplatz, vorletzte Haltestelle der Tramlinie 4. Zwei Wohnblöcke weiter rauschen Autos über den Frankenschnellweg Richtung Fürth. Menschen schleppen große Plastiktüten aus einem Einkaufszentrum. An einem Stand sammeln junge Frauen Spenden für Hungernde in Äthiopien. „Wir wählen nicht!“, schallt es ihnen an diesem Tag nicht nur einmal entgegen, obwohl ihr Stand gar nichts mit der Bundestagswahl zu tun hat. Doch die Abwehrhaltung vieler sitzt tief.

Die Wahlbeteiligung in Deutschland hat sich in den letzten Jahrzehnten nach unten entwickelt, auch wenn es 2013 einen leichten Anstieg gab. Nürnberg war bei der vergangenen Bundestagswahl die deutsche Großstadt mit dem niedrigsten Wert: 66,9 Prozent. Dabei gibt es hier auch Gegenden wo besonders viele Menschen wählen. Und es gibt den Bezirk Dianaplatz. „Nicht der Rückgang an sich ist gravierend, sondern dass er sozial ungleich verteilt ist“, sagt die Soziologin Sigrid Roßteutscher von der Universität Frankfurt.

Eine soziale Schieflage der Demokratie droht

Das Phänomen ist nicht nur in Nürnberg zu beobachten. In nahezu allen deutschen Großstädten sieht es ähnlich aus. Das führt dazu, dass Menschen aus wirtschaftlich benachteiligten Vierteln im politischen System nicht ausreichend repräsentiert sind. Eine soziale Schieflage der Demokratie droht.

Zurück am Dianaplatz. Auf dem Industriegelände hinter dem Einkaufszentrum schrauben Arbeiter Dieselmotoren zusammen. Zwei junge Männer warten auf den Bus. Sie fragen sich, ob ihr Notenschnitt für den qualifizierenden Hauptschulabschluss reicht. Rund um den Dianaplatz leben etwas mehr als tausend Wahlberechtigte, 58 Prozent von ihnen gingen zuletzt nicht zur Wahl. In den anderen Bezirken um die Nürnberger Südstadt sieht es nicht viel besser aus. Gibitzenhof, Schweinau, Sundersbühl: Auch hier gab nicht einmal jeder Zweite seine Stimme ab.

Nichtwähleranteil in Nürnberg bei der Bundestagswahl (2013)

In den dunkel eingefärbten Bezirken konzentrieren sich die Nichtwähler.

Nimmt man die Tramlinie 8 bis zur Endhaltestelle, landet man in Erlenstegen am nordöstlichen Stadtrand. Nicht der Frankenschnellweg, sondern die Pegnitz schlängelt sich einige Meter entfernt von hier Richtung Innenstadt. Ein renoviertes Fachwerkhaus beherbergt eine kleine Konditorei. Ein älteres Ehepaar gönnt sich ein Stück Kuchen. Im Durchschnitt sind die Menschen hier zwölf Jahre älter als am Dianaplatz und es gibt deutlich weniger Arbeitslose.  

Das hat Einfluss auf die Wahlbeteiligung: In Erlenstegen gingen bei der letzten Bundestagswahl 80 Prozent der Wahlberechtigten wählen. Betrachtet man diesen Zusammenhang für alle Nürnberger Bezirke, zeigt sich ein eindeutiges Muster: Je höher die Arbeitslosigkeit in einem Viertel, desto niedriger ist die Wahlbeteiligung.

Wahlbeteiligung und Arbeitslosigkeit in Nürnberg (2013)

Je näher die Punkte an der Trendlinie liegen, desto stärker ist der Zusammenhang zwischen Wahlbeteiligung und Arbeitslosenquote.

Arbeitslosigkeit ist nur eine Möglichkeit, ein benachteiligtes Stadtviertel zu erkennen. Andere Faktoren wie Bildungsgrad oder Einkommen spielen ebenfalls eine wichtige Rolle. Hier lässt sich der gleiche Zusammenhang erkennen: Je benachteiligter ein Viertel und seine Bewohner sind, desto weniger von ihnen gehen zur Wahl. Und desto weniger werden sie politisch gehört.

Doch was tun? Mehr politische Bildung? Wahlpflicht, wie es sie in einigen anderen europäischen Länder gibt? Soziologin Roßteutscher identifiziert die sozialräumliche Trennung als Ursache. Sie gelte es zu überwinden. „Menschen leben immer mehr in Kreisen, in denen sich alle für Politik interessieren oder keiner. Ein Prozess, der sich immer weiter beschleunigen wird, wenn wir die soziale Trennung nicht in den Griff bekommen.“ Keine leichte Aufgabe für die kommende Bundesregierung.







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Barbara, Mittwoch, 20.September 2017, 12:59 Uhr

11. Sage mir, WEN du wählst!

Und ich sage dir, WER regiert!

  • Antwort von wm, Mittwoch, 20.September, 15:59 Uhr anzeigen

Elvira, Mittwoch, 20.September 2017, 12:19 Uhr

10. Was solls

Noch 4 Tage, Mädels.

Egal wer wo und wie wohnt.

Es war schon immer so das die einen ihren Verstand benutzt haben und andere nicht.

Jeder darf dazu lernen :)

Links-Wähler , Mittwoch, 20.September 2017, 11:12 Uhr

9. Wenn es regnet, dann gehe ich nicht zur Wahl.

Wen soll ich wählen? Merkel CDU zum 4. mal ist mir schon zu viel des Guten. Der Christian Lindner FDP ist nur eine Ankündigungspartei, die nichts umsetzt, die sich gegen Merkel der Karriere wegen nicht durchsetzt. Die AfD hat zwar sehr gute Argumente, aber die AfD ist eine Partei für Besserverdienende, Die SPD ist nur die Schwesterpartei der CDU und der Schulz kann als einfacher Buchhändler nicht das Schicksal von 82 Millionen Menschen bestimmen. Die Grünen verlangen nur unsinniges, widersprechen sich selbst und haben nichts gegen Atomwaffen in Deutschland. Dann bleiben mit nur Die Linken, die sich für den Frieden und für die soziale Gerechtigkeit einsetzen.

  • Antwort von Kreuzchen-Wähler, Mittwoch, 20.September, 11:48 Uhr anzeigen

  • Antwort von Erich, Mittwoch, 20.September, 13:05 Uhr anzeigen

  • Antwort von Robbi, Mittwoch, 20.September, 13:10 Uhr anzeigen

  • Antwort von Ärisch the only one, Mittwoch, 20.September, 13:43 Uhr anzeigen

  • Antwort von wm, Mittwoch, 20.September, 16:22 Uhr anzeigen

Dieter, Mittwoch, 20.September 2017, 10:54 Uhr

8. Wahlbeteiligung

Und wo kommen die 58% CDU und SPD Wähler her?
Wenn fast 60% der schon länger hier lebenden Bevölkerung noch SPD und CDU/CSU wählen, dann ist doch alles gut! (Bisher habe ich persönlich kaum jemanden getroffen der CDU/CSU und schon gar nicht SPD wählen will.) Demzufolge verstehe ich die ganze Aufregung nicht um die "nur"11% AfD Wähler. Warum verbreiten die anderen Parteien eine derartige Panikstimmung um die gefürchtete AfD? Könnte es vielleicht sein, dass es "hinter der Tür" doch ganz andere Umfrageprognosen gibt?.
M.f.G.


  • Antwort von Truderinger, Mittwoch, 20.September, 11:02 Uhr anzeigen

  • Antwort von VT, Mittwoch, 20.September, 11:34 Uhr anzeigen

  • Antwort von BR24-Leserin, Mittwoch, 20.September, 12:14 Uhr anzeigen

  • Antwort von Leonia, Mittwoch, 20.September, 12:18 Uhr anzeigen

  • Antwort von Truderinger, Mittwoch, 20.September, 12:23 Uhr anzeigen

  • Antwort von Menstruationstasse, Mittwoch, 20.September, 12:52 Uhr anzeigen

  • Antwort von Ketzer, Mittwoch, 20.September, 13:12 Uhr anzeigen

  • Antwort von Robbi, Mittwoch, 20.September, 13:13 Uhr anzeigen

  • Antwort von Adelheid , Mittwoch, 20.September, 13:19 Uhr anzeigen

  • Antwort von Lena B., Mittwoch, 20.September, 14:12 Uhr anzeigen

  • Antwort von wm, Mittwoch, 20.September, 15:17 Uhr anzeigen

Josef, Mittwoch, 20.September 2017, 10:32 Uhr

7. Schieflage?

wenn Almaier sagt wenn ihr nicht schwarz wählt sollt ihr lieber nicht zu Wahl gehen. Wenn Politiker solche Empfehlungen aussprechen dann braucht man sich nicht wundern wenn keiner zur Wahl geht!

  • Antwort von Johann, Mittwoch, 20.September, 11:24 Uhr anzeigen

  • Antwort von Dieter, Mittwoch, 20.September, 14:58 Uhr anzeigen

  • Antwort von Gerald, Mittwoch, 20.September, 15:07 Uhr anzeigen

  • Antwort von wm, Mittwoch, 20.September, 16:38 Uhr anzeigen