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Toxische Männlichkeit

RESPEKT Toxische Männlichkeit

Stand: 08.09.2021

  • Als toxische Männlichkeit bezeichnet man ein destruktives Verhalten von Männern, das schädlich für sie selbst und für andere ist.
  • Toxische Männlichkeit speist sich aus vermeintlichen Vorgaben, wie ein Mann sein soll, was er zu fühlen und wie er sich zu verhalten habe.
  • Diese toxischen Rollenbilder erlernen Männer in ihrer Kindheit und auch später noch, während sie heranwachsen.
  • Auch in einigen Berufen wird toxische Männlichkeit (Gefühllosigkeit) geradezu verlangt.
  • Die Folgen für den toxischen Mann sind ein Leben voller Risiken und voller Gewalt, daneben aber auch soziale Isolation, Depressionen und ein höheres Sterberisiko.

Wie kommt es dazu?

Definition

Video (2:16) Was ist toxische Männlichkeit?

Seit den 2000er-Jahren wird der Begriff "toxische Männlichkeit" vor allem von Feminist:innen benutzt, zum Beispiel im Zusammenhang mit #MeToo. Gemeint ist damit ein bestimmtes Verhalten, bestimmte Rollenbilder und Vorstellungen von Männlichkeit in der Gesellschaft. Sie geben vor, wie ein Mann sein soll, was er fühlen soll und wie er sich zu verhalten habe. Dazu gehört auch oft, dass sie diejenigen beleidigen und diskriminieren, die nicht diesen Rollenbildern entsprechen. Kräftemessen, Mutproben und Einfügen in Hierarchien gibt jungen Männern Sicherheit. Die Folgen unter anderem: 80 Prozent aller Gewaltstraftaten in diesem Land werden von Männern begangen und genauso viel Prozent der Opfer sind Frauen. Drei Viertel aller Selbstmörder sind Männer - eine traurige Statistik.

"Es ist halt oft so, dass sie durch dieses Verständnis von dem starken Mann in einer Beziehung oder in der Familie irgendwie oftmals nicht damit umgehen können, dass eine Frau vielleicht an einer Stelle überlegen ist. Ich habe das immer ziemlich gut gesehen, dass das so eine pure Verzweiflung war, weil er nicht wusste, wie er jetzt weiterkommt."

Mareike, Opfer einer Beziehung mit einem 'toxischen' Mann

Schaden für Körper und Psyche

Im Grunde ist toxische Männlichkeit eine fehlgeleitete Suche nach Halt und Dazugehörigkeit. Eigentlich ist sie ein selbstverletzendes Verhalten. Denn Männer bringen sich dadurch ins Abseits, erfahren Ablehnung und Liebesentzug - das Gegenteil von dem, was sie sich wünschen. Toxische Männlichkeit schadet dem Körper und der Psyche der Männer. Ein Beispiel: Laut Statistik begehen mehr Männer als Frauen Selbstmord. Die Erklärung: Viele Männer glauben, keine Schwäche zeigen zu dürfen. Sie holen seltener Hilfe, wenn sie psychische Probleme haben. Sie gehen im Schnitt deutlich seltener zum Arzt, haben weniger soziale Kontakte - weil sie das als "Stärke" und "Unabhängigkeit" definieren. "Ein Indianer weint nicht" - wer als Kind so was hört, wird später seltener Gefühle zeigen. Toxisch männliches Verhalten hindert Jungs und Männer also daran, ein freies Leben zu führen und so zu sein, wie sie gerade sind. Und oft setzen sich Jungs und Männer auch noch gegenseitig unter Druck - indem sie einander auslachen, wenn einer mal "aus der Rolle fällt".

"Dieses Männlichkeitsstereotyp: 'Ich brauche keine Hilfe.' Das steht der Gesundheit sehr im Wege. Alles in allem ist es so, dass Männer in Deutschland fünf Jahre kürzer leben als Frauen."

Prof. Dr. Gertraud Stadler, Medizinerin und Geschlechterforscherin an der Charité Berlin

Hilflosigkeit, die in Gewalt umschlägt

Toxische Männlichkeit ist Aggression gegen sich selbst - aber eben auch gegen andere. Denn wenn Männer gelernt haben, dass sie sich immer durchsetzen müssen - was passiert dann, wenn sie plötzlich ratlos sind? Sie fühlen sich bedroht. Da will die Partnerin etwa auf einmal, dass er Essen kocht für die Kinder. Und der Mann weiß nicht, wie das geht. Und da entgleitet ihm die Kontrolle, er ist nicht mehr der, der alles im Griff hat. Und weil die Frau diese "Abwertung" ausgelöst hat, versucht der Mann dann mit Gewalt, wieder "die Kontrolle zurückzubekommen".

"Und dann richtet sich meine Aggression gegen die Person, die mir in dem Moment als überlegen erscheint, weil sie etwas kann, was ich nicht kann. Und dann bringe ich die sozusagen wieder auf Maß, indem ich zuschlage, dann ist die wieder unten."

Andreas Schmiedel, Münchner Informationszentrum für Männer

Zahlen und Fakten

Video (3:13): Typisch Mann? Rollenbilder früher und heute

Rollenbilder

  • Vorherrschendes Bild über Jahrhunderte: der Mann als Familienoberhaupt, als Herrscher über die Familie und als Versorger.
  • In der Romantik vom Ende des achtzehnten bis ins neunzehnte Jahrhundert gab es das Bild des empfindsamen, schwärmerischen Mannes. Gleichzeitig aber prägte bis ins zwanzigste Jahrhundert hinein das Militär das Bild von Männlichkeit.
  • Heute sind Männer oft in einem Spannungsfeld zwischen Versorgerrolle und Familienmensch. In der Partnerschaft haben sie oft den Eindruck, sowohl gefühlvoll sein zu müssen als auch stark und dominant.

Was hilft, gesund männlich zu sein?

Kinder lernen von Erwachsenen. Aber in Krippen, Kindergärten und Grundschulen finden Jungs nur wenige männliche Vorbilder, zumal mit gesundem Selbstwertgefühl. Dazu gehört etwa das Redeverhalten: Wie höre ich jemandem zu? Warte ich nur darauf, dem Gegenüber zeigen zu können, wie schlau ich bin? Will ich nur was loswerden? Unterbreche ich andere - oder gehe ich auf sie ein? Malcolm erfährt bei seinem Coaching, dass auch er in Teilen toxisch männlich ist, dass er gerne recht hat oder mehr weiß als andere. Hier rät ihm Muriel Aichberger, einfach mal 30 Sekunden zu warten, bevor er antwortet - und freundlicher zu sein, wenn er antwortet. Sehr hilfreich sei auch, sich erst einmal zu überlegen, wie man denn sein möchte. Und dann auch versuchen, so zu sein - unabhängig davon, ob das irgendwelchen Rollenbildern entspricht oder nicht.

"Ich möchte hilfreich sein. Ich möchte liebevoll sein. Ich möchte freundlich sein. Ich möchte gemocht werden. Solche Dinge habe ich mich gefragt und habe mir die tatsächlich aufgeschrieben. Hör auf dich, sei lieb zu dir selber. Du verbringst als einziger Mensch dein ganzes Leben mit dir und deswegen bist du dir viel wert hoffentlich."

Muriel Aichberger, Trainer:in für Diversity

Autorin: Monika von Aufschnaiter

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