RESPEKT Chancenungleichheit
- Ob arm oder reich, jede:r soll im Leben die gleichen Chancen haben. Diesem Ideal wird die Gesellschaft aber nicht gerecht.
- Bildung gilt als Weg, soziale Unterschiede auszugleichen. Tatsächlich verschärft sie die Ungleichheit. Zum Beispiel beim Studium: Kinder von Nicht-Akademiker:innen schaffen es nur halb so oft auf die Uni wie Akademikerkinder.
- Bildungsherkunft und finanzielle Situation hängen meist eng zusammen: wenig Bildung, wenig Geld
- Kinder aus Familien mit Migrationshintergrund sind ebenfalls benachteiligt. Etwa dadurch, dass Lehrer:innen sie bei gleicher Leistung schlechter bewerten.
Ein Laptop für vier Kinder
Theresia und Hasan sind die Ersten in ihren Familien, die studieren. Theresias Eltern sind Metzger und Zahnarztgehilfin, Hasans Eltern Reinigungskraft und Pförtner. Beide sagen, ihre Eltern haben sie nach Kräften unterstützt. Doch finanziell sind Theresia und Hasan auf sich allein gestellt und müssen ihren Lebensunterhalt mit Nebenjobs finanzieren. Dazu kommen andere Erschwernisse: Theresia pendelt, damit sie billiger wohnen kann. Hasan teilt sich mit drei Geschwistern einen Laptop und wohnt mit seinem kleinen Bruder in einem Zimmer. Auch was das akademische Arbeiten angeht, mussten sie sich das Know-how selbst aneignen.
Rosalie dagegen kommt aus einer Akademikerfamilie, wo mehr Unterstützung möglich war - in allen Bereichen. Auch wenn Rosalie jobbt, sie tut es nicht aus einer Not heraus.
Zahlen und Fakten
Armut in Deutschland
Wer aus Familien kommt, in denen Geldmangel herrscht, hat es schwerer im Leben. Die Eltern haben selbst oft keine höhere Bildung, müssen viel arbeiten und haben oft keine Zeit, mit Hausaufgaben zu helfen. Auch fehlt den Eltern oft das fachliche Wissen, das sie bräuchten, um zu helfen. Etwa jede:r Fünfte in Deutschland ist arm oder gilt als von Armut bedroht, darunter viele alte Menschen, Kranke, Alleinerziehende, Kinder und Jugendliche. 13,7 Millionen Menschen in Deutschland leben heute unterhalb der Armutsgrenze – so viele wie noch nie seit der Wiedervereinigung 1990.
Klassismus, Rassismus, Sexismus
Definition
Unter Klassismus versteht man Vorurteile, aber auch die Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer sozialen Herkunft, zum Beispiel von Kindern und Jugendlichen, deren Eltern Arbeiter:innen oder arm sind, oder ihrer eigenen sozialen Position. Zum Beispiel, weil sie keine Arbeit haben und von staatlicher Unterstützung leben müssen. Die Vorurteile: Arme Menschen seien an ihrer Armut selber schuld, weil sie dumm und faul seien. Wegen ihres sozialen Standes werden sie abgewertet und bekommen vermittelt, dass sie weniger zur Gesellschaft dazugehören. Klassismus ähnelt dem Rassismus bzw. dem Sexismus. Eine Gruppe von Menschen wird benachteiligt, während eine andere ihre Privilegien behält und der Meinung ist, sie habe ihren Erfolg mit der eigenen Leistung verdient.
Bildungsbenachteiligung wird in die Wiege gelegt
- Zugang bereits zu frühkindlicher Erziehung ist eine wesentliche Basis für Chancengleichheit.
- Studien kommen zu dem Schluss, dass es nicht nur auf das Potenzial der Schüler:innen mit Migrationsgeschichte ankommt. Oft fehlt auch die Kompetenz der Lehrkräfte, in multikulturellen Klassen zu unterrichten.
- Je stärker in einem Land der Bildungserfolg von der sozialen Lage der Eltern abhängt, desto mehr werden bestehende Chancenungleichheiten vererbt.
- Gemessen an der Wirtschaftskraft, dem Bruttoinlandsprodukt, gab Deutschland 2017 mit 4,5 Prozent im europäischen Vergleich weniger für Bildung aus als zum Beispiel Dänemark mit 7,3 Prozent.
Zahlen und Fakten: Quellen
Kinder von (Nicht-)Akademiker:innen / Schule & Studium
Datenportal BMBF
GEW zum Bildungstrichter
DZHW: Hochschulstudium & Bildung der Eltern
Studienabbruch aus finanziellen Gründen / Abbruchquote von Nichtakademikerkindern
DZHW: "Zwischen Studienerwartungen und Studienwirklichkeit" pdf S. 64
Hochschul-Bildungsreport 2020: Chancen für Nichtakademikerkinder
Unbewusste Zuschreibungen & Leistungserwartungen ggü. Schüler:innen mit Migrationsgeschichte
BMBF: Chancengerechtigkeit und Teilhabe pdf u.a. S. 5, S. 9 ff, S. 11, S. 20 ff
Caritas: Integration heißt: Bildungsgerechtigkeit
Bedeutung der frühkindlichen Erziehung
Institut der deutschen Wirtschaft: Bildungsgerechtigkeit pdf S. 27 ff und S. 54
IMIS: Forschungsprojekt "Pathways to Success" pdf S. 4
Bildung als Menschenrecht
Vereinte Nationen: Allg. Erklärung der Menschenrechte
Landeszentrale f. politische Bildung: Menschenrechte
UN-Kinderrechtskonvention, Artikel 28 und 29
Übereinkommen über die Rechte des Kindes
Öffentliche Ausgaben für Bildung
eurostat: Öffentliche Ausgaben für Bildung
GEW: Wie Deutschland bei der Bildung abschneidet
Bundeszentrale für politische Bildung: Das Recht auf Bildung verwirklichen
Abhängigkeit des Bildungserfolgs vom sozialen Background
OECD: Equity in Education
Mehr Geld für Bildung
In Studien nachgewiesen: Je stärker in einem Land der Bildungserfolg von der sozialen Lage der Eltern abhängt und weniger von den Fähigkeiten und Talenten, desto mehr werden bestehende Chancenungleichheiten vererbt. Diese Unterschiede auszugleichen, kostet Geld. Bildungsexpert:innen fordern hier deutlich höhere öffentliche Investitionen. Gemessen an der Wirtschaftskraft, dem Bruttoinlandsprodukt, gab Deutschland 2017 mit 4,5 Prozent im europäischen Vergleich weniger für Bildung aus als zum Beispiel Dänemark mit 7,3 Prozent. Deutschland liegt sogar knapp unter dem europäischen Durchschnitt. Außerdem fordern Fachleute Reformen in der Ausbildung der Lehrkräfte und mehr Diversität, also Vielfalt im Lehrpersonal.
Beratung und Unterstützung
Vielen "Arbeiter-" und "Migrantenkindern" geht es so wie Theresia und Hasan. Doch es gibt auch Organisationen und Vereine, die helfen. Zum Beispiel das Netzwerk "Arbeiterkind", wo junge Menschen Studienanfänger:innen beraten über Stipendien und andere Fördermittel. Oder das "Aelius-Förderwerk", in dem auch Hasan arbeitet: Hier bekommen benachteiligte Jugendliche Beratung, Mentoring und Coaching, was höhere Bildung angeht. Damit sie leichter ans Gymnasium kommen, das Abi schaffen und ein Studium finden, das zu ihnen passt und Wege, es zu finanzieren.
Mehr über Maja Bogojević findet ihr in ihrem Blog Erklärmirmal.
Autorin: Monika von Aufschnaiter