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how2 Demokratie: Wie kann ich etwas ändern?

RESPEKT how2 Demokratie: Wie kann ich etwas ändern?

Stand: 01.09.2021

  • Wer in einer Demokratie etwas ändern möchte, kann wählen - oder auf verschiedene Weise selbst aktiv werden:
  • Eine Kampagne starten, die die öffentliche Meinung beeinflussen soll.
  • Eine Petition an Parlamente richten, damit die das Thema behandeln.
  • Ein Bürger- oder Volksbegehren starten, das ganz direkt eine konkrete Entscheidung oder ein neues Gesetz erzwingen kann.
  • Oder vor Gericht ziehen und zum Beispiel die Bundesregierung zum Handeln zwingen.

Was kann ich tun?

Ein Beispiel: Jede:r in Deutschland wirft jährlich 75 Kilogramm Lebensmittel weg. Wer aber aus fremden Abfalltonnen brauchbare Lebensmittel rettet, kann wegen Diebstahls belangt werden. Die Moderatorin will das ändern und wird aktiv. Sie startet eine Nachbarschaftsinitiative und sammelt Unterschriften für eine Petition. Und trifft andere Aktivist:innen, um sich Rat zu holen.

Definition

Video (2:05) Was ist ein:e Aktivist:in?

Die Moderatorin trifft die Mathelehrerin Bettina Cornean, die gerade mit ihrer Petition gegen unfaire Mathe-Prüfungsaufgaben im bayerischen Abitur gescheitert ist. Gibt sie jetzt auf? Auch Güneş Seyfarth ist mit Leib und Seele "Demokratiegestalterin". Sie rettet Lebensmittel im großen Stil, um sie in einem Lokal zu servieren und in einem Supermarkt zu verkaufen. Noch radikaler sind Klimaaktivist:innen, die nahe München den Forst Kasten besetzen, um den Wald vor der geplanten Abholzung zu retten. Sondereinsatzkommandos haben sie wiederholt von den Bäumen geholt, einige mussten wegen der Aktion vor Gericht. Doch die jungen Menschen machen weiter.

"Es ändert sich nichts daran, dass wir gerade in einer Klimakatastrophe stecken. Und die wird nicht von heute auf morgen weggehen, weil man einen Zettel unterschreibt. Und wenn wir hier nicht sind, dann ist ja die nächste Schlussfolgerung, dass eben dieser Wald gerodet wird."

Aktivistin im Forst Kasten bei München

Petition, Klage, Volksentscheid - was dient wozu?

Eine Kampagne ist sinnvoll, wenn wir die Öffentlichkeit auf ein problematisches Thema aufmerksam machen wollen. Wir tun uns mit Gleichgesinnten zusammen und überlegen, wie wir diese Aufmerksamkeit wecken können.

Eine Petition kann Volksvertreter:innen oder Behörden dazu bewegen, sich mit einem Thema zu befassen. Jede:r kann eine Petition auf den Weg bringen. Wichtig ist dabei, dass auf den ersten Blick klar wird, was die Petition erreichen soll. Also etwa: "Wir möchten, dass die Supermärkte veröffentlichen, wie viel sie denn wegwerfen."

Bürger- und Volksbegehren sind die stärksten aber auch aufwendigsten Mittel, Druck auf die Politik zu machen. Wer dafür Mehrheiten gewinnt, kann damit selbst Gesetzgeber:in werden. Hier erfährst du alles über Bürgerbegehren und -entscheid und Volksbegehren und -entscheid.

Wenn die passenden Regeln und Gesetze schon da sind, aber nicht eingehalten werden, können Klagen vor Gericht helfen. Die kosten allerdings oft viel Zeit und Geld, und der Ausgang ist unsicher. Noch ein heißer Tipp von Susanne Socher ist, direkt mit Abgeordneten zu sprechen. Die haben nämlich Sprechstunden.

"Ich bin zutiefst überzeugt davon, dass es von der Politik gewünscht ist, dass es wache Bürgerinnen und Bürger gibt, die wirklich ihre Demokratie als ihre Demokratie begreifen und da mitdenken und mitdiskutieren und ihre Themen auch da reinbringen."

Susanne Socher von mehr Demokratie e.V.

Womit hat man Erfolg?

Egal ob Kampagne, Petition oder Volksbegehren: "Der Erfolg hängt davon ab, ob man einen Nerv trifft oder nicht.", sagt Susanne Socher von "mehr Demokratie e.V.". Als Beispiel nennt sie das Lobbyregister-Gesetz, das nun endlich in Kraft getreten ist. Lange war zuvor schon gefordert worden, dass Abgeordnete offenlegen müssen, mit welchen Unternehmen oder Lobbyverbänden sie Kontakt haben.

Zahlen und Fakten

Video (3:25): Druck auf die Politik - aber wie?

Druck auf die Politik: Zahlen und Fakten

  • Das Petitionsrecht ist im Grundgesetz verankert. Im Bundestag und in den Parlamenten der Bundesländer sind Petitionsausschüsse dafür zuständig, Bitten und Beschwerden zu bearbeiten.
  • Immer mehr Menschen nutzen diesen Weg: von 2017 bis 2020 ist die Zahl um etwa ein Drittel angestiegen, auf 14.300 Petitionen pro Jahr. Beispiel: Grundeinkommen
  • Seit 2012 gibt es die Europäische Bürgerinitiative. EU-Bürger:innen können damit erzwingen, dass sich die Europäische Kommission mit einem Thema befasst und so neue EU-Rechtsvorschriften anstoßen. Doch die Hürden liegen hoch. Beispiel für einen Erfolg: "End the Cage Age"
  • Es braucht EU-weit 1 Million Unterstützer:innen aus mindestens sieben EU-Staaten, damit sich die Kommission mit dem Anliegen befasst.
  • Volks- und Bürgerentscheide gehen noch weiter. Da können die Wahlberechtigten in einem Bundesland oder einer Kommune selbst neue Gesetze beschließen. Volks- und Bürgerbegehren sind dabei die erste Stufe.
  • Wenn ein Mindestanteil der Bürger:innen das Begehren unterstützt, muss das Land oder die Kommune darüber einen Volks- beziehungsweise Bürgerentscheid durchführen. Oder die Volksvertreter übernehmen den Bürgerantrag als eigenen Beschluss.

Zahlen und Fakten: Quellen

Grundgesetz, Artikel 17, Petitionsrecht
Justizministerium, Regelungen zum Petitionsrecht, Bericht Petitionsausschuss (pdf, S. 110 ff), Öffentliche Petitionen
Petitionsausschuss Bundestag & Statistik Petitionen
Petitionen 2020, Politische Partizipation, "Vom Bädersterben bis zur Postzustellung"
Petition Bed. Grundeinkommen
Petitionstext, Jahresbericht Petitionsausschuss (pdf, S. 17)
Quorum
Öffentliche Anhörung zur Petition (Video), Öffentliche Petitionen (pdf, S. 8 f)
Europäische Bürgerinitiative
europa.eu, Bundeszentrale für politische Bildung, europa.eu: FAQ
"End the Cage Age"
Initiative, Folgemaßnahmen, Übersicht, Beschluss
Volks- und Bürgerbegehren
"Mitbestimmen" (planet schule), Volksentscheid / -begehren (HanisauLand), Bürgerbegehrensbericht 2020 (pdf)
Radentscheid München
Radentscheid, 1 Jahr Radentscheid, Fehlplanung Ludwigstraße

Bettina Cornean gibt Schüler:innen Nachhilfe und hat erlebt, wie viele unter dem Mathe-Abi leiden, das nicht an die Corona-Belastungen angepasst wurde. Ihre Petition, die 50.000 Unterschriften erhielt, wurde jedoch im Bayerischen Landtag abgelehnt. Das ist bitter für sie.

"Jetzt wird wieder über Abis diskutiert, die 40 Jahre zurückliegen. Die sind überhaupt nicht mehr vergleichbar, das Abi von damals und das Abi von jetzt. Der Hauptkritikpunkt, den ich die ganze Zeit genannt habe, ist: In dieser Pandemie-Situation ist das Abitur unfair gewesen."

Bettina Cornean, Mathe-Dozentin und Petitions-Starterin

7 Tonnen Lebensmittel pro Tag

Güneş Seyfarth ist seit acht Jahren Lebensmittelretterin. Sie weiß, dass Lebensmittel überall da weggeworfen werden, wo sie produziert, verkauft und konsumiert werden. Also bei Großhändlern, beim Lebensmitteleinzelhandel, Events, Kantinen, Gaststätten, Caterings und beim Endverbraucher. Für ihre Community Kitchen, eine ehemalige Kantine, kauft sie vor allem von Großlieferanten. Am Ende werden hier gerettete Lebensmittel verkocht, aber auch im Supermarkt angeboten.

"Ich persönlich glaube, wir sind etwas bequem geworden in Deutschland. ... Mein Herkunftsland ist die Türkei, und ich sehe, wie es da nicht mehr demokratisch ist. Wenn ich das sehe, möchte ich hier noch aktiver werden."

Güneş Seyfarth, Unternehmerin und Lebensmittelretterin

Autorin: Monika von Aufschnaiter

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