RESPEKT Verschwörungsmythen
- Ausgangspunkt eines Verschwörungsmythos ist meist ein großes, scheinbar unerklärliches Ereignis, das Fragen auslöst.
- Angebliche Drahtzieher wollen andere manipulieren, um ihren geheimen Plan zu verwirklichen, zum Beispiel, die Weltherrschaft zu übernehmen.
- Vor allem in Krisenzeiten glauben viele Menschen an Verschwörungsmythen, denn solche Erzählungenn liefern klare und einfache Erklärungen und schließen Zufälle aus.
"Es muss Verantwortliche geben für die Krise."
Definition
Viele Verschwörungsanhänger glauben lieber, dass eine kleine Gruppe von Menschen für eine Krise verantwortlich ist, als dass sie akzeptieren, dass manche Dinge einfach geschehen. Es ist schwierig, mit Menschen, die an Verschwörungsmythen glauben, zu diskutieren. Fakten oder Gegenbeweise ignorieren sie oder sie nehmen sie als Beleg dafür, dass auch das Gegenüber Teil der vermeintlichen Verschwörung ist.
Wer glaubt an Verschwörungsmythen?
- Die meisten Verschwörungsgläubigen, 18 Prozent, gehören dem untersten Viertel aller Einkommensschichten an. Neun Prozent dem höchsten.
- Die meisten Anhänger von Verschwörungsmythen verorten sich im politischen Spektrum rechts beziehungsweise Mitte rechts.
- Menschen, die an eine Corona-Verschwörung glauben, halten zu 43 Prozent soziale Medien für glaubwürdiger als traditionelle Medien, denen nur sechs Prozent der Verschwörungsgläubigen vertrauen.
Zahlen und Fakten
Zahlen und Fakten: Quellen
Studie zu Verschwörungsmythen (Konrad Adenauer Stiftung) S. 3, 4 und 11
(auf Basis einer Befragung im Zeitraum zwischen Oktober 2019 und Februar 2020 "in den Monaten vor Ausbruch der Corona-Pandemie", ebd. S. 6).
Bericht d|part: Wer glaubt an Corona-Verschwörungsmythen? S. 4, 5, 7, 8 f., 11 f., 12 f. und 16 ff.
(Einkommens- und Bildungsschichten, Altersgruppen, Bildungsabschlüsse, Politisches Spektrum, eigene Wertehaltungen, Vertrauen in die Medien/Mediennutzung)
BZgA: Wer glaubt an Corona-Verschwörungsmythen?
Bericht d|part: Wer glaubt (nicht mehr) an Corona-Verschwörungsmythen? S. 4, 8, 24
(Mediennutzung, Harter Kern, Neue Befragung 2021)
statista: Jüngere sind anfälliger für Verschwörungsmythen
NDR: Studie zu Verschwörungsmythen: Angst spielt eine große Rolle
IW-Report 2/2021: Politisches Informationsverhalten (Mediennutzung)
Verschwörungsmythen entzweien Familien
Claudia M. suchte ein Umfeld mit christlicher Gesinnung. So kam sie zu einer Gruppe, in der sie sich zunächst wohl fühlte. Doch dann kamen schleichend immer mehr Verschwörungsmythen dazu, die Teil des "Glaubens" wurden. Zum Beispiel dass die Flüchtlingsbewegung eine "Migrationswaffe" war zur "Zerstörung des Staates und zur Destabilisierung der Länder". Zum Glück hat Claudias Mutter den Kontakt zu ihr gehalten, obwohl oder weil sie sich Sorgen machte um ihre Tochter. Heute sieht Claudia, die aus der Gruppierung ausgestiegen ist, wie stark Familien entzweit werden. Dadurch zum Beispiel, dass die Meinungen über die Impfung und ihren Nutzen so weit auseinandergehen.
Was hilft bei Verschwörungsmythen?
Niklas Vögeding, der für die Veritas Beratungsstelle für Betroffene von Verschwörungserzählungen arbeitet, stellt fest, dass es um Corona so viele Mythen gibt wie nie zuvor. Interessant sei das auch deshalb, weil die Maßnahmen so stark in den Alltag aller Menschen eingreifen. Deshalb seien sie auch viel mehr als sonst dazu gedrängt, ihre Meinung zu dem Thema kundzutun. Sehr wichtig scheint Niklas Vögeding, den Kontakt zu halten - auch wenn man unterschiedliche Weltansichten hat. Solange es einen nicht völlig fertig macht natürlich.
Tipps für Gespräche mit Verschwörungsanhänger:innen
- Absolute No-Gos: sich lustig machen, Zynismus, Überheblichkeit
- Auch nicht hilfreich: zu sagen "Ihr seid verrückt, ihr seid rechtsextrem, ihr seid Nazis."
- Besser: Nicht zu sehr mit Fakten argumentieren. Denn dadurch fühlen sich Leute in ihrem Weltbild angegriffen. Das wird nur zur Eskalation führen, weil die Leute das als einen Angriff auf ihre Person erfahren.
- Beste Strategie: auf der emotionalen Ebene ins Gespräch kommen. Nachfragen, wo Angst und Ohnmachtsgefühle dahinter stecken. Anstatt zu diskutieren, was richtig ist und was falsch, aufrichtig interessiert sein und zuhören.
Wie weit geht Meinungsfreiheit?
In einer Demokratie gibt es ein Recht auf freie Meinungsäußerung. Dieses Recht bedeutet aber nicht, dass Menschen ihre Meinung mit Gewaltanwendung durchsetzen dürfen. Es ist auch nicht erlaubt, andere zu Gewalt aufzurufen. Die Journalistin und Expertin für Verschwörungsmythen Ingrid Brodnig weist darauf hin, dass in Verschwörungsgruppen auch Gewaltfantasien kursieren können, etwa, dass über die Ermordung von Politiker:innen gesprochen wird. Denn gerade in der Corona-Zeit haben sowieso viele Menschen Angst - ob nun vor dem Virus, vor einer Impfung oder vor dem Zusammenbruch des Wirtschaftssystems. Da sei es wichtig, so Brodnig, ein Netzwerk zu schaffen, auch durch den Sozialstaat, wo diese Menschen aufgefangen werden.
Fachbegriffe aus dem Interview - einfach erklärt
Confirmation-Bias: Das ist ein Bestätigungsfehler: Eine Behauptung, die meiner Wunschhaltung entspricht und die ich deshalb eher für wahr halte.
Self-sealing arguments: Das sind sich selbst abdichtende Argumente. Zum Beispiel: "Ja, die Wissenschaftler, die sind gekauft." Und wenn dann ein Gegenargument, ein Faktencheck kommt, dann heißt es: "Ja, das müssen die wohl behaupten!"
Nasty-Effekt: Das ist so eine Art Auseinanderdriften des Diskussions-Feldes, wo Leute, die in die eine Richtung neigen, dann noch mehr dorthin gehen und die anderen in die andere Richtung.
Covidioten: Schimpfwort für Menschen, die den wissenschaftlichen Fakten rund um das Corona-Virus abwehrend gegenüberstehen.
QAnon: So nennt sich eine Gruppe, die seit 2017 von den USA aus rechtsextreme Verschwörungsmythen im Internet verbreitet. Gründer ist ein Mann mit dem Pseudonym "Q", der "Anon"ym bleiben will, daher kommt das Kürzel.
Safeword: Ein Signalwort, das man vereinbart, um hitzige Diskussionen stoppen zu können, bevor man sich gegenseitig verbal verletzt. Das kann helfen, damit etwa Gespräche zu Corona-Themen nicht eskalieren.
Third-person-effect: Das bezeichnet den Effekt, dass man das Problem des Reinfallens auf Falschmeldungen eher bei anderen verortet. "Die fallen auf so was rein - ich nicht."
Autorin: Katharina Putz, Monika von Aufschnaiter
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