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Plansequenz „ ARREST“ Ein Film in 6 Minuten ohne Schnitt

Plansequenz, das ist ein Film, der komplett ohne Schnitte auskommt. Der dritte Ausbildungsjahrgang 'Mediengestalter Bild und Ton' hat mit dieser besonderen Gestaltungsform die Kriminalshow 'Arrest' produziert - wieder in Zusammenarbeit mit Campus Magazin auf ARD-alpha.

Von: Johanna Söth

Stand: 03.03.2023

Plansequenz: Kurzfilm ohne Schnitt "ARREST"

"ARREST" - Der Film

Eine junge Frau erwacht in einer Zelle. Sie hat Schmerzen und es dauert einen Moment, bis sie realisiert, dass sie mit Handschellen an einen alten Zahnarztstuhl gekettet ist. Über ihr baumelt eine flackernde Glühbirne, von draußen schimmert ein grünliches Licht durch ein verschmutztes Fenster. Die junge Frau bekommt Panik. Wo ist sie? Wie ist sie hierher gekommen? Warum wird sie festgehalten? Auf einem Tisch neben sich entdeckt sie altes, verrostetes Werkzeug – Instrumente vorausgegangener Folterpraktiken. Sie zögert keine Sekunde, greift nach dem Werkzeug und versucht sich zu befreien.

Wer nun denkt diese Szenerie des Grauens trüge sich in einer längst vergessenen Psychiatrie, einer geheimen Folterkammer oder einem verlassenen Horrorhaus zu, liegt  falsch – zumindest teilweise, denn die Zelle ist Kulisse, die junge Frau ist Schauspielerin und um sie herum arbeitet ein 22 Personen Team eine Wiche lang mit höchster Konzentration. Wir befinden uns im Studio 2 des Bayerischen Rundfunks in Unterföhring, in welchem der jährliche Plansequenz-Workshop des dritten Ausbildungsjahres der 'Mediengestalter Bild und Ton' unter der Leitung von Anja Caninenberg stattfindet.

Plansequenz als Montageform

Doch was ist überhaupt eine Plansequenz? Das Wort kommt von dem französischen „plan séquence“, was so viel wie „in einer Einstellung realisierte Szene“ bedeutet. Das heißt eine Plansequenz ist ein Film, der komplett ohne Schnitte auskommt. Schon der erste aufgenommene Film „Die Ankunft eines Zuges auf dem Bahnhof in La Ciotat“ der Brüder Lumiére aus dem Jahr 1895 ist eine Plansequenz. Zwar lag das daran, dass der Filmschnitt zu diesem Zeitpunkt noch nicht erfunden war, doch auch heute noch gilt die Plansequenz als die Masterdisziplin unter den Filmschaffenden. Sie erfordert nicht nur organisatorisch und planerisch ein enormes Maß an Arbeit, sondern auch technische Perfektion. Aber das zahlt sich aus, denn keine Montageart vermittelt dem Zuschauer so sehr das Gefühl, an der Handlung teilzuhaben, wie die Plansequenz – das Leben hat eben auch keine Schnitte.

Ein Film ohne Schnitt: Plansequenz "Arrest" Laufwege

"Die dramaturgische Wirkung und Komposition entsteht durch die Bewegung der Kamera, die unterschiedlichen Größeneinstellungen und die Perspektive. Der Zuschauer ist mitten im Geschehen."

Anja Caninenberg, Projektleiterin

Organisatorische Herausforderung

Aber warum bedeutet eine Plansequenz so viel mehr Aufwand als eine herkömmliche Produktion mit Montage? Das weiß Nicolas Rasor, der bei dem Plansequenz-Workshop Kameramann ist:

"Die besondere Herausforderung ist, alle Personen auf einen Punkt dahin zu bringen, dass sie das abrufen, was man abgesprochen hat und dass alle vom Timing her zusammenarbeiten. Außerdem muss man sich am Anfang viele Gedanken drüber zu machen, wie man seinen Film gestalten möchte, weil man nur eine Einstellung hat und in dieser Einstellung ganz viel erzählen möchte."

Nicolas Rasor

Im Vorfeld einer Plansequenz muss also exakt festgelegt sein, wie die Handlung im Film umgesetzt wird, wann die Kamera an welcher Position ist und welche Einstellungsgröße und Perspektive man verwendet. Sobald ein Fehler passiert, egal ob von organisatorischer, technischer oder schauspielerischer Seite, muss der Take abgebrochen werden – also alles wieder auf Anfang!

Perfekt wäre, wenn man im Studio nur aufbauen und anfangen müsste, aber das geht nicht“ erklärt Konrad Heiwolt, der für dieses Projekt das Drehbuch geschrieben hat und als Regisseur die Hauptverantwortung trägt. Er ist die Anlaufstelle für alle Gewerke, die an der Produktion beteiligt sind – von Kamera, Ton und Licht über Schauspiel bis hin zu Kostüm, Szenenbild, Requisite und nicht zu vergessen - das Catering.  

"Die besondere Herausforderung ist, dass es so viele Leute sind, wir haben ja ein 22 Personen Team und nochmal 20 Komparsen und Schauspieler. Die alle auf den Punkt zu koordinieren, ist eigentlich das schwerste."

Konrad Heiwolt

Da das Ganze ein Ausbildungsprojekt ist, werden alle Positionen, außer die der Schauspieler, von den Auszubildenden 'Mediengestaltern Bild und Ton' des zweiten und dritten Lehrjahres besetzt. Unterstützung gibt es zudem von Veranstaltungstechniker Konstantin Volk und Projektleiterin Anja Caninenberg.

Mobile Reporting und Social Media

Neben der eigentlichen Produktion wird in diesem Jahr besonders viel Wert auf die Vermarktung über Social Media gelegt. Ein eigenes Mobile Reporting Team versorgt Instagram regelmäßig und zeitnah mit „Stories“ vom Set, um dadurch die Aufmerksamkeit für das Projekt zu steigern. 

Bei diesen Instagram Stories kommt es vor allem darauf an, das Interesse der Zuschauer in sehr kurzer Zeit zu wecken, damit diese nicht einfach weiter swipen. Neben den Stories wird außerdem eine Serie von kurzen Videos zum Thema „10 Fragen – antworte mit einem Wort“ gedreht und selbstverständlich wie jedes Jahr ein umfangreiches Making-Of Video, um die komplette Arbeit der Produktion zu dokumentieren.

Neuer Rekord

06. Dezember 2018, 16:30 Uhr – noch einmal sammelt sich das ganze Team um den Rückschau-Monitor, gebannt schauen sich alle den letzten Take an, dann fallen die entscheidenden Worte des Regisseurs: „Der ist es!“ Nach zahlreichen organisatorischen Vorbereitungen, zwei Tagen Aufbau, Einrichten und Einleuchten der Kulisse sowie dutzenden Proben ist es geschafft – bei Take 13 passt endlich alles. Das ganze Team bricht in Applaus aus, Freude und Erleichterung stehen jedem ins Gesicht geschrieben. 

"Take 13 ist der perfekte für unsere bisher längste Plansequenz – ein Rekord! Das gelingt nur durch ein perfektes, professionelles Zusammenspiel von 22 Teammitgliedern."

 Anja Caninenberg, Projektleiterin

"Das ist das beste Gefühl nach so einer Woche, wenn man den finalen Take sieht und wir haben jetzt nur 13 Takes gebraucht, das ist schon krass. Ich bin echt froh, dass wir das geschafft haben, das ist echt ein tolles Gefühl."

Konrad Heiwolt, Regie

"Ich bin geflasht, dass alles so funktioniert hat und dass es nur 13 Takes waren, da wir alle mit mehr gerechnet hatten. Dass die Stimmung so gut ist und wir einfach um halb fünf das Zeug im Kasten hatten, ist mega geil!"

Nicolas Rasor, Kamera

Auch wenn die Plansequenz keinen Schnitt mehr durchlaufen muss, ist noch längst nicht alle Arbeit getan. Color Grading, Nachvertonung und die Verpackung des Clips stehen noch bevor – außerdem muss der komplette Abbau des Sets erfolgen. So ein Projekt schweißt das ganze Team zusammen, da fließt natürlich der ein oder andere Wermutstropfen, wenn alles wieder vorbei ist.

"Es ist dann immer schade, wenn man abgedreht hat und alles wieder aufräumen muss, weil man sich hier die Woche über so an dieses Set gewöhnt, das ist der Habitat für eine komplette Woche und man lernt es einfach lieben."

Nicolas Rasor, Kamera

"Ich bin einfach nur stolz auf die großartige Leistung und das unglaubliche Engagement aller Beteiligten."

Anja Caninenberg, Projektleiterin

Und die Story?

Zum Schluss stellt sich nun natürlich noch die Frage: Was ist eigentlich aus der jungen Frau in der Zelle geworden? Konnte sie sich befreien? Wer waren ihre Kidnapper? Und warum war sie überhaupt eingesperrt? – Wer das wissen will, sollte sich die Plansequenz „Arrest“ der 20. Generation 'Mediengestalter Bild und Ton' des Bayerischen Rundfunk nicht entgehen lassen.


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